Kristallisierende Wassertropfen
Teil 2 - Schulanalyse
Werner Zurfluh
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RFR = Beiträge von Remo F. Roth. (Homepage)

Wassertropfen Teil 1

Der Schulanalytiker

In diesem Kapitel geht es um die Begegnung zweier Welten. Diese Begegnung führte nicht zu einem Gespräch zwischen mir, dem damals 28 Jahre alten Studenten der Jung'schen Psychologie und dem Schulanalytiker, sondern zu einem Zusammenstoss der Anschauungen. Und schliesslich kam es soweit, dass ich den Eindruck bekam, der Schulanalytiker versuche, meine Beiträge abzublocken und mich nach der Zurechtweisung in das bestehende System einzupassen.

Verstehen konnte ich die Unmöglichkeit einer Annäherung erst, als mir bewusst wurde, dass die kontinuierliche Bewusstheit gemäss traditioneller Psychologieauffassung strikt auf den Wachheitszustand des physischen Körpers beschränkt bleibt. Es durfte somit weder ein luzides Träumen noch eine ausserkörperliche Erfahrung geben, denn beides widersprach dem Identitätskonzept, welches besagt, dass der Ich-Zustand prinzipiell mit dem Zustand des physischen Körpers identisch ist.

Es fiel mir ungemein schwer, das dieser Betrachtungsweise zugrundeliegende Axiom zu durchschauen - und zu begreifen, dass ein Paradigmenwechsel notwendig gewesen wäre, um die vertrackte Situation mittels des BK-Konzeptes zu beheben. Weil dies ohne Vorbereitung auch jenen sehr schwer fallen dürfte, die diese Zeilen lesen, soll der Weg, der schliesslich zu einer "Lösung zweiter Ordnung" geführt hat, Schritt für Schritt beschrieben und erläutert werden. Für mich jedenfalls gab es 1973 ohne entsprechendes Wissen keine Grundlage, von der aus die Möglichkeit bestanden hätte, eine fruchtbare Diskussion der unterschiedlichen Standpunkte einzuleiten.

Wer z.B. einen Albtraum hat, kann IM Traum alles mögliche versuchen: fliehen, sich verstecken, sich wehren, aus dem Fenster springen usw.; doch führt bekanntlich kein Wechsel von einem dieser Verhaltensweisen zu einer anderen zu einer Lösung. Die Lösung liegt im Wechsel des ICH-ZUSTANDES vom Träumen zum Wachen. Erwachen ist aber nicht mehr ein Element des normalen Traum-Ichs, sondern eine VERÄNDERUNG DES ICHS ZUR BEWUSSTSEINSKONTINUITÄT. Dieser Wechsel ist ein "Wandel zweiter Ordnung" bzw. eben eine "Lösung zweiter Ordnung". Ein Albtraum sollte das Traum-Ich nicht dazu veranlassen, vom Schlaf- in den Wachzustand des physischen Körpers zu wechseln, sondern der eigentliche Anlass für das Ich sein, IM TRAUM ZUR BEWUSSTHEIT ZU ERWACHEN, d.h. LUZID zu werden. Und mit der Luzidität wird es dem Ich sofort möglich, seine VERHALTENSWEISE zu ändern.


Am 25. Dezember geht es eine Treppe hinab zu einer Untergrundbahnstation. Wie viele andere Leute warte ich auf dem düster grauen Bahnsteig und schaue nachdenklich - und im Bewusstsein, in einer Traumsituation zu sein - auf die nasskalten Schienen. Die Stimmung ist irgendwie gedämpft und vor allem gedrückt - und es ist alles andere denn angenehm.

Ich denke: «Da warte ich nun an diesem tristen Ort auf ein Kollektivbeförderungsmittel - ob ich will oder nicht.»

Endlich fährt der Zug ein. Quietschend kommt er zum Stillstand. Ich und andere steigen ein - und schon fährt der Zug wieder ab. Nach relativ kurzer Zeit liegt das dunkle Tunnelsystem hinter uns und wir brausen nun durch eine lichte, "phantastisch-irreale" Landschaft. In der Ferne ist ein Wald zu sehen. Die Baumstämme erscheinen mir sehr fremdartig, denn sie sind unten stark verdickt und ähneln uralten, gedrungenen Palmen. Wie riesige Wassertropfen sehen sie aus! Das hinter dem Wald aufragende Gebirge schimmert in den merkwürdigsten Farben.

Plötzlich stoppt die "eiserne Schlange". Ich steige aus und weiss, dass die Fahrt im Kollektivbeförderungsmittel nun definitiv zu Ende ist. Ab sofort gilt es, zu fuss weiterzugehen. Aber das freut mich, obwohl eine Zugsreise weitaus bequemer gewesen wäre.

Es gilt, aus einem Kollektivbeförderungsmittel auszusteigen und die eigenen Füsse zu benutzen. Statt bloss amplifikatorisch gemäss Jung'scher Psychologie zu interpretieren, müssen Kontext UND Luzidität stärker in Rechnung gezogen werden. Aber das ist tatsächlich ein Gebiet, das an Wundersamem und Unbekanntem sehr reich ist und deshalb den Urwaldgebieten der schriftlosen Völker so ähnlich sieht. Denn ein solches Vorgehen ist sozusagen "schriftlos", denn es kann sich nicht auf Geschriebenes bzw. auf die gängige Psychologie abstützen.

Bislang hatte ich dies völlig ungenügend realisiert - ein Traum kann nicht einfach so - auch bei Vorhandensein von archetypischem Material - interpretiert werden. Amplifikationen stellen wohl eine gewisse Hilfe dar und sind gewissermassen wie ein Eisenbahnzug, eine technisierte eiserne Schlange, in das unerforschte Neuland. Ist man dann aber im unbekannten Gebiet angelangt, heisst es, auf den eigenen Füssen weiterzugehen.


Am 26. Dezember 1973 machte ich mich daran, mir über mein Verhältnis zum Schulanalytiker definitiv Klarheit zu verschaffen. Dies war der erste Schritt auf einem langen Weg, an dessen Ende eine Lösung zweiter Ordnung und damit auch ein Paradigmenwechsel möglich wurde.

(26.12.73) Es beginnt eigentlich schon beim Vornamen des Analytikers. Er hatte mir vor einiger Zeit vorgeschlagen, dass wir uns duzen und mich gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass diese Öffnung zu einer persönlicheren Begegnung insofern verpflichtend sei, als sie von mir wesentlich mehr abverlange. Aber die tatsächliche Gesprächssituation in der Analyse entspricht dem nicht. Ich habe nie das Gefühl, als gleichberechtigter Ringer um die Ganzheit anerkannt zu werden. Und es wird auch nie um etwas gerungen, denn es wird seitens des Schulanalytikers stets zu schnell und zu offensichtlich systemkonform interpretiert.

28.05.01 Mit dem Duzis kam es bei mir zu einem "Durcheinander", denn die persönliche Ebene des freundschaftlichen Gesprächpartners wurde vermengt und VERMISCHT mit meiner Rolle als Schüler des Jung-Instituts. Die sich aus der Lehrer-Schüler Situation ergebenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse lassen sich mit einem DUZIS nicht einfach aus der Welt schaffen. Der Schulanalytiker ist DER Vertreter einer Institution, in die ich aufgenommen werden wollte.

In den letzten Stunden kam zudem ein Verhalten verstärkt zum Ausdruck, das mir sehr seltsam erscheint. Der Schulanalytiker lacht, ohne jemals den Grund zu nennen. Könnte dieses Lachen für ihn ein Ausgleich dafür sein, dass er mich überschätzt hat? Von einer Überschätzung hat er so beiläufig mal gesprochen - wenigstens glaube ich, etwas in dieser Art aus seinen Worten herausgehört zu haben. Und er bezeichnete mich auch als Mana-Persönlichkeit. Ist also das Lachen ein notwendiger Teil der Neueinschätzung und Neuausrichtung unserer Beziehung? Es gelingt mir leider nicht, die entsprechenden Fragen zu stellen.

Hängt das Lachen eventuell damit zusammen, dass ein Empfindungstyp mit einem Denktyp wie mir automatisch grosse Schwierigkeiten haben muss? Aber trifft das wirklich auf die momentane Situation zu? Gewisse Deutungen des Schulanalytikers sind für mich überaus unbefriedigend, zu einfach und zu reduktiv. Beispielsweise jene zum Märchenstrassentraum vom 4. November 1973 im Hinblick auf den mit allerlei Gefahren gepflasterten Weg.

Dieser wurde dahingehend interpretiert, dass ich bloss deshalb gebissen würde, um auf diese Weise in die Alltagsrealität hineingezwungen zu werden. Das lässt bei mir eine Schalheit zurück und die Frage, wozu denn das Unbewusste einen derartigen Aufwand mit einer derartigen Komplexität und Alltagsferne betreibt. All das nur deswegen, um mir das mit der Einbindung in den Alltag zu sagen?

lch sehe die "Märchenstrasse" als einen inneren, mit Dornen übersäten Weg zu einem wunderbaren Rosengarten - als ein "per spinas ad rosas". Das Traumgeschehen ist für mich wie ein "Trostpflaster" für die immensen inneren und äusseren Schwierigkeiten. Da ich in der äusseren Realitätsarbeit weitaus genügend eingespannt bin, geht es in der "Märchenstrasse" wohl eher darum, mir zu zeigen, dass ich weder den inneren noch den äusseren Anforderungen entrinnen kann und darf - und dass dieser Weg ein solcher ist, der schon von vielen Menschen begangen wurde. Diese Aussage kompensiert und bereichert meine bewusste Einstellung ungemein, denn sie relativiert einen gewissen Weltschmerz, der sich bei mir auszubreiten droht. Und sie kompensiert die Tendenz zur Einseitigkeit.

29.5.01 Der Narr auf der Tarotkarte 0 bzw. 22 wird von einem Hund oder katzenähnlichen Tier ins Bein gebissen. Wenn der Weg beginnt, d.h. am Anfang aller Abenteuer auf der endlosen Wanderung der Erkenntnis wird der Mensch oft deshalb von einem Tier gebissen, weil er unachtsam ist und bloss ein fernes (oft vorgegebenes) Ziel anzustreben sucht. Der Biss sollte zumindest ein Anstoss zu einer kritischen Selbst- und Rückbesinnung sein, auf jeden Fall aber ein Anlass dafür, die gegenwärtige Situation und das momentane Umfeld genau zu beachten - und auch das Unscheinbare der näheren und nächsten Umgebung mitzuberücksichtigen.

Ich meinte, eine Ausnahme zu sein. Und dann sagt der Traum: "Nix da - du bist bloss einer von vielen, die diesen Weg gehen. Und auch du bist gezwungen, dich beissen zu lassen - von der äusseren wie auch von der inneren Welt!"

Ich ertrage die äusserst schmerzhaften Bisse im Bewusstsein der Tatsache, im Traumzustand zu sein. Ich könnte jederzeit aussteigen, aber ich steige nicht aus durch das Erwachen im Bett, sondern verbleibe bewusst im Geschehen. Die Bisse sollen und können mich nicht von diesem Weg abbringen - mag dieser noch so märchenhaft und dornenvoll sein. Märchenhaft ist er nämlich deswegen, weil in ihm nebst der realen auch die irreale Seite miteinbeschlossen ist. Und dies macht ihn zu einem nicht-alltäglichen Weg, zu einem besonderen und ziemlich anforderungsreichen Weg.

Im Normalfall, d.h. bei der von C.G. Jung als wünschenswert und modellhaft dargestellten Idealentwicklung, geht es darum, als erstes gefestigt in der äussern Welt zu stehen. Erst von dieser Verankerung aus soll ein Mensch nach der Lebensmitte auf die Suchfahrt (Quest) gehen. Bei mir scheinen die beiden Wege jedoch nicht zeitlich versetzt zu sein. Dies vereinfacht die Sache keineswegs - und das muss klar erkannt werden.

Diese Bisse sollen mich also nicht aus diesem Weg drängen und mich aufgrund der Schmerzen zu einer panikartigen Fluchtrektion veranlassen. Vielmehr machen sie mich mit aller Konsequenz darauf aufmerksam, dass dies mein Weg ist. Und der ist dornig! Deshalb dann auch die Weiterführung des (luziden) Traumes in die Alltagsrealität durch das koinzidierende Ereignis des Gekratztwerdens durch die Katze. Aufgepasst also, dass es nicht zu einer simplifizierenden Deutung kommt.

Der Schulanalytiker neigt eindeutig zu einer simplifizierenden Auffassung und versucht diese durchzusetzen. Deswegen fühle ich mich nicht als Gesprächspartner angenommen - und daraus ergeben sich dann Missstimmungen und Missverständnisse. Als ich z.B. an einem Samstag um acht Uhr - zu einem Zeitpunkt, wo der Analytiker normalerweise nicht zu arbeiten pflegt - eine Sitzung habe, ist der Mann überaus gereizt und gehässig. Aber weshalb kann er dies nicht explizit feststellen? Weshalb sagt er nicht, was er denkt und fühlt? Gerade dieses oft Nicht-Sagen-Wollen (oder -Können?) behagt mir unter keinen Umständen, denn es bringt eine totale Missstimmung in die analytische Situation hinein. Und diese kann ich nicht bewältigen, denn wie sollte ein Sachverhalt wie das luzide Träumen gefühlsmässig in ein wissenschaftlich-analytisches System eingebracht werden, das sich als "geschlossen" ausgibt.

20.5.01 Wenn die eigene Theorie bez. dem luziden Träumen und dem ausserkörperlichen Erleben (noch) nicht ausgearbeitet und demzufolge auch nicht klar formulierbar ist, lässt sie sich nicht mit dem bereits bestehenden Konzept des normalen Träumens vergleichen. Das Nicht-Sagen-KOENNEN scheint ein schwer unterschätzter Aspekt der Kommunikation, zumal die Unfassbarkeit von Intuitionen und Gedanken alles in der Schwebe belassen muss. Dies erzeugt unweigerlich ein Gefühl der Hilflosigkeit und manchmal sogar der Wut, denn eine geordnete Darstellung von Überlegungen gelingt überhaupt nicht oder kommt bloss stammelnd zum Ausdruck.

Ich stelle mir immer wieder die Frage, ob solche Dinge angesprochen werden sollten. Aber immer wieder werde ich diesbezüglich "gestoppt" und "ausgebremst". Aber müsste Offenheit in der analytischen Situation nicht vom Analytiker ausgehen? Ich selber reagiere in ähnlichen Situationen jedenfalls anders, denn ich sage das meinen Analysanden stets.

Mir fällt zudem in den von mir gegebenen Therapiestunden auf, dass bei Lachsituationen, bei denen ich den Grund des Lachens meinem Gegenüber nicht angebe, festzustellen ist, dass ich meine, mehr zu wissen als der Analysand - und dies dann mittels Lachen "durch die Blume" zu verstehen gebe. Aber tatsächlich kommt mit dem Lachen bloss meine Überheblichkeit und mein Unverständnis zum Ausdruck. Und dies führt dann unweigerlich zu einem Bruch des "Rapportes" bzw. einer Zerstörung des gegenseitigen Vertrauens. Lachen in dieser Form war stets unangebracht und bloss Ausdruck davon, dass ich selber den Weg des Analysanden oder der Analysandin nicht verstanden hatte.

Exakt dies scheint auch beim Schulanalytiker der Fall zu sein. Es bleibt natürlich abzuklären, ob es sich um eine Projektion meinerseits handelt. Dies dürfte allerdings kaum der Fall sein, denn der Schulanalytiker sagte schon mehrmals: «Ich mache mir keine Rechenschaft über dein Alter!»
Meine Frage: «Was meinst du konkret damit?» wurde dann einzig und allein mit einem Lachen beantwortet.
Ich empfinde dies als einen Vertrauensbruch, denn ich glaube feststellen zu müssen, dass ein innerer Anruf nicht vom Alter abhängig sein kann - und dass ich ja schliesslich wirklich nichts dafür kann, dass ich solche Träume habe. Aber ich muss unbedingt lernen, damit richtig umzugehen, um ohne ständige Inflations- und Psychosegefahr mit ihnen leben zu können!

Lange wollte ich all dies nicht aufschreiben - in der Meinung, dass dem nicht so sein könne. Ich wartete ab bis zur nächsten Analysestunde - aber die Lage blieb unaufgeklärt. Gewisse Bedenken machten mir zudem auch meine Schattenseiten. Denn es könnte bei mir auch unbewusste Widerstände und starke Abwertungstendenzen geben - gewissermassen als Rache nach dem Prinzip "actio gleich reactio".

Jetzt erinnere ich mich an einen Traum, in dem der Schulanalytiker drei Doktortitel hatte, den Dr. theol., .den Dr. med. (der "Realtitel") und einen dritten, an den ich mich nicht mehr erinnern kann, der mir also unbewusst und somit nicht bekannt ist.

Ich muss aber aufpassen mit der angelernten Tendenz bzw. Konditionierung, in einem Traum auftretende reale Personen ausschliesslich auf Subjektstufe zu interpretieren. Solche Personen haben bestimmt auch eine subjektive Komponente, aber eben primär einen Objektanteil. Dies zeigt der Besitz mehrerer Titel. Der dritte dürfte am ehesten noch subjektstufig belastet sein, der Dr. med. ist aber eindeutig objektstufig und der Dr. theol. ebenso. Aber dieser Dr. theol. scheint dem Schulanalytiker nicht bewusst zu sein - auch der dritte nicht. Und bezüglich dieses dritten Titels haben er und ich einen blinden Fleck.

Ich muss mir unbedingt merken, dass die Objektstufe umso stärker zu veranschlagen ist, je realer eine Person im Traum gezeichnet ist und im Aussehen der Alltagswirklichkeit entspricht. Auch wenn die Subjektkomponente primär zu sein scheint, heisst das nicht, dass die betreffende Person die vom Unbewussten zugeschriebenen Eigenschaften nicht auch real aufweisen würde.

Scheinbare Gegenbeispiele sind bei mir die Träume betreffs einer ehemaligen Schulanalytikerin und eines Mannes, der Suizid beging. Die betreffenden Personen waren nämlich trotz aller "Irrealität" in der Traumsituation völlig real gekennzeichnet, d.h. die Träume entpuppten sich im nachhinein als "hellseherisch", denn sie beschrieben die Realität absolut zutreffend. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob derartige Träume den Betreffenden erzählt werden sollten. Die gemachten Erfahrungen würden eigentlich eher "Nein" sagen, aber vielleicht wäre das einer genaueren Überlegung wert - und vermutlich weiss ich einfach zu wenig darüber.

Ich muss diese und andere Einsichten und Erkenntnisse unbedingt als Ergänzungen des Gesamtbildes von der unbewusster Seite her verstehen. Denn diese Bilder korrigieren mein Bild von einer Person. So gesehen wird auch meine Frage beantwortet, ob diese Zeilen jemals in die Hände des Schulanalytikers gelangen sollen. Jetzt würde ich sagen: «Nein!» Zunächst geht es darum, mit der äusseren Situation insofern fertig zu werden, als ich mir selber gegenüber eine Richtigstellung des Bildes vom Schulanalytiker vollziehe. Dazu dient auch der Traum mit dem Dr. theol. und dem Dr. med. Titelkomplex.

Dass diese Zeilen nur mich selber etwas angehen, zeigt auch - die erst jetzt beachtete Tatsache - dass der Analytiker damals, als ich ihm den Traum mit dem Dr. theol. und Dr. med. gegen Ende einer Sitzung vorlegte, mit keinem Wort darauf einging. Zeitdruck? Er hätte den Traum später wieder aufnehmen können, wenn er nur gewollt hätte. Absichtliches Vergessen?

Egal - als Analytiker müsste unbedingt genauer auf die Träume der Patienten geachtet werden, zumal dann, wenn sie Aussagen über den Analytiker machen. Solche Träume können nämlich dazu dienen, das vom Patienten gemachte Bild betreffs des Analytikers zu korrigieren. Nun, ich habe es auch unterlassen, diesen Traum näher zu betrachten. Doch nunmehr ist das nachgeholt! Bewusst hätte ich ihm ja niemals diese Titel - zumindest den ersten und dann auch derart explizit den zweiten - gegeben. Was aber sind meine Assoziationen zu den beiden Titeln, die vor seinem Titel als Therapeuten stehen:

Theologe: Dieser Titel kennzeichnet jemanden, der andauernd die erkenntnistheoretische Grenze überschreitet, weil er zum vorneherein zu wissen vorgibt, wie etwas zu verstehen ist. Hier ist des Schulanalytikers Interpretation des Wegtraumes typisch. Ich habe die erkenntniskritisch-dogmatische Komponente zu wenig oder überhaupt nicht in Rechnung gezogen - nämlich die Art und Weise der Trauminterpretation. Der Analytiker "weiss" zu schnell, worum es geht. In solchen Momenten müsste ich ihm Widerstand entgegensetzen und nicht einfach akzeptieren, denn ich akzeptiere die Deutung ja gar nicht - und verschweige dies.

Und exakt hier wird endlich mein eigentlicher Fehler sichtbar. Es geht also überhaupt nicht darum, dem Analytiker diese Zeilen zu zeigen, sondern darum, gemäss diesen Erkenntnissen zu handeln und konkret in der entsprechenden Situation ein «Nein, mir scheint diese Interpretation unvollständig zu sein!» einzuwerfen - und damit ihn und mich zu zwingen, der Sache auf den Grund zu gehen und sie noch von einer anderen Seite her zu beleuchten. Sonst zwinge ich meinem Gegenüber den Dr. theol. Titel auf und zwänge ihn in diese Rolle hinein. Die Gefahr ist allerdings, dass mir dann Widerstand und Inflation vorgeworfen wird.

Ähnliches gilt auch für den Titel des Mediziners, denn ein solcher deutet auf einen rationalen Kausalisten, der Synchronizität als Prinzip akausaler Zusammenhänge prinzipiell ablehnt, strikt nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip arbeitet und in erster Linie Symptome behandelt. Ein Beispiel wäre hier nochmals die Interpretation des Märchenweges. Die Ursache gemäss "klassischer" Deutung ist meine mangelnde Einbettung in die Tagesrealität. Die Wirkung besteht darin, dass ich aus dem Märchenreich mittels Bissen "verscheucht" werde. Beides trifft nicht zu!

30.5.01 Die Vervielfachung der Doktorwürde des Schulanalytikers weist auf seinen wissenschaftlichen Werdegang, d.h. auf einen klar strukturierten Weg innerhalb eines hierarchisch gegliederten Wert- und Denksystems. Ein Student - wie ich es bin - hat dann jene Methoden zu erlernen und darüber eine Prüfung abzulegen, die vom Träger der Doktortitel vermittelt werden. Von ihm aus gesehen, habe ich mich innerhalb des vorgegebenen Rahmens (Kreises) zu bewegen - und darf keinesfalls auf eigene Faust Erkundungen unternehmen oder gar Metatheorien entwickeln. Denn INNERHALB dieses sehr weitgesteckten und vorgegebenen Rahmens könnte ich zu Rang und Namen kommen. Falls ich jedoch bei diesem Weg "über den Zaun" klettern und das Paradigma zu sprengen versuche, dann wird das im allgemeinen übel vermerkt. Im Lachen des Schulanalytikers könnte also auch dessen wissenschaftsgläubige Naivität - durchaus im positiven Sinne - zum Ausdruck kommen. Ich hingegen kann die TRAGWEITE meiner Überlegungen und Träume im Wertesytem dieser "besten aller Welten" mit der Bezeichnung Jung-Institut nicht richtig einschätzen. In diesem Sinne wäre es schon von Vorteil, wenn mich das beissende Getier etwas mehr in DIE vom Schulanalytiker gemeinte REALITÄT zurückgeholt hätte.

Auch hier hätte ich widersprechen sollen, denn es geht bei dieser Begehung um die Erschliessung einer umfassenderen Realität. Das sogenannte Unbewusste spielt eben auch in die Alltagswirklichkeit hinein. Das Problem ist somit die Integration vormals getrennter Realitätsebenen und nicht die Verlagerung des Schwerpunktes der Aufmerksamkeit auf den Alltag. Das Problem ist die Zusammenschau der beiden Realitäten in eine einzige Wirklichkeit. Dazu braucht es die "transzendente Funktion" und das "Selbst", denn nur auf diese Weise lassen sich beide Bereiche "umfassen". Das Ich allein ist dazu nicht in der Lage.

In diese Richtung hätte die Interpretation gehen sollen. Denn - so scheint es mir nun - gerade das habe ich nicht gewusst, dass nämlich das Ich sich auf einem Weg befindet, der sozusagen zum Selbst geht. Aber gerade hier fehlen mir Durchblick und Einsicht. Aber der Schulanalytiker interpretiert den Traum "medizinisch", d.h. kausalistisch beinahe im Sinne eines Vademecums, das besagt: bei diesem Symptom ist jenes Mittel einzunehmen. Das Traumgeschehen wird von ihm - speziell das Gebissenwerden - sofort mit entsprechenden Literaturstellen "amplifiziert" und dann auch - dies die "Sünde", gegen welche ich mich sofort hätte wehren sollen - dementsprechend gedeutet. Eine Deutung also vom Amplifikationsmaterial her und nicht vom Kontext meiner persönlichen Situation aus. Dass der Traum mich direkt auf die Problematik der Ebenenverbindung aufmerksam macht, kann auf diese Weise nicht bemerkt werden. Es ist auch festzustellen, dass eine meiner eigenen Hauptsünden die Tendenz ist, Träume vom Amplifikationsmaterial her zu verstehen.

30.5.01 Das Problem liegt wohl nicht an der Amplifikationsmethode als solcher, sondern daran, WIE diese angewendet wird. Denn oft wird nicht auf ENTSPRECHENDE (im Wortsinn) Literaturstellen hingewiesen, sondern bloss darauf, was ein C.G. Jung oder eine M.-L. von Franz dazu gesagt haben. (Ähnliches und noch viel deutlicher gilt für Rudolf Steiner und die Anthroposophen.)

Zu Wotan wird beispielsweise nicht wirklich nachgeforscht. Als einziger Literaturhinweis wird auf Martin Ninck verwiesen und es findet keine erweiterte Forschung im Umfeld statt. Ein weiteres Beispiel ist in Der Mythos des Hinkens - Bellerophontes und Pegasos ausführlich dargestellt. Auch da wird innerhalb des Jungianischen Ansatzes amplifiziert und Stephan Sas bezieht sich ausschliesslich auf dort schon vorgegebenen Deutungsansätze und schaut dabei nicht einmal den Mythos an solchen genauer an.

So - jetzt habe ich das Problem "Schulanalytiker" etwas mehr begriffen. Konsequenz: Es muss so lange an einer Sache herumgesucht werden, bis jene Stelle gefunden wird, von welcher aus ein persönlicher Ansatz gelingt. Hier geht es darum, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern Widerstände "an den Mann" zu bringen. Nur so lässt sich eine persönlichere Auseinandersetzung mit dem Traummaterial erzwingen. Und dies muss von meiner Seite aus geschehen, denn schlussendlich muss ich mich selber zwingen, persönlicher zu werden. Mein Fehler ist es, den Schulanalytiker zu einem "Amplifikationsprellbock" machen zu wollen.


Im 2. Traum in der Nacht auf den 28. Dezember 1973 gehe ich in Schulanalyse. Die Stunde beginnt ganz normal, d.h. es geschieht überhaupt nichts.

20.5.01 Der Analytiker im Traum entspricht in seinem Aussehen und in seinem Verhalten exakt der Alltagssituation. Diese ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass ich in der ersten Stunde einer Doppelstunde still zusehe, wie der Analytiker die Traumprotokolle liest. Und das dauert eben eine Weile, weil die Protokolle stets sehr umfangreich und mit etlichen Kommentaren versehen sind. Es handelt sich also bei diesem Traumbild NICHT um den "inneren Analytiker" - und das sage ich nicht aufgrund von Widerständen, sondern aufgrund der Beobachtung. Dabei ist mir natürlich klar, dass es sich "nur" um ein Abbild der äusseren Situation handelt. Das heisst aber nicht, dass der Traum bloss subjektstufig zu verstehen wäre. Im Gegenteil, er sollte unbedingt auf der Objektstufe betrachtet werden, auch wenn das für alle Beteiligten zu schmerzhaften Erkenntnissen führen könnte.

Der Schulanalytiker kann nicht sehen, wie tief eigentlich die in der letzten. Zeit angeschnittenen Probleme gehen. Er sitzt einfach regungslos da. Es ist deutlich zu spüren, dass kein Rapport und damit keine Verbindung stattfindet, die es mir erlauben würde, die anstehende Problematik aufzurollen und mit dem dafür notwendigen Arbeitsaufwand zu bewältigen.

Ich überlege, wie vorzugehen wäre und erinnere mich an das Gedachte und Geschriebene der letzten Tage, also an das, was ich tagsüber mir erarbeitet habe: Nicht vorpreschen, sondern abtasten! Der Fehler liegt eventuell allein bei mir und damit an Orten, die ganz spezifisch für mein Unvermögen sind. Sie dürfen also nicht auf den Schulanalytiker projiziert werden.

20.5.01 Damit ist das Geschehen eindeutig als LUZID gekennzeichnet, denn es besteht ein klares VERTIKALES Erinnerungsvermögen.

So spreche ich denn ganz vorsichtig die Probleme an und lege meine Ansicht der Dinge dar - so, wie ich sie momentan sehe. Aber der Analytiker bleibt distanziert. Schliesslich mache ich den Vorschlag - wiederum sehr vorsichtig, um ja nicht meinen Schatten in den Vordergrund treten zu lassen und verletzend zu polemisieren -, dass ich für eine gewisse Zeit zur Schulanalyse bei einer Frau gehen könnte.

30.5.01 Auch die unklare Unterscheidung zwischen persönlicher Ebene und unterschiedlicher theoretischer Auffassung, die aufgrund der Einbindung in ein gemeinsames hierarchisches System nicht hinterfragt werden darf, wirkt sich stark hindernd aus. Die von mir angepeilte Analytikerin ist ja (in der analytischen Konstellation) sozusagen eine "Grosse Mutter", zu der schon der "Vater" als Schulanalytiker geht. Weil die gefühlsmässige Chemie offensichtlich nicht stimmt und der Schulanalytiker meinem Denkansatz weder folgen noch ihn diskutieren will, ist dies wohl der Anlass für mich, mit einer Frau zu sprechen. Denn was der Mann nicht nachvollziehen kann oder will, könnte vielleicht eine Frau verstehen. Denn solange ein Denkansatz nicht nachvollzogen wird - aus welchen Gründen auch immer -, lässt er sich nicht darüber diskutieren.

Dieser Vorschlag scheint mein Gegenüber zu überraschen, aber es scheint ihm nicht ganz klar zu sein, weshalb ich überhaupt einen derartigen Vorschlag mache. Der Mann reagiert aber auch nicht gehässig - eher erstaunt, denn er scheint erst jetzt zu realisieren, worum es eigentlich geht. - Die Analyse geht einfach nicht vorwärts, denn es findet kein Rapport statt.

Schliesslich brechen wir die Schulanalyse in dem Moment ab, als der Schulanalytiker sagt, er müsse nun irgendwohin gehen. Der Abbruch geschieht also keineswegs aufgrund meines Vorschlages, sondern aufgrund eines Vorhabens des Schulanalytikers.

Ein Stück des Weges gehen wir gemeinsam bis zu einer Bushaltestelle, die gleichzeitig auch Haltestelle für eine Schmalspurbahn von ocker-gelber Farbe ist. Es kommt zu einem kurzen Gespräch, bei dem es immerhin gewisse Übereinstimmungen gibt - aber erst in dem Augenblick, als familiäre Angelegenheiten des Analytikers besprochen werden. Dabei handelt es sich keineswegs um tiefschürfende Probleme, sondern um ganz belanglose Dinge - um Menschlich-Allzumenschliches. Daraus ergibt sich aber eine warme Atmosphäre, womit auch die Analyse-Situation aufgehoben ist. Bei diesem normalen, mitmenschlichen Gespräch zeigt es sich, dass ich problemlos zu Fuss nach Hause gehen könnte, denn ich erkenne gewisse Anhalts- und Orientierungspunkte zwischen den sichtbaren Häusern.

20.5.01 Wenn die amplifikatorische Interpretation nicht mehr im Vordergrund steht und die nähere Umgebung verdeckt, wird sofort ein persönlicher Kontext sichtbar. Jetzt braucht es auch kein "technisches Beförderungsmittel" beispielsweise in Form der Jung'schen Terminologie mehr, um "nach Hause" zu gelangen.

Nun mache ich den Schulanalytiker darauf aufmerksam, dass ich meine, er habe in letzter Zeit einige wichtige Punkte in ihrem Stellenwert nicht richtig erkannt. Darauf antwortet er:
«Das ist wohl dein Fehler, denn Du hast mir doch deren Wichtigkeit überhaupt nicht zu verstehen gegeben. Du hast bloss abgewartet, ob ICH sie erkenne.»

Damit ist das ganze Problem auf mich abgewälzt! Und ich hätte mich damit zufrieden gegeben - wenn, ja wenn der Analytiker bei seinen Worten nicht ganz massiv gestolpert und beinahe zu Fall gekommen wäre.

Ich mache den Mann auf eine eventuelle Koinzidenz aufmerksam, nämlich die, dass er die Sache wohl richtig, aber eben doch nicht ganz korrekt sieht und sage:
«Irgendwo ist da ein Haken, den Du noch nicht erkannt hast. Aber es muss ein Haken bei Dir selber sein. Und der erlaubt es doch nicht, einfach alles auf mich abzuschieben.»

Der Schulanalytiker weist meinen Hinweis und Einwand entrüstet von sich und meint:
«Da gibt es keinerlei Koinzidenz!»
Darauf erwidere ich nichts. Es scheint mir auf keinen Fall angebracht, meine Meinung als die einzig richtige hinzustellen. Und schlussendlich ist dies auch des Schulanalytikers eigenes Problem. - Erstaunt bin ich allerdings doch sehr, dass gerade ein Jungianer, der derart viel Wert auf synchronistische Ereignisse legt, in dem Moment davon absieht, als es ihn selber betrifft.

Wir gehen weiter durch die mir nunmehr bekannte Gegend. Mittlerweile ist eine Tochter des Schulanalytikers zu uns gestossen. Als sie auf der anderen Strassenseite im Strassenrinnstein einen jungen, putzigen Bären sieht, der in beinahe transzendenten Farben leuchtet, will sie ihn streicheln und auf den Arm nehmen. Ich mache ihren Vater sogleich darauf aufmerksam, dass weiter unten die Bärenmutter sitzt. Und die könnte die Annäherung seiner Tochter missverstehen. Also wäre es wohl besser, das Bärenjunge bloss zu betrachten und davon abzusehen, es auf den Arm nehmen und streicheln zu wollen. - Der Schulanalytiker ist damit einverstanden und sagt es seiner Tochter.

30.5.01 Bei der Tochter des Analytikers, die mit einem "regenbogenfarbenen" Bären spielen will, scheint der Traum - worauf Christoph Roos hinweist - vom bislang alltagssituationsentsprechenden Geschehen stark abzuweichen - ohne dass dies von mir bemerkt und problematisiert wird. Ausserdem ist mir nicht aufgefallen, dass sich sozusagen kompensatorisch zu den drei Doktortiteln eine weibliche Dreiheit konstelliert hat (Tochter, Bärin und (eventuell) weibliches Bärenjunge). Dies ist umso bedenklicher, als ich mich doch kurz zuvor im Traumgeschehen darüber gewundert habe, dass der Schulanalytiker ein synchronistisches Ereignis übersieht. Mir ist das Geschlecht des jungen Bären ebenso unbewusst wie der dritte Doktortitel des Analytikers - und mir fällt der Wechsel der Dreiheit nicht auf. Das alles ist ein deutlicher Hinweis auf meine eigenen "Leer-" und "Schwachstellen".

Hinweise auf eine weibliche Dreiheit liessen sich indirekt in vielen anderen Träumen finden - z.B. als "genius loci" -, wenn auch nur auf amplifikatorischer Ebene und ohne das Verständnis für den Traum zu fördern. Hier konstelliert sich aber die Dreiheit IM Traum. Die Deutung der Tochter und der Bären als "Gefühlsseite" des Analytikers dürfte in Anbetracht der Komplexität der Doppeltriade "falsch" bzw. viel zu simplifizierend sein. ebenso wie der Wechsel zu einer weiblichen Analytikerin - trotz der Grundtendenz "Gefühl" und "weiblich". Tatsächlich geht es um ein Gefühlsproblem, aber es wird offensichtlich von der falschen Seite her und auf der falschen Ebene angegangen.

Immerhin will die Tochter des Analytikers- die von mir nicht als wirklich selbstständiges Wesen, sondern als Anhängsel des Vaters (dessen Gefühlsseite) aufgefasst wird, sich dem jungen Bären zuwenden und ihn aufnehmen. Sie will ihn in die Hand nehmen und BEGREIFEN. Betrachten aber ist etwas eher Distanziertes und Ästhetisierendes, BEGREIFEN aber etwas Handfestes und Folgenschweres (vgl. dazu Die Statuette aus Babylon).

Meine Warnung wegen der Bärenmutter ist zwar durchaus richtig und könnte sogar als ehrenhaft gelten, aber sie ist irgendwie "unangebracht", denn das Kind bzw. die Tochter könnte eine "verjüngte Form des Analytikers" und somit eine neue Bezugsmöglichkeit bedeuten.

Dann trennen sich unsere Wege. Der Analytiker geht mit seiner Tochter in Richtung Stadtinneres, während ich zur Stadt hinaus in eine ländliche Gegend zum Haus an der Grenze - wo ich wohne - wandere.

Bemerkungen:
Dieser Traum ist schon deshalb merkwürdig, weil er etwa bis zur Hälfte vollumfänglich dem entspricht, was ich bewusst von der Angelegenheit "Schulanalyse" halte. Erst in dem Augenblick, als bei der Haltestelle über die kleinen Dinge des Alltags gesprochen wird, kommt es zu einer Ergänzung und Erweiterung der festgefahrenen Situation. Das "Unbewusste" weist mich auf eine Kontaktmöglichkeit hin. Diese besteht darin, dass die bisherige analytische Situation aufgegeben und durch eine normal menschliche Beziehung ersetzt wird.

Dies dürfte heissen, dass ich unbedingt die blockierte Situation als solche erkennen und zudem realisieren muss, dass es nicht mehr so weiter gehen kann wie bisher. Die Schulanalyse ist zugunsten eines normalen menschlichen Kontaktes aufzugeben! Ich darf keinerlei Arbeitsleistungen seitens des Analytikers erwarten und darf mir auch kein Verständnis in bezug auf meine momentane Problematik erhoffen. Sollte ich dies erkennen, dann geht es noch ein kleines Stückchen weiter.

Unsere Wege werden sich endgültig trennen, denn ich habe auf eigenen Füssen zu stehen und muss allein wandern. Sogar der Anstoss seitens der weiblichen Seite des Analytikers kann hier nicht mehr hilfreich sein, denn er wäre bloss gefährlich und ziemlich naiv. Es ist mein Weg, der an den beiden Bären vorbeiführt - erst am Jungen, dann bei dessen Mutter. Und es wäre gefährlich, hier auch nur das Geringste zu tun - auch wenn beim Streicheln eine Art Anerkennung und Mitgefühl zum Ausdruck kommen sollte.

Jede Art von Kommunikation auf analytischer Ebene scheint zu verschwinden. Was bleibt, ist eine Bekanntschaft, denn die Wege trennen sich endgültig.

Interessant ist, dass mein Vorschlag, nun mit einer Frau analytisch weiterzuarbeiten, vom Schulanalytiker nicht richtig verstanden und realisiert wird. Abgesehen davon auch von mir nicht. Denn daran habe ich nur in einem sehr entfernten Winkel gedacht, zumal doch der Schulanalytiker selber exakt bei dieser Frau in Analyse war und eventuell noch ist. Ich frage mich nun allen Ernstes, ob ich nicht - gewissermassen als Konsequenz - bei dieser Frau real auf der Alltagsebene weitermachen sollte. Oder ob damit einfach nur wieder eine andere Projektion in Erscheinung tritt.

Klar ist auf jeden Fall, dass der bisherige Schulanalytiker als Typus Analytiker für mich nicht mehr ansprechbar ist - und zwar weder subjekt- noch objektstufig. Für die nunmehr auftauchenden Probleme habe ich Kontakt aufzunehmen mit jemandem, bei dem auch der Schulanalytiker in Schulanalyse gegangen ist. Es ist somit eine Art Metaebene anzupeilen.

27.5.01 Bei dieser Metaebene handelte es sich jedoch nicht um eine Analytikerin, sondern um eine Metatheorie - aber das musste ich noch - mit Hilfe der Grossen Mutter - lernen.

Der Traum zeigt ausserdem, dass auch auf einer theoretischen Ebene keine weitere Zusammenarbeit möglich ist. Typisch hierfür die Stolper-Szene. Das Straucheln wäre ein Anstoss in Richtung eines stärkeren Engagements persönlicher und theoretischer Natur seitens des Analytikers gewesen. Auch in dieser Richtung scheint es aber keine Kontaktmöglichkeit zu geben.

30.5.01 Zum Stolpern ist noch anzumerken, dass ich selber es gewesen bin, der abgewartet hat, ob der Schulanalytiker die Wichtigkeit meiner Ausführungen erkennt. Gerade dies könnte ihn verunsichert und ins Stolpern gebracht haben. Ich habe zwar die Wichtigkeit der Sache eingesehen. Und nun erwarte ich, vom Lehrer Aufschluss darüber zu kriegen, was zu tun ist. Tatsächlich aber werde ICH auf der "Märchenstrasse" gezwickt und gebissen. Und jetzt stolpert die Autorität "Schulanalytiker" in alltagsnäheren Gefilden. ICH sehe zwar die Sache einigermassen richtig, aber irgendwie gehe ich sie falsch an, indem ich Zuflucht und Anerkennung im institutionellen Rahmen und damit eine Einbettung ins gängige Paradigma und Weltbild erwarte.


Das Verhältnis zum Schulanalytiker kommt am 5. Juni 1976 sozusagen ein letztes Mal in "Die Runen" zur Sprache (vgl. Die Spur der Quader 5 - Kostbarkeiten II):

... Nachdem es mir gelungen ist, alte Runen aus einem fremden Dorf "auf der anderen Seite" in diese Welt hinüber zu bringen, kehre ich ins "Diesseits" zurück.

... Gewisse Gebäude kommen mir irgendwie bekannt vor, und eines der Häuser scheint sogar das Haus meines Schulanalytikers zu sein. Ich denke, dass der Fund auch ihn interessieren wird und drücke die Klingel. ... Es dauert nicht lange, und schon öffnet der Analytiker die Haustür. Natürlich ist er etwas erstaunt, als er mich sieht, aber er erkennt mich und erwidert den Gruss. Ich zeige ihm den zusammengelegten Holzstreifen. Dieser ist zu einem A4-formatigen Blatt Papier von gelber Farbe geworden. Und die alte Botschaft besteht nicht mehr aus den Geheimbuchstaben der Runenschrift, sondern hat sich in einen gut lesbaren Schreibmaschinentext verwandelt. Die Schrift wurde also bereits übersetzt, hat aber nichts von ihrer ursprünglichen Aussagekraft verloren. Es ist hier ein Traum von jemandem beschrieben, der in der Anderwelt lebt oder gelebt hat. Dieses Dokument würde es somit erlauben, das 'Unbewusste' zu objektivieren, denn es vermittelt ein besonderes Wissen.

Die Reaktion des Analytikers erstaunt mich in höchstem Masse. Er wirft nur einen kurzen Blick auf das Blatt, liest kaum eine Zeile, zerreisst das Papier und wirft es in einen Abfallkorb. Er scheint sich nicht im geringsten für die Sache zu interessieren, sondern äussert sich dahingehend, dass er von etwas anderem absorbiert sei, das er möglichst schnell bearbeiten wolle. Das von mir vorgelegte Blatt komme ihm dabei sehr ungelegen. Er habe es bloss einmal in die Hand genommen aus einer gewissen Verpflichtung heraus, denn schliesslich würde er mich ja von früher her kennen.

Meine Enttäuschung ist riesengross, und ich versuche - nachdem ich das Blatt aus dem Papierkorb herausgenommen habe - ihm klar zu machen, worum es sich hier handelt. Doch alle Bemühungen nützen nichts, der Mann läuft einfach davon und schlägt die Tür vor meiner Nase zu. Für einen Moment stehe ich da wie ein begossener Pudel und brauche etwas Zeit, um mich wieder zu fassen. Aber dann reisse ich mich zusammen und beginne mit dem Lesen des Textes. Ich bin froh, dass das Blatt wenigstens "sauber" durchgerissen wurde, denn so kann es leicht wieder zusammengeklebt werden. Kurze Zeit später gehe ich daran, den Text sorgfältig abzuschreiben, damit er auf die Alltagsebene hinüber gerettet werden kann - und erwache bei diesem Tun langsam im Bett.

1.6.01 Mir fiel es lange Zeit sehr schwer, die Aussagen des "Unbewussten" sozusagen ernst in dem Sinne zu nehmen, dass mir mittels der normalen und der luziden Träume Informationen gegeben werden, die den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Statt schlicht und in einer religiösen Haltung das Gesagte zu akzeptieren, haderte ich stets und zweifelte an den Aussagen der "anderen Seite". Die Frage war, ob nicht bloss eine allzu einseitige Einstellung kompensiert oder meine bewusste Einschätzung verstärkt bestätigt wurde. Deshalb versuchte ich immer wieder, einen anderen Weg einzuschlagen oder zumindest etwas mildernd einzugreifen - und schrieb Briefe an den Schulanalytiker.


WZ: Allschwil, den 1 .August 1976

... Dass ich auf Dein freundliches Entgegenkommen im Falle meiner Analysanden und ihrer Kontrollanalyse nichts habe verlauten lassen, beruht darauf, dass ich mittlerweile keine mehr habe ...

Ich habe seit unserer letzten Begegnung immer wieder über die Situation innerhalb des analytischen Kontextes nachgedacht und es sind zwischenhinein auch immer wieder Träume aufgetaucht, wo Deine Gestalt eine Rolle gespielt hat. Dabei hat sich eine eindeutig negative Projektion gezeigt, die ich als Korrektiv meines eigenen Standpunktes aufgefasst habe. Mittlerweile bin ich nun an einem Punkt angelangt, wo ich glaube sagen zu können, dass eine objektivere Betrachtung möglich geworden ist. Es ist dies auch der Punkt, an welchem ich mich frage, ob Du nicht ein Interesse an der ganzen Entwicklung haben könntest, die doch mit einer gehörigen Menge an Traum- und Überlegungsmaterial zu belegen wäre.

Ich versuche Dein Interesse natürlich nicht ohne "Selbstlosigkeit" zu wecken, da es für mich doch wichtig wäre, den Projektionsanteil vom Realitätsanteil unterscheiden zu können, was natürlich nur dann geschehen kann, wenn ein Objekt-Partner vorhanden ist. ...


WZ: Allschwil, den 20.10.76

Dein Brief vom 14.10. hat mir grosse Freude bereitet, hat mir aber auch gezeigt, dass unsere Beziehung - so sehe ich es wenigstens - auf einem eminenten Informationsmangel beruht. Und eben dieser Informationsmangel ist es, der mir schwer zu schaffen gemacht hat. Denn wie sollte es mir möglich sein, Deinen Wandel wenigstens schemenhaft zu erkennen, wenn ich kaum eine Möglichkeit dazu erhalte (ihn mitgeteilt zu bekommen). Ich würde hierzu sowohl wissen müssen, was vorher gewesen ist, aber auch, was jetzt ist.

Ich habe Dir einige Seiten beigelegt, die ich am 27.8.76 im Rahmen einer Traumbesprechung geschrieben habe, um mir ein spezielles, im Traum aufgetauchtes Problem verständlicher zu machen. Ich erlaube mir, sie Dir vorzulegen, denn sie sind sehr allgemein gehalten, beleuchten aber doch auch mein ganz spezielles Kommunikationsproblem Dir gegenüber.

27.8.76 Ich bin beinahe geneigt, als Arbeitshypothese mal folgenden Satz aufzustellen: Wenn im Traum eine Situation kommt, in der ich NICHT bewusst bzw. nicht luzid bin, so bedeutet dies eine Identität bezüglich der Traumsituation mit einer kollektiven Einstellung.

Da solche Identitäten bei mir doch in jeder Menge noch weiterhin vorhanden sind, stellt sich das Problem eines Standpunktgewinnes, der nicht mehr in diesem Masse von einer noch vorhandenen Identität abhängt. Aber dafür müsste im Traum eine Situation vom Ich her vorhanden sein, die wohl nur als Bewusstseinskontinuität bzw. Ich-Bewusstseinskontinuität (BK) bezeichnet werden kann.

Wenn direkt im Traum schon das Bewusstsein der Taumsituation - also ein luzides Ich - vorhanden ist, kann bereits IM Traum die Lage zumindest teilweise erkannt werden. Dadurch wird eine - wenn auch manchmal wohl nur sehr geringe Standpunkts- und Verhaltensänderung - möglich. Diese hätte aber notgedrungenerweise zur Folge, dass sich auch das Unbewusste anders äussern könnte.

Der Wechselwirkungsprozess zwischen dem Ich und dem "Unbewussten" IM Traum bedingt eine Reflexion des Ichs. Das Ich muss sich als System IM Traum das Bewusstsein erhalten und luzid bleiben, weil es ansonsten keine 'explizite' Wechselwirkung eingehen kann. Das von Teilhard de Chardin als 'Vereinigung differenziert' bezeichnete Prinzip bedingt die Bewusstseinskontinuität aller Beteiligten - sonst könnten sie sich nicht vereinigen und in eine differenzierende Wechselwirkung eintreten.

Dies bedingt ein ganz bestimmtes Quantum an Nicht-Identität, an Nicht-Inflation und an klarem Unterscheidungsvermögen - also einem deutlich vorhandenen Bewusstseinsfeld, innerhalb dessen möglichst umfangreich fluktuiert werden kann. Dabei geht es nicht so sehr um eine Klarheit in dem Sinne, dass nun intellektuelle Helle herrschen würde, sondern es geht eher um ein Situation wie zum Beispiel die des Schreibens dieser Zeilen. Es ist beim Schreiben eine deutliche Bewusstseinskontinuität vorhanden. Aber diese wird nicht durch eine übergrosse Reflexion in ihrem fluktuierenden Fliessen blockiert und behindert.

Das Geschriebene läuft wie aus einem Gefäss - und dennoch bleibt das Ich als jemand, der auf dem Rand des Gefässes wie auf einem Zaun sitzt, bestehen. Das Ich kann die Sache überlesen, kann Innehalten, kann neue Wege erlauschen und ihnen nachgehen - es kann Kritik üben und kann eine gewisse Einsicht erhalten. Dabei bleibt trotz aller Konzentration auf den Stoff der Weitblick erhalten.

Es ist ein unauffälliges und selbstverständliches Zusammenarbeiten der einzelnen Funktionen (Denken, Fühlen, Intuition, Empfinden). Da lauscht die eine auf die andere und tritt im rechten Augenblick hervor. Da gruppiert sich im Hintergrund das 'Unbestimmbare', lässt sich selber mithineinnehmen und spricht sich aus. Das Ich ist dabei ein sich selbst bewusst bleibender Faktor und verfolgt die ganze Sache interessiert - mal als Beobachter, mal als 'Mitspieler'. Aber stets ist es vorhanden und sich selber bewusst - und es bleibt als Bewusstseinsfeld "greifbar".

Dass sich in einem Traum die Situation aufgrund der Luzidität des Ichs ändern könnte, ist nicht einfach von der Hand zu weisen. Im Traum scheint es aber allemal so zu sein, dass der Hauptteil von einem "inneren Objekt" übernommen wird. Aber bei Anwesenheit eines luziden Ichs könnten doch wesentlich andere Gesetzesmässigkeiten möglich werden. Beispielsweise finden Raum-Zeit-Transformationen statt - ohne dass die physische Struktur dabei Schaden nimmt.

Aber von diesen Dingen scheine ich noch zu wenig zu wissen. Ich sollte mich also des Nachts IM Traum ebenso gut an den Tag erinnern, wie ich mich tagsüber an das nächtliche Geschehen erinnere! - Mit diesem Postulat scheint mir dieser Text einen vorläufigen Abschluss gefunden zu haben.

(RFR: Werner Zurfluhs Beschreibung des luziden Traum-Ichs in den obigen fünf Absätzen entspricht weitgehend meiner Definition des Eros-Bewusstseins. Der Unterschied zwischen den beiden gleichberechtigten Ansätzen besteht darin, dass der Denk-Empfindungs-Typ (Logos-Bewusstsein) - Empfindung im Sinne C.G Jungs, das heisst, als die "fonction du réel" der extravertierten fünf Sinnesorgane aufgefasst - dieses komplementäre Bewusstsein in der Traumwelt, das heisst, in seinem Unbewussten findet, während dieses für einen Gefühls-Intuitions-Typus wie mich (RFR) den Normalzustand der Bewusstheit darstellt. Da jedoch das heutige kollektive Bewusstsein, vor allem jenes der wissenschaftlichen Welt, das Denk-Empfindungs-Bewusstsein als das alleine mögliche auffasst, wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein grosser Teil der naturwissenschaftlich verbildeten Menschheit, nämlich jener, der an einer von Jung so genannten Verdrehungsneurose leidet, in einem schmerzhaften Bewusstwerdungsprozess vom Logos- in das Eros-Bewusstsein zurückfinden müssen. Mein Studium der UFO- und OOBE-Phänomenologie hat mich davon überzeugt, dass es eben Menschen mit derartigen Erfahrungen sein werden, die diesen Weg zu gehen haben.

Es war und ist die mir schicksalshaft zugefallene Lebensaufgabe, diesen Prozess seit dem Beginn des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts als Erster vollziehen zu müssen. Meine Berufung geschah mir im Jahr 1972, als ich als Folge einer existentiellen Berufskrise meine Arbeit als einer der ersten Computer-Spezialisten Europas aufgeben musste. Damals war mein Ich mit dem Logos-Bewusstsein, das heisst in einer ersten Annäherung, mit den Jungschen Funktionen Denken und extravertierte Empfindung identifiziert. Autodidaktische Ausbildungen zum Musiker und Bildhauer kompensierten diese Einseitigkeiten vorerst auf der konkreten Ebene. Trotz äusserlicher Erfolge als Künstler blieb bei mir das schale Gefühl des Unvollendeten und Unvollständigen zurück. Wie ich später sah, lag dies daran, dass ich als Künstler zwar in das Prinzip des Eros zurück gefunden hatte und es extravertiert lebte, dass dieses jedoch noch vom Logos getrennt war. Ich war nun - immerhin auf dem Hintergrund einer gewissen Bewusstheit über den Konflikt - gespalten in die Gegensätze, und deren Vereinigung war meine Aufgabe.

Bleibt man über diese Gespaltenheit unbewusst, führt dies zu einer völligen Verdrängung des Eros. Diese bewirkt, dass davon Betroffene negative Gefühle nicht mehr spüren und unbewusst zurückhalten. Äusserungen derartiger Neurotiker erzeugen, auch wenn sie logisch konsistent sind, bei Gesprächspartnern des öfteren Krämpfe in der Gegend des Solarplexus, da jeder einigermassen gefühlsbetonte Mensch die unbewusste Lüge spürt, die entsteht, wenn negative Gefühle, die im Raum stehen, nicht ausgesprochen werden.

Der von Werner Zurfluh hier beschriebene Lehranalytiker leidet an eben diesem unbewussten Konflikt, weshalb er seine Gefühle in der Lehranalyse ausklammert und dieses Verhalten mit pseudo-logischen Argumenten begründet (vgl. die Ausführungen W. Zurfluhs). Eindrückliche Synchronizitäten warnten mich daher vor einer professionellen Beziehung mit diesem Mann. Ich bin heute davon überzeugt, dass eine solche Beziehung und die damit verbundene existentielle Bedrohung meines Eros mich psychisch und physisch zerstört hätten.

Diese äusserst ausgeprägt spürbare Ambivalenz der "Eros-Verdränger" beruht im Wesentlichen darauf, dass sie unbewusst vom Archetypus des Mercurius affiziiert sind, von jenem ambivalenten Doppelwesen der mittelalterlichen Alchemisten, das Jung dem Archetypus des Selbst - dem nur innerlich erfahrbaren Gottesbild im Menschen - gleichgesetzt hat (Der Geist Mercurius, in: GW 13, S. 254). Begegnet man diesem die Ambivalenz zwischen Logos und Eros enthaltenden Archetypus ausschliesslich mit Hilfe des Logos-Bewusstseins, wird er zum destruktiven Trickster, der "stets das Andere schafft, wenn der Eine will" (frei nach Goethe). Dieser "Gegenwille" des kollektiven Unbewussten durchkreuzt nämlich die Absichten des (auf das Denken und den Willen reduzierten) Bewusstseins und erzeugt so die von aussen derart unangenehm auffallende Ambivalenz dieser Neurotiker. Abhilfe schafft in diesem Fall nur eine bewusste Öffnung gegenüber dem verdrängten Eros, die jedoch regelmässig mit einer vernichtenden Niederlage des Logos-Bewusstseins verbunden ist. Doch erst der Aufbau des Eros-Bewusstseins und dessen anschliessende Vereinigung mit dem Logos erlaubt eine Annäherung an und eine grössere Bewusstheit über den zentralen Archetypus des kollektiven Unbewussten, über den ambivalenten, mann-weiblichen Mercurius.

Um diese eminent introvertierte Aufgabe bewältigen zu können, musste ich einen völligen Rückzug aus der Welt der institutionalisierten Jungianer vollziehen. Meine einzige Bezugsperson blieb ab dem Jahr 1981 Marie-Louise von Franz. Nur so gelang es mir, das introvertierte Gefühl und die introvertierte Empfindung - die m.E. zusammen mit der introvertierten Intuition einen wesentlichen Teil des Eros-Bewusstseins ausmachen - zu entdecken und zu entwickeln, um ihnen anschliessend die äusserst wichtige Rolle zuzuweisen, die sie in meiner Körperzentrierten Visualisierung spielen. Da das introvertierte Denken in dieser ebenfalls mit einbezogen wird, ergibt sich darin die Vollständigkeit der vier introvertierten Funktionen im Sinne C.G. Jungs und damit die Ganzheit des von mir definierten Eros-Bewusstseins (das in dieser Definition auch als eine Vereinigung von Eros und introvertiertem Logos aufgefasst werden kann).

Dieses Fliessenlassen der psychischen Energie zwischen den vier introvertierten Funktionen und dessen Beobachtung "auf dem Zaun" bestimmt heute meine ganze kreative Arbeit, sei es in meiner schriftstellerischen Tätigkeit, sei es im Prozess der von mir entwickelten körperzentrierten Visualisierung mit Klienten. Aber auch das tiefe Aha-Erlebnis einer geglückten, weil einzig wahren Deutung meiner eigenen Träume, Visualisierungen und Synchronizitäten, die die "notwendige Aussage" (C.G. Jung) ihres Sinnes herausdestilliert, beruht auf der inneren Wahrnehmung dieses fliessenden Prinzips.

Zudem ermöglicht die Entwicklung dieses fliessenden Eros-Bewusstseins die bewusste Erfahrung einer von mir so genannten "synchronicity quest". Dieses erneuerte Bewusstsein verzichtet weitgehend auf die Identifikation mit dem Willen (der seinerseits einen wesentlichen Bestandteil des Logos-Prinzips darstellt) und lässt sich über das introvertierte Gefühl und die Intuition, aber auch über die introvertierte Empfindung und das Denken (innere Stimme) führen. Es erhöht derart die Anzahl bewusst erfahrener Synchronizitäten drastisch, weil es sich infolge dieser erneuerten Verhaltensweise im richtigen Moment am richtigen Ort befindet, um das richtige Geschehnis, nämlich das äussere Ereignis einer Synchronizität wahrzunehmen. Dies ermöglicht es ihm, anschliessend mit Hilfe der Extraktion von deren Sinn den Willen des Selbst (des innerlich erfahrenen Göttlichen der Mystiker) zu ergründen und ihm zu folgen. Da mit Hilfe dieser erneuerten bewussten Verhaltensweise die Identifikation mit dem Willen durchbrochen wird, dieser andererseits wesentliche Voraussetzung des Raum- und Zeitbegriffs der Naturwissenschaft darstellt, wird auch die Raumzeit der Physik aufgelöst, und man nähert sich dem "Immer-Überall" des unus mundus an, in dem Neuschöpfungen im Sinne einer creatio continua geschehen können.)

Mir ist noch folgender Gedanke bezüglich des Problems mit den (Schul-) Analytikern aufgestiegen. Er hat mit dem Problem der Identität mit kollektiven Verhaltensweise im Hinblick auf eine spezifische Traumsituation zu tun.

Das grosse Unbehagen in der analytischen Situation beruht eventuell darauf, dass bei dem Punkt, wo beim Analytiker die kollektiven Identitäten in Funktion treten, die Kommunikation stark gestört wird. Die Stelle, wo der Analytiker mit einer kollektiven Betrachtungsweise noch identisch ist, kann er bei seinem 'Normalkonzept' einer Analyse nicht erkennen. Dieses Konzept beruht darauf, dass ein Analytiker sich möglichst stark mit seinen eigenen Problemen aus einer Analyse herauszuhalten hat. Dies ist natürlich im 'Normalfall' auch völlig berechtigt. Es wäre aber dennoch interessant, arbeitshypothetisch mal ein anderes Vorgehen zu versuchen, d.h. vor allem ein wesentlich stärkeres persönliches Moment in die Analyse einzubringen.

Bei einer Analyse aber, wo der Analysand die ursprüngliche Analysensituation zu sprengen beginnt, d.h. wo im Grunde Probleme auftauchen, die sehr stark mit den Identitäten des Analysanden mit dem Kollektiv zu tun haben, ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Identitäten dieselben wie die des Analytikers sind, wesentlich grösser - ja die Wahrscheinlichkeit kann sogar zur Gewissheit werden, wenn sogenannte archetypische Träume auftreten.

Allerdings beginnt dies nicht erst bei den 'archetypischen Träumen', sondern schon wesentlich früher, nämlich bei der erkenntnistheoretischen Grundhaltung des Analytikers. Diese lässt ihn ganz automatisch (also unbewusst) eine ganz bestimmte Richtung in der Kommunikation einschlagen. Und obwohl die spezifische Richtung treffen kann - ja sogar bei einem guten Analytiker auch stets trifft -, stösst sie eigentlich doch daneben, trifft sie eben nicht, weil sie sich ein falsches Ziel gesetzt hat.

Das Ziel ist nämlich normalerweise der Analysand, der Patient, der 'Sich-Geduldende' und oft auch 'Geduldet-Fühlende'. Da sich aber der Analytiker mit seinem Analysanden in einer ganz spezifischen Kommunikationssituation befindet, müsste er dieser auch mehr Rechnung tragen, d.h. er müsste sich ein (wohl wesentlich anderes, zumindest aber differenzierteres) erkenntnistheoretisches Modell vorlegen, das primär einmal die Kommunikation betont, die in BEIDEN Richtungen verläuft. Dabei darf aber unter keinen Umständen der Linearität (zuerst der Lehrer und dann der Schüler) Vorschub geleistet werden darf. Statt dessen ist ein "Synchronizitätsmodell" der Gleichberechtigung zu konzipieren.

Grundlegend wird dann die WECHSELWIRKUNG, die beide Partner eines Kommunikationsprozesses wesentlich anders bewertet als das in einem Linearitätsmodell der Fall ist. Dies ist den Analytikern auch meist bewusst und sie hören etwas in dieser Richtung während ihrer Ausbildung. Hier liegt aber gerade die Crux, weil eben dieses Linearitätsmodell im Analytiker (ganz abgesehen mal vom Patienten) zum grössten Teil als unbewusst betrachtet werden muss.

Hier besteht eine unübersehbare Identität mit dem (linear von oben nach unten denkenden) Kollektiv, wobei diese Identität unter keinen Umständen unterschätzt werden darf, denn sie hat 'Tradition'.

Das Kommunikationsmodell und damit die Wechselwirkung ist eine derart 'junge Errungenschaft', dass ein Abgleiten in das alte Modell nie zu verhindern ist. Es ist sogar zu vermuten, dass ein Abgleiten eben gerade in 'Stresssituation' der Analyse geschehen wird.

Und da wohl jeder 'archaische Traum' eine Stresssituation auch für den Analytiker darstellt, wird er gerade in dem Moment in die Identität mit einem Kollektiv abgleiten, wo eine Bewusstwerdung am notwendigsten wäre. Dies könnte - 'theoretisch' formuliert - der springende Punkt meines Unbehagens in irgendwelcher analytischen Situation sein, egal bei welchem Analytiker.

Denn bei 'normalen' Träumen ist ein Unbehagen eigentlich nie zu verspüren gewesen. Da hat es geklappt - wohl zur Freude beider Beteiligter. Aber bei den gegen die Kollektivsituation des Träumers gehenden Träumen, also im Endeffekt bei den 'archetypischen (und luziden) Träumen', da hat die Kommunikationsstruktur nicht tragen können, da von Seiten des Analytikers die Flucht in die kollektive Identität stattgefunden hat, die sich meist in Beibringung von amplifikatorischem Material geäussert hat.

Dies stellt wohl eine der allergrössten Gefahren eines Missbrauchs der Amplifikationsmethode dar. Sie dient dem Herausnehmen des Analytikers aus einer emotionalen Situation. Sie ermöglicht ihm ein elegantes und meist nicht bemerktes 'Zurückziehen' hinter die Wälle der Amplifikationen.

Damit wird die kommunikative Lage zerstört. Die Alternativen, die sich in solchen Situationen ergeben müssten, werden meist nicht durchbrechen können (wenigstens nicht wesentlich - nur am Rande meistens), weil hier der Analytiker selber noch zum Teil fast völlig unaufgearbeitetes Material vor sich liegen hat, das erst noch von einer anderen Person als ihm selber stammt.

Hier wäre exakt der Punkt, wo der Analytiker aus seiner Analytikerrolle aussteigen muss und zu einem Kommunikationspartner auf Gegenseitigkeit zu werden hat. Ein zugegebenermassen äusserst diffiziles Problem, da nunmehr beiderseitige Identitäten und Unbewusstheiten vorhanden sind. Diese Situation muss aber zuerst einmal erkannt und anerkannt werden.

Dieser erste Schritt ist bereits schon tückisch, denn das Zugeben von Identitäten bedingt schon einen Anfang der Auflösung einer Identität. Deswegen stellt sich die Frage, ob die analytische Situation überhaupt zu solch einer Bewusstwerdung geeignet ist. Eventuell müsste hier der Arbeitsmodus geändert werden, d.h. es müsste zum Beispiel auch Traummaterial des Analytikers vorliegen zu eben diesem speziellen Problem. Dessen Traum wäre dann mit dem des Analysanden (die Rollenbezeichnungen stimmen hier nicht mehr, denn es sind nun Kommunikationspartner) zu vergleichen und gemeinsam wäre die Identität aufzudecken. Dies ist aber eben wieder einer jener heiklen Punkte, wo ein starker Schatten- und Inflationsaspekt Einzug halten könnte. Denn wie soll entschieden werden, wann solch ein Moment tatsächlich vorhanden ist?

Wenn der Zeitpunkt vom Analytiker bestimmt wird, dann wäre der Circulus perfekt. Tut dies der Analysand, dann wird er von seinen Widerständen getäuscht. Zudem kann dies stets von beiden Seiten als Widerstand ausgelegt werden, wenn der eine den anderen zu grösserer Offenheit auffordert. Oder auch als unintegrierter Schattenaspekt. Die ganze Angelegenheit wäre dann einfach eine jener leidigen Sachen, die mit dem Schatten eben geschehen können.

Hier droht das Konzept des Schattens zu einem wesentlichen Hindernis einer jeglichen Kommunikation zu werden, denn dem Schatten wird eine ausgesprochen 'abgestempelte' Rolle zugewiesen. Das aggressiv aufbrausende Wesen eines Analysanden wird schlichtweg als nicht-integrierter Schatten betrachtet und erweist sich damit als Problem des Analysanden und nicht als Problem der KOMMUNIKATION. Dasselbe gilt für ein nicht-integriertes Gefühl. Der Analysand hat bei einer heiklen Lage eben sein Gefühl nicht zur Verfügung, es reagiert gekoppelt mit einem Ballast von unbewusstem Material. Also gilt es hier seitens des Analytikers den Ausbruch zu mildern und ihn einsichtig zu machen. Und wieder ist die Frage nach der kommunikativen Spezialsituation ausser acht gelassen worden, eine Chance ist vertan worden.

Hier sind die Momente einer Analyse, wo der Humor zu einem tragenden Faktor wird, wo aber gleichzeitig der Analytiker als Mensch reagieren muss, was sich spezifisch darin äussert, dass er seine eigene Meinung vorbringt. Und damit kommuniziert er eine besondere Art des Widerstandes.

In den wenigen Momenten, wo ich selber in dieser Art bei Analysanden verfahren bin, ist zu meiner grössten Verblüffung etwas geschehen, das ich als einen Kommunikationssprung nach vorne bezeichnen möchte. Im Grunde ist exakt in diesen Momenten die analytische Definition der Beziehung aufgeflogen und die Menschlichkeit eingezogen. Eine merkwürdige Wärme erfüllt dann die Kommunikation, eine gegenseitige Achtung und - vor allem von Seiten des Analysanden - das deutliche Gefühl, dass er nun selber Verantwortung auf sich zu nehmen hat, eben gerade weil er den Analytiker nun mal als 'Nichtanalytiker' gesehen hat - gesehen hat an einer Stelle, wo der Analytiker selber noch hart zu arbeiten hat. Aus einer beratenden Situation ist eine gemeinsame Arbeitssituation geworden, die - obwohl in verschiedenen Bereichen ablaufend - dasselbe meint, nämlich die Individuation.

Ähnliches habe ich schon oft bei etwa Gleichaltrigen erfahren, kaum aber je bei den Analytikern, die ich selber kennen gelernt habe oder bei irgendwelchen 'Jungianern'. Auch die Erfahrungen in den Seminaren am Jung-Institut haben fast ausschliesslich Linearitätscharakter gehabt. Woran dies allerdings liegt, glaube ich heute erst in eben aufgezeigtem Rahmen aufdecken zu können. Das Grundproblem bleibt aber stets die eigenartige erkenntnistheoretische Fixierung an eine kollektiv definierte Kommunikationsweise.

Es ist dies auch in starkem Masse bei den Lehrern so, ja geradezu erschreckend, wie sehr die Kommunikationsstruktur linear definiert ist. Das Problem zieht aber noch weitere Kreise, denn es lässt sich genauso in allen Universitätsbelangen aufzeigen, ohne dass ich hier auf Details eingehen muss.

Dies zeigt die keineswegs zu unterschätzende Gefahr, welcher der Analytiker ausgesetzt ist - sowohl in seiner Ausbildung (und gerade da) als auch in seiner Praxis. Der Analytiker, der zu einem experimentellen Kommunikationsforscher werden sollte, verfällt fast permanent in die Rolle des erkenntnistheoretisch Naiven. Dort wo er am meisten versiert sein müsste, weil an dieser Stelle seine schwerwiegendsten Identitäten bestehen, geniesst er die geringste Ausbildung. Dies ist allerdings wiederum nicht unbedingt sehr verwunderlich, da es sich hier um einen grotesken Teufelskreis handelt, der nur mühsam zu durchbrechen ist.

Da genügt es nicht, einen Analysanden zu einem Gesprächspartner zu machen, da dies eigentlich ein (zwar nettes, aber zu spät erfolgendes) Entgegenkommen ist, das bereits schon in die analytische Kommunikation eingebaut sein müsste - von Anfang an. Der Einbau, d.h. die Bewusstwerdung der erkenntnistheoretischen Identitäten (was identisch ist mit der speziellen Weltanschauung, die man 'von zu Hause' mitbringt) müsste permanent erfolgen, das analytische Konzept müsste in dieser Richtung ausgebaut sein.

Was als bewusst erarbeitete Weltanschauung oft in der Psychologie herausgestellt wird, erweist sich bei näherem Zusehen als ein Flickwerk von punktuellen Bewusstseinsfeldern. Dies wäre allerdings nicht einmal schlimm - ja, es stellt das zu erreichende Moment für jeden Menschen dar -, doch fehlt eben diesen Weltbildern das 'Fluktuationsmoment', d.h. sie erweisen sich in der konkreten Situation eben als Weltbild und als statisch, abgesichert und kommunikationsfeindlich.

Wenn ich es extrem formuliere (auf die Gefahr hin, dass es zu simplifizierend ist), dann würde ich sagen: Es wird auf dem Selbst beharrt, wo der Anthropos erstehen sollte. Im Englischen gibt es da den für diesen Zusammenhang sehr gut zu verwendenden Ausdruck 'selfish'.

Das Konzept der Offenheit ist aber gerade das, was erst in den letzten Jahrzehnten fassbar geworden ist. In die analytische Kommunikation ist es noch kaum eingezogen. Dies kann auch immer wieder beobachtet werden bei der Lektüre von Artikeln von Tiefenpsychologen: Sie argumentieren meist linear und merken nicht, dass der analytische Prozess stets zu zweit erfolgt. Das Konzept der Gegenübertragung ist wohl vorhanden, aber es wird nur unter dem Tisch gehandelt.

Die Aufmerksamkeit des Analytikers richtet sich zu sehr auf den Analysanden statt auf den Wechselwirkungsprozess. Zwischen Analytiker und Analysand werden derart viele Filter eingebaut, dass eine spontane Kommunikation einfach unmöglich gemacht wird. Ich glaube, dass hier auch die von Analytikern oft beklagte Kommunikationsharzerei ihren Ursprung hat - nämlich im Analytiker!

Und auch im Analysanden. Der Vorwurf muss aber dem Analytiker gelten, da er den Anspruch erhebt, Analytiker zu sein. Ihm ist es eben gerade in den Momenten aufgegeben, die Kommunikationsstruktur zu ändern, wenn sie zu stocken beginnt. Er müsste eben in diesen Momenten seinen Gefühlen Ausdruck geben und es deutlich aussprechen, dass es ihm unwohl ist bei dieser oder jener Situation. Nicht als einfaches Feststellung, sondern mit Begründung und mit der Aufforderung der Äusserung seitens seines Gegenübers.

Ich vermute, dass die Kommunikation eben gerade dann zu harzen beginnt, wenn eine schwarze (unbewusste) Stelle des Analytikers getroffen wird. An diesem Punkt müsste er fähig sein, seine scheinbar definierte Rolle aufzugeben und zum Gesprächspartner zu werden, der selber auch noch etwas lernen kann und zu lernen gewillt ist. Hier aber muss er sich selber hinausstellen, was zugegebenermassen nicht besonders angenehm sein dürfte.

Mit diesem Schritt wird aber die Grundlage für ein Vertrauensverhältnis geschaffen, das sonst niemals entstehen würde. Hier kommen dann die spezifischen Probleme zweier Menschen zusammen, die zu einer gegenseitigen Erhellung kumulieren. Die Arbeit gilt dann dem Gleichen, nämlich dem Anthropos, der beiden Partnern übergeordneten Struktur. Damit aber auch automatisch dem Selbst und dem Ich.

Diese spezifische Kommunikationsproblematik ist nicht etwa dadurch entstanden, dass ich für längere Zeit nicht in Analyse gegangen bin, sondern sie hat sich zu einer Zeit der Analyse entwickelt, wo ich mehrere Male pro Monat bei Dir gewesen bin.

Die anschliessend entstandene Lücke ist dann durch ein Resignieren meinerseits entstanden, denn - und nun drehe ich den Spiess gerade um - ich meinte bei Dir auf grosse Widerstände zu stossen, die ich - natürlich von Dir aus gesehen - auf die verschiedensten Arten zu überwinden gesucht habe, gewissermassen mit der Arbeitshypothese, dass keine Sackgasse so abgeschlossen sein kann, dass sie nicht überwunden werden könnte, denn die "Sackgassenfrage" lautet doch so: "Wie gross muss ein Hindernis sein, damit es absolut nicht mehr überwunden werden kann?"

Ich bin sehr abgeneigt, Sackgassen rückwärts zu verlassen und tue solches nur dann, wenn mehrere Versuche fehlgeschlagen sind. Wenn man nämlich eine Sackgasse rückwärts verlässt, dann bleibt sie auf alle Zeiten eben eine Sackgasse. Ändert man aber die Vorgehensweise - steigt man z.B. aus dem Auto aus, mit welchem man in die Sackgasse eingefahren ist, und geht zu Fuss weiter -, dann lassen sich die meisten Sackgassen schon beim allerersten Versuch überwinden.

Eher kommunikationstheoretisch ausgedrückt: Ein Rückwärtsgehen aus einer Sackgasse würde einer Lösung 1. Ordnung entsprechen, also einen Lösungsversuch innerhalb desselben Systems mit systemimmanenten Mitteln bedeuten. Die Überwindung einer Sackgasse durch Anwendung neuer Mittel hiesse eine Lösung 2. Ordnung einzuführen.

Ich möchte noch einen Punkt aufnehmen, den wir in der letzten Doppelstunde zum Teil durchbesprochen haben: Es geht um das Problem des "Kampfes", welches meines Erachtens von Dir hauptsächlich linear interpretiert wird, währenddem ich eher - gewissermassen karatemässig - den synchronen Aspekt betone. Ich frage mich nämlich, ob wir überhaupt je einmal eine "Zänkerei" in der Analysenstunde zu Ende geführt haben. So weit ich mich erinnern kann, ist dies nicht der Fall. Ergo stellt sich die Frage, woher man wissen kann, dass Zänkereien unfruchtbar sind.

Aus meiner Beschäftigung mit der Erkenntnistheorie und der Kommunikationstheorie, aber auch in der Auseinandersetzung mit den eigenen Träumen, bin ich zum Resultat gekommen, dass Zänkereien schon allein deswegen durchgespielt werden müssen, weil sie das Material für eine Kommunikationsanalyse der Zänkerei liefern. In dem Moment nämlich, wo die Zänkerei an einen Punkt gekommen ist, wo gewissermassen Meinung gegen Meinung steht, wo das Gesprächsfeld erstarrt ist, kann man ganz gemütlich auf die Metaebene wechseln und nun von daher eine Analyse der Meinungsverschiedenheit machen, die allein aufzuzeigen vermag. wie es zu der betreffenden Meinung-gegen-Meinung-Endlage gekommen ist. Ohne eine vorhergehende Meinungsdarlegung ist das Feststellen der Meinung des Gesprächspartners wohl kaum möglich. Oder gibt es hier ein prinzipiell anderes Vorgehen?

Werden solche Kristallisationspunkte nicht gestattet, dann bleibt das Kommunikationsfeld stets verwaschen, unscharf, unfassbar, d.h. das Feld ist in einem nicht feststellbaren permanenten Wandel begriffen ohne Anfang und ohne Ende - als ein circulus vitiosus.

Wird dagegen im Falle der gegenseitigen Meinungserstarrung die Metaebene nicht betreten von den Kommunikationspartnern, dann endet die Interaktion mit der Meinungsdarlegung, d.h. es gibt keinen Wandel mehr, sondern nur noch blosse Konstanz, die im Extremfall dann noch dogmatisiert werden kann.

Beide Extremformen sind mir sehr unangenehm, beide müssen aber oszillierend angewandt werden. Wenn ich diese theoretisierende Ausführung auf unser Verhältnis zu konkretisieren suche, habe ich das persönliche Gefühl, dass dieses Verhältnis durch einen permanenten Wandel gekennzeichnet ist und kaum Konstanzpunkte erkennen lässt - so sehe ich es von meiner Seite aus. Ich kann einen Grossteil meiner Kommunikation dadurch charakterisieren, dass ich krampfhaft bemüht gewesen bin, irgend einen festen Punkt bei Dir zu finden, der es mir erlaubt, Dich als "definierte" Person zu erkennen, der es mir dann aber auch erlaubt hätte, Deinen Wandel zu bemerken. Für mich besteht keinerlei Unterscheidungsmöglichkeit zwischen der Person zu Beginn der Analyse und der Person am Ende der Analyse (dies ist natürlich überspitzt formuliert!).

Du siehst also wohl jetzt deutlicher, wo der Hase im Pfeffer liegt. - Darf ich Dich - ganz abgesehen von Deinen Reaktionsmöglichkeiten auf diesen Brief - deshalb bitten, mir eventuelle Texte anzugeben oder vielleicht gar zuzusenden, die Du seit Ende 1974 veröffentlicht hast. Aus Deiner Feder besitze ich folgende Texte: ...

Dann habe ich von einem Kollegen aus der Ethnologie noch eine Literaturangabe erhalten. Es handelt sich dabei um eine der besten Darstellungen der subjektiven Reaktionen im Felde, die je von einem Ethnologen (es handelt sich um Laura Bohannan) geschrieben worden ist:
Eleonore Smith Bowen (= Bohannan) - Return to Laughter - Anchor Books (1954) 1964 Doubleday, New York, Garden City . ...


WZ: Allschwil, den 16.11.77

Nach unserer letzten Unterredung ist nun doch schon einige Zeit verstrichen, in welcher sich bei mir gewisse Fragestellungen herauskristallisiert haben, die mich nun dazu bewegen, mich an Dich zu wenden. Ich empfinde hierzu nicht nur ein Bedürfnis deswegen, weil wir in einer Art von Missverständnis (im weitesten Sinne) "geschieden" sind, sondern auch deswegen, weil mir scheint, dass Du mir einige Hinweise geben könntest.

Den ersten Punkt will ich zumindest ein wenig aufzuklären suchen, indem ich den damaligen Stand kurz umreisse und dann versuche, die mittlerweile erarbeiteten Lösungen anzugeben, die zum vorläufigen Arbeitsprogramm geführt haben.

Du erinnerst Dich sicher, dass ich mehrere Male erwähnt habe, es sei mir gelungen, mich des Nachts "vom Körper abzulösen", was bei völligem Bewusstsein geschehen sei. Allerdings ist es mir damals nicht vergönnt gewesen, längere Zeit dieses Bewusstseinsniveau zu halten. In der Zwischenzeit hat sich für dieses Bewusstsein bei mir ein Kürzel eingebürgert, das "BK" heisst. Unter BK verstehe ich eine Bewusstseinskonstanz, ein Bewusstsein also, das sich vom Tagesbewusstsein nicht unterscheidet, rsp. - was viel wesentlicher ist - es erlaubt, festzustellen, DASS geträumt wird, wodurch im Endeffekt die Handlungsfreiheit gewährleistet ist.

2.6.01 Bis etwa Ende 1976 fasste ich die Ich-Bewusstseins-Kontinuität (BK) noch als eine "Bewusstseins-Konstanz" auf. Bewusstheit ist aber keine Frage der Konstanz und damit der absoluten Gleichartigkeit und dauernden Identität, sondern eine Frage des "Fluktuierens" bzw. des Fliessens, des Gewahrseins und der Bereitschaft, auch in einer völlig neuartigen Lage das Ungewohnteste zuzulassen.

Dez. 1976 Das Wort "Konstanz" in "Bewusstseinskonstanz" ist durch "Kontinuität" zu ersetzen, denn es handelt sich um eine "homöostatische Stabilität des Ichs" bzw. ein Fliessgleichgewicht. Veränderungen sind nämlich möglich, OHNE dass das Gesamtsystem zusammenbricht. Dieses System (das Ich) kann jederzeit auf Störungen "stabil" reagieren und mit ihnen wechselwirken. Spontane Systemänderungen ("Mutationen") ergeben sogar völlig NEUE Möglichkeits'felder' von Wechselwirkungen - und daraus ergeben sich neue Erinnerungen, d.h. eine Speicherung bisher nicht speicherbar gewesener "Erfahrungen".

"Konstanz" ist NICHT zu verstehen als konstant im Sinne von ABGESCHLOSSEN. - BK heisst, dass sich das betreffende Bewusstsein, das betreffende Ich, in jedem Moment mit sich selbst als ein "offenes Feld" identifizieren kann, das Erinnerungsvermögen - auch an sich selber - besitzt. Das würde heissen, dass BK ohne Gedächtnis bzw. Erinnerungsvermögen nicht möglich ist. Man kann sich nur sich selber bewusst sein, wenn man sich an sich selbst erinnern kann. Deswegen müsste z.B. genauer untersucht werden, was eigentlich über das Vergessen etwa in der Mythologie bekannt ist. Was ist die Ursache für das Vergessen? Wie wirkt sich das Moment des Vergessens aus? An was können sich z.B. die Toten im Hades erinnern? Wer sich im Traum nicht an den Tageswachzustand erinnert, hat einen Teil seines Lebens vergessen und verfügt NICHT über eine BK - et vice versa.

Wenn sich das Ich an etwas Bestimmtes und scheinbar ewig Gleichbleibendes klammert und sich weigert, unvoreingenommen in eine neue Erfahrung "hineinzugehen" (und andere Erinnerungen zuzulassen), zwingt es die Bewusstheit in ein starres und konstantes, abgeschlossenes Ego. Das Ich bzw. die Bewusstheit braucht aber für das Sein kein Haben und keine Identifizierungen, sondern "Leerheit" in dem Sinne, dass es auf jede Art von dauernder, konstanter Identität verzichtet.

Stabilität und Konstanz sind nicht dasselbe, denn Stabilität BEDINGT, dass ein System homöostatisch ist. Dies zeigt sich in dem Moment, in welchem ein Ich als Beobachter aktiv wird, denn das Ich UND das beobachtete System geraten durch die gegenseitige Bezüglichkeit aus dem Gleichgewicht. In der Folge muss sich ein NEUES Gleichgewicht einstellen. Die Systeme MÜSSEN homöostatische Eigenschaften haben - zumindest aber der Beobachter selber -, da sich sonst keine Stabilität auszubilden vermag.

Eine BK ist in analoger Weise im physischen Körper selber verwirklicht, denn beim Körper handelt es sich um ein biologisches Feld, in dem das Prinzip des ‚steady state' (Fliessgleichgewicht) verwirklicht ist. Dieses Fliessgleichgewicht bleibt trotz aller Mutationen und Veränderungen erhalten. Was im Verlauf der evolutiven Entwicklung noch dazu kommt, sind Beziehungen. Und diese haben beim Menschen eine derartige Fülle erreicht, dass sog. Bewusstseinsphänomene feststellbar werden - durch das Bewusstsein selber (dies ist ein Zirkelschluss und kommt im Ouroboros gut zur Darstellung). Das Gehirn ist eine Art Verdichtungsstätte von Beziehungsmöglichkeiten - sowohl räumlich als auch zeitlich. Und es ist ein System im Fliessgleichgewicht, das sich selber zu erhalten sucht, was ihm auch mehr oder weniger gelingt. Diese Selbsterhaltung kann es aber nur "oszillatorisch" erreichen, d.h. es muss einen gewissen Fluktuationsbereich haben. Praktisch bedeutet dies, dass sich eine Individualität als "konstantes Kontinuum" nur als offenes System halten lässt!

[In der "freien Marktwirtschaft" ist allerdings KEIN homöostatischer Prozess verwirklicht, sondern bloss ein Spiel à la Monopoly, das der allgemeinen Theorie der Spiele (von Neumann, Morgenstern) unterworfen ist. Dabei wird ein offenes System kurzgeschlossen. Dasselbe gilt auch für die Tiefenpsychologie und deren "Widerstandskonzept" - und es gilt für die durch die Lektüre von Schul- und Lehrbüchern vorgegebenen "Bahnungen".]

Die Ich-Bewusstseinskontinuität (BK) kann als "konstantes Kontinuum" betrachtet werden, dessen Bewusstseinsumfang - dieser ist wohl nur gefühlsmässig feststellbar - "horizontal" und "vertikal" erhalten bleibt. Eine Eigenschaft der BK besteht im Prinzip darin, bestimmte "Bewusstseinsgrössen" konstant bzw. in gewissen zulässigen Grenzen zu halten.

Hierbei lassen sich zwei Fälle unterschieden. In dem einen erfolgt die "Konstanthaltung" der betreffenden Grössen durch einfache oder vermaschte Regelkreise. Im anderen Fall enthält das Bewusstseinssystem Mechanismen, die es gestatten, von einer Struktur, die wegen Überschreitung gewisser Grenzen die Konstanthaltung der betreffenden Grössen nicht sichern kann, sprunghaft zu (im allgemeinen Fall mehreren möglich) anderen überzugehen, bis Konstanthaltung wieder gesichert werden kann. [Der Begriff der Homöostase wurde von W.B. Cannon geprägt. W.R. Ashby hat für den zweiten der angegebenen Fälle den Ausdruck Ultrastabilität eingeführt.] - Was "zulässige Grenzen" sind, das hängt vom Innen wie vom Aussen ab (und ist somit kontextabhängig) und wird erfasst durch einen ständigen Vergleich von Input und Output, wobei sowohl das Innensystem wie auch die Umwelt als Blackbox betrachtet werden können.

Der Begriff "Fliessgleichgewicht" (dynamisches Gleichgewicht zwischen Aufbau- und Abbauprozessen) wurde übrigens von Ludwig von Bertalanffy lange vor dem Aufkommen der expliziten kybernetischen Denkweise in der Biologie geprägt. Er beinhaltet, dass die organischen Systeme offene Systeme sind, die in Stoff- und Energieaustausch mit der Umgebung stehen.

Es ist das besondere Verdienst Bertalanffys, eine mathematische Beschreibung dieses Vorgangs gegeben zu haben, die u.a. zeigt, dass der Endzustand eines solchen Systems nicht von den Anfangsbedingungen und Störungen abhängt, sondern ausschliesslich von systemeigenen Prozessen. Und zu diesen systemeigenen Prozessen gehören auch die nächtlichen Erfahrungen!

Bertalanffy hat nur Energie- und Stoffflüsse, nicht aber Informationsflüsse berücksichtigt. Die Hierarchie der Regelung und Steuerung im Organismus und ihr Funktionieren durch Prozesse der Informationsaufnahme, -speicherung und -verarbeitung waren ihm noch unbekannt.

Über die Entwicklung dieser Auffassung seit 1928 vgl. Ludwig von Bertalanffy "Das biologische Weltbild - Die Stellung des Lebens in Natur und Wissenschaft" (Bern: Francke, 1949: 169ff).

Ich habe ziemlich lange gebraucht, um festzustellen, dass mit BK das gemeint sein könnte, was Jung die "aktive Imagination" (AI) nennt, die ja auch bei einem Bewusstsein durchgeführt wird, das um die Situation weiss (besser: ein Bewusstsein WIE in der AI). Eine sog. Körperablösung ist dann der Vorgang des bewussten Überganges in das "bewusste Träumen" oder eben in die aktive Imagination im Traum (das Wort Traum ist jetzt nicht mehr automatisch mit einem "Traumbewusstsein" gekoppelt , das vom Tagesbewusstsein sich unterscheidet, sondern meint eine Erfahrungsebene, die allgemein als "Traum" bezeichnet wird). Nachdem ich die Analyse abgebrochen habe, musste ich mir zwei prinzipielle Fragen vorlegen:

1. Mit welchem Aspekt der Jungschen Psychologie kann die Erfahrung der Körperablösung und der Bewusstseinskonstanz (Bewusstseinskontinuität) am ehesten verglichen werden. Die Antwort hierauf habe ich oben kurz skizziert.

2. Ist es möglich, bewusstseinskonstant (bewusstseinskontinuierlich) zu "träumen" und zwar nicht nur sporadisch, sondern gewissermassen immer wieder, Nacht für Nacht.

Ich habe es mir zur Angewohnheit werden lassen, über einen gewissen Zeitraum mit einer bestimmten Arbeitshypothese vorzugehen und zu schauen, was exakt die Reaktionen sind, die im Traum gegeben werden. Bald hat es sich gezeigt, dass bei einer BK (sei sie nun plötzlich im Traum aufgetreten, oder sei sie mit einer Körperablösung verbunden gewesen) sehr diffizile Orientierungsprobleme auftreten.

So galt es denn, bestimmte "Techniken" zu entwickeln, die es mir mit genügender Sicherheit erlauben, festzustellen, dass ich mich tatsächlich in der "Traumebene" mich befinde. Dabei bin ich sehr vorsichtig vorgegangen und habe denn auch wirklich sichere Methoden herausgefunden, die mir exakt zeigen, wo (auf welcher Ebene) ich mich befinde. Beispielsweise ist es mir unmöglich, im "irdischen Körper" durch eine Wand zu gehen, was dagegen sehr wohl getan werden kann, wenn ich mich im "Traumkörper" befinde. Die Wände der Traumwelt lassen sich durchlaufen (meistens). Vor allem aber habe ich ein Bewusstsein dafür entwickelt, mit welchem sich die momentane Ebene bestimmen lässt.

Ein weiteres Problem ist dann die Sexualität gewesen. Kaum in BK, da beginnt sich ein Drang zu regen, sich sexuell zu betätigen. Die BK wird zu diesem Zweck ausgenutzt. Doch kaum ist das Ziel erreicht, da kommt es zu einem Abaissement. Kurz: diese Art der Betätigung in BK führt nicht zu bewusst gemachten Erfahrungen, sondern zu einer Bewusstseinsminderung, was nichts anderes bedeutet, als dass dieser Weg der falsche ist.

Meines Erachtens ist das Kriterium des Abaissement eines der besten, wenn festgestellt werden soll, ob eine Arbeitshypothese fruchtbar ist oder nicht.

Die Sexualität ist nicht einfach zu "knacken" gewesen, denn sie hat eine wirklich konstante (stabile) BK vorausgesetzt, wenn ich nicht in dieses Loch habe hineinfallen wollen. Doch hat sich diese Hürde nicht als unüberwindbar gezeigt, weswegen ich dann wirklich habe daran gehen können, mich bewusst im Traum zu bewegen, was unter anderem auch dazu geführt hat, dass ich im Traum andere Personen gefragt habe, ob sie sich auch dessen bewusst seien, dass sie träumen, woraus sich in ganz seltenen Fällen schon die Anfänge einer erkenntnistheoretischen Diskussion ergeben haben.

Da ich in sehr vielen Träumen schon Bücher verschiedenster Art in meinen Händen gehabt habe, wollte ich auch versuchen, sie zu lesen, was zu Beginn - zu meinem grössten Unbehagen - nicht möglich gewesen ist, denn die Schriftzüge haben sich immer wieder verwischt und vor allem hat sich der Text ständig geändert, so dass ich keine Möglichkeit hatte, ihn mehr oder weniger auswendig zu lernen. Da ich dieses "Verwischen" im Traum ja bewusst erlebt habe, konnte ich mit der Zeit auch daran gehen, zu versuchen, den Verwischungseffekt zu überwinden, was denn eines Tages zu meiner grössten Freude (schon im Traum selbstverständlich) auch gelungen ist.

So haben sich denn folgende Arbeitshypothesen ergeben:
a) Körperablösung (was im Grunde bedeutet, dass bewusst die "Körperebene" verlassen wird)
b) Bewusstseinskonstanz (Bewusstseinskontinuität)
c) Überwindung der Sexualität als Abaissement-Faktor
d) Diskussion und Gespräche mit den Traumwesen (auch erkenntnistheoretischer Art)
e) Lesen im Traum von Traumbüchern und - texten.
f) weitere, hier nicht näher angeführte "Forschungsprogramme" wie:

Das Anschauen der Hände (übrigens: Deine Bemerkung damals, ob ich auch den eigenen Penis anschauen könne? - Das ist nie ein Problem gewesen bei mir, den konnte ich gewissermassen beliebig anschauen.)
Das genaue Beobachten von mich interessierenden Dingen.
Die Meditation im Traum.
Probleme der Fluktuation (d.h. des Wechsels zwischen "Paralelluniversen").
Die Fortbewegungsweise in diesen Bereichen (Fliegen, Reiten, zu Fuss gehen (an dieser Stelle sei vermerkt: ich "weigere" mich prinzipiell im Zustand einer BK irgend ein technisches Gefährt zu benutzen).

Dies sind Arbeitshypothesen, denen ich versuche, mit einer immer mehr gesteigerten Regelmässigkeit nachzugehen, wobei sich ein lustiger Effekt "statistischer" Art eingestellt hat: Es ist wie damals mit den Träumen - erst waren es einige pro Jahr, dann einige pro Monat und zu guter Letzt stellte sich eine nachtnächtliche Regelmässigkeit ein. Dieses Ziel habe ich mir auch mit der BK gesetzt. Die Resultate haben mich immer wieder ermutigt, weiter in dieser Richtung zu forschen, wobei ich selbstverständlich auch Literatur beigezogen und herausgefunden habe, dass aus diesem Bereich eine eminente Menge Parallelmaterial beigebracht werden kann, was allerdings so ziemlich jeder Systematisierung entbehrt. Ich will mich in diesem Brief darauf beschränken, die eigenen Erfahrungen darzulegen und mit folgenden Fragen abschliessen:

1. Bestehen tatsächlich Ähnlichkeiten zwischen einer "Traum-BK" und der aktiven Imagination.
2. Gibt es unter den Jungianern Gruppen, die sich intensiver mit einer "BK" im Traum selber beschäftigen, die also gewissermassen auch die "Nacht" für die aktive Imagination zu nutzen suchen.
3. Meines Erachtens unterscheidet sich die Auffassung einer BK im Traum wesentlich von der herkömmlichen Traumauffassung, zumindest geht sie ziemlich über letztere hinaus. Besteht diesbezüglich ein Konsens. Falls ja, welches sind die bisher diskutierten Konsequenzen.
4. Sind bereits schon erkenntnistheoretische Reflexionen hierüber unternommen worden.

Meine Literaturkenntnisse haben mir über diese Fragen nur ganz selten und dann zumeist ungenügend Auskunft gegeben, weswegen ich zwei Hypothesen prüfen muss:

a) Die Literaturkenntnisse sind noch zu gering, mir ist das Wesentliche entgangen.
b) Ich bewege mich in Neuland, aber es gibt Gruppen, die sich mit Ähnlichem befassen, die eine ähnliche Fragestellung entwickelt haben (wie steht es z.B. mit der Klinik am Zürichberg?).

Zum Punkt a) ist anzumerken, dass ich mir bewusst bin, in der tibetischen Religion (übrigens auch bei Castaneda (vor allem Band IV)) unwahrscheinlich viele Anmerkungen zu diesen Problemen finden zu können. Was mich aber bewegt, ist vor allem die Frage, ob es auch möglich wäre, direkt mit Menschen kontaktieren zu können, die diesen Problemkreis bearbeiten.

Nun erhoffe ich mir durch Dich zumindest eine Aufklärung darüber, ob ich mich in einem Bereich bewege, der schon weitläufigst bearbeitet wurde - oder ob ich mich in Neuland befinde, das von der Jungschen Psychologie erst am Rande betreten worden ist. Eventuell könntest Du mir auch sagen, inwieweit Parallelen zur aktiven Imagination bestehen. Vielleicht weisst Du auch jemanden, der auf diesem Gebiet arbeitet.

Hoffentlich habe ich mit meinem Brief nicht am Ziel vorbeigeschossen, rsp. über es hinausgeschossen. Ich betrachte den Inhalt dieses Briefes nicht als vertrauliche Mitteilung, sondern als Anfrage an einen Mitmenschen, der sich "forschungsmässig" in einem ähnlichen Bereich bewegt. Sollte mein Untersuchungsfeld zu weit von dem Deinen entfernt liegen, dann genügt mir als Antwort auch diese Feststellung. ...


Analytiker 23.12.77:

Ich habe gestern mit meinen Kollegen wie versprochen Dein Anliegen diskutiert. Sie kamen zu den gleichen Schlüssen, die ich Dir schon früher mitgeteilt habe. Vor allem ist festzuhalten, dass Deine Experimente (in bezug auf das luzide Träumen und den ausserkörperlichen Erfahrungen) nichts mit Jungscher Psychologie zu tun haben, sondern unseres Erachtens eine Entgleisung darstellen.

wz Ich ärgere mich und notiere:
Als Trost fasse ich zumindest auf, dass es sich um eine 'Entgleisung' handelt, denn das bedeutet doch immerhin ein Kompliment für mich: Ich bin nicht auf den offiziellen Schienen. Sonst ist die Antwort ein schlichter Hohn einer jeglichen erkenntnistheoretischen Haltung, denn es werden implizite Massstäbe gesetzt in Form einer diadochenhaft interpretierten sogenannten Jungschen Psychologie, die mir keinerlei Chance lassen, in irgendeiner Form weiter zu kommunizieren, es sei denn als reuiger Sünder in der Art eines 'verlorenen Sohnes', der bereit ist, den Zug, den er verlassen hat, wieder zu besteigen. Hier habe ich am eigenen Leibe einmal erfahren, was es heisst, einem Gruppenkollektiv (mit festem Paradigma) gegenüberzustehen. Was unterscheidet ein solches Gebahren aber zum Beispiel von einem anthroposophischen Verhalten, das stets und in allererster Linie vor jeder Diskussion auf Rudolf Steiner verweist?

Wieso z.B. ein bewusstseinskontinuierliches Ich bzw. die BK eine 'Entgleisung' sein soll, ist mir völlig 'schleierhaft' - denn bei Ablehnung eines solchen Faktors wird das nicht-luzide Traumbewusstsein als ein Apriori gesetzt - und vermutlich wird die BK schlicht als eine Inflation aufgefasst. Dass es sich hierbei um eine Art von transzendenter Funktion handeln könnte, kommt wohl keinem der Herren Kollegen des Schulanalytikers in den Sinn. Die von diesen Jungianern skizzierte Haltung bedeutet ja, dass bei allen ihren Analysanden sämtliche in Richtung luzider Traum oder Ausserkörperlichkeit gehenden Ansätze abgeblockt und als 'non placet' bezeichnet werden. Wer sich demgemäss in die Schranken weisen lässt, der bleibt innerhalb der Jungschen Psychologie, wer nicht, der ist eben ein 'Entgleister' - und damit keiner weiteren Kommunikation (es sei denn als willig zahlender Patient) mehr würdig. - Mehr gibt es wohl nicht zu sagen.:


WZ: Allschwil, den 1.1.1978

... Zum Jahresbeginn möchte ich Dir und Deiner Familie die besten Wünsche ausrichton. Für mich bedeutet dieser Beginn ein Ende. Ich habe nun definitiv verstanden (was bei mir immer sehr lange dauert!).

Da ich weiss, dass alle möglichen Repliken systemimmanent abgeblockt werden können, will ich es bei der "Entgleisung" belassen. Dennoch will ich es nicht verhehlen, dass ich mir ziemlich "veräppelt" vorkomme, was aber "bloss" die menschliche, nicht die erkenntnistheoretische Seite angeht.

Dir und Deinen Kollegen sei doch gedankt, dass sie etwas Zeit gefunden haben, mein Anliegen zu bedenken.


WZ: Allschwil, 23.1.80 (Antwort auf das Schreiben des Schulanalytikers, der sich für die Zusendung des Buches von Alfred Lischka "Erlebnisse jenseits der Schwelle" bedankte.)

Es hat mich sehr gefreut, wieder von Dir zu hören, und ich bin gespannt darauf, wie Du all die Eindrücke aus dem Fernen Osten integrieren wirst, was sich daraus ergeben wird. Falls sich diese Erfahrungen je in Buchform auskristallisieren sollten, möchte ich Dich bitten, mich davon zu unterrichten.

Was Du unter meinem Beruf verstehen magst, ist für mich nicht erkennbar, denn woher solltest Du wissen, was ich so tue. Sind da etwa geheimnisvolle Informationskanäle ..., von denen ich keine Ahnung habe? Darf ich kurz versuchen, davon zu erzählen, was sich bei mir so tut - vielleicht deckt es sich mit Deinen Vorstellungen zum grössten Teil, so wären die folgenden Zeilen bloss redundant, wofür ich mich dann entschuldigen müsste.

Also: als Biologie-Lehrer verdiene ich nach wie vor das zum Leben notwendige Geld (es reichen 22 Stunden die Woche, weil Cathy ebenfalls halbtags arbeitet). Da ich den ganzen Unterricht (z.T. mit dem (medizinischen) Bildmaterial, das ich von Dir erhalten habe) als eigenes Scriptum vorbereitet habe, gibt mir die Schule kaum Zusatzarbeit, so dass ich intensivst auf jenem Gebiet arbeiten und forschen kann, das meine Lebensaufgabe zu sein scheint, das luzide Träumen und die ausserkörperliche Erfahrung. Ich habe also in den letzten Jahren genau dort weitergearbeitet, wo ich gewissermassen am Jung-Institut und in der Analyse aufgehört habe.

Bei dieser Arbeit durfte ich einige sehr merkwürdige Dinge entdecken, die mich sehr dazu motiviert haben, meinen Weg weiterzugehen, obwohl ich einige Male schier verzweifelt bin (ja, ja - die liebe Nigredo). Dabei hat sich eine grosse Bereicherung meines (luziden) Traumlebens ergeben, von dem ich mir vor zehn Jahren niemals hätte etwas träumen lassen.

In der Zwischenzeit habe ich mir auch einen alten Wunschtraum erfüllt, die Kartothekisierung aller nächtlicher Erfahrungen (eine irrsinns Büez (Arbeit)). Was sich bei dieser Arbeit alles so zusammengeläppert hat, ist für mich wirklich erstaunlich. Was mein Erinnerungsvermögen an nächtliche Erfahrungen betrifft, so vermochte ich es derart zu steigern, dass es mir ein Leichtes wäre, jeden Tag mindestens zehn A4-Seiten zu schreiben (was ich zeitweilen auch tue). Mit Erstaunen habe ich dabei festgestellt, dass dadurch auch die Fähigkeit gesteigert ist, im Traum direkt voll bewusst zu werden. Es ist schon eine andere Sache, bei voller Bewusstseinskontinuität zu "träumen". Ausserdem ergeben sich daraus einige ziemlich harte erkenntnistheoretische (und -praktische) Nüsse. Manchmal würde es mich freuen, hierüber mit jemandem sprechen zu können, der von Jungscher Psychologie mehr weiss als ich selber.

Nun schreibe ich eifrig an "meinem" Buch (Quellen der Nacht) - und mit grosser Mühe, aber auch mit echter Freude, weil mir von vielen Seiten kritische Hilfe zuteil wird.

Mein Beruf (der ja nicht mein Lehrer-Job ist) hat mich wirklich befriedigt. Wenn ich davon erzählen darf und darüber echte mitmenschliche Gemeinschaft erfahren darf, dann freut es mich noch mehr.

Es ist für mich komisch - ich musste lernen, so zu träumen, dass ich den Traum rund um die Uhr zu leben vermag. Irgendwie ist mir das gelungen, und nun schicke ich mich an, davon zu erzählen. Aber das bedeutet für mich eine schwere Aufgabe und ein Wagnis. Ich kann bloss versuchen, mein Bestes zu tun und offen zu bleiben für alle Kritik.

Nun will ich Dich aber nicht mehr länger aufhalten. Wenn Du Lust hast, mal bei mir vorbeizusehen, wenn Du gerade mal in Basel sein solltest, dann würde es mich freuen, Dich zu sehen und zu sprechen. Vorerst also mal bloss ein brieflicher Gruss. Ausserdem die besten Wünsche für Dich und Deine Familie.

Es gab noch eine erste Fassung dieses Briefes, die jedoch NICHT abgesandt wurde:

Es hat mich sehr gefreut, wieder von Dir zu hören - vor allem deswegen, weil ich eigentlich gar nicht erwartet habe, irgendeine Reaktion auf den "Lischka" von Deiner Seite her zu erhalten. Ich kann mir gut vorstellen, dass Deine Reise in die Weiten des Fernen Ostens sehr eindrückliche Erfahrungen gebracht hat und Dich noch für eine lange Zeit beschäftigen wird. Ich wünsche Dir, dass es Dir möglich sein wird, vom Erlebten so zu erzählen, dass mancher zu seiner eigenen Freude und zum eigenen Nutzen es mitzuerleben versteht.

Deine Hoffnung, dass ich in meinem Beruf viel Befriedigung finde, kann ich bestätigen, aber ich frage mich, was Du unter "Beruf" verstehen magst. Mit leichter Heiterkeit "projiziere" ich, dass Du vor allem meinen Job als Biologielehrer meinst, weil ich mir nicht so recht vorstellen kann, welches Berufsbild Du von mir - haben könntest (dazu dürfte das Nachwort im Lischka kaum ausreichen - aber möglicherweise unterschätze ich Deine Intuitionsfähigkeit).

Zwar steht irgendwo im Nachwort-Text, dass ein Buch rauskommen soll, in welchem ich ausführlich auf die Angelegenheit rund um die "Out-of-the-Body-Experiences" einzugehen gedenke, aber mit solch einem Buch lässt sich nun mal kein Geld verdienen. Also arbeite ich offiziell nach wie vor am Institut Minerva als Lehrer, schaffe aber "nebenbei" am Opus (dem "kleinen", d.h. dem Buch). Mittlerweile bin ich voll dazu übergegangen, sämtliche Erfahrungen des nächtlichen Bereiches (Träume, luzide Träume und OOBEs) zu kartothekisieren - eine ziemlich zeitaufwendige Arbeit, aber sehr lohnend, weil auf diese Weise eine manchmal wirklich verblüffende Motiv"sammlung" entsteht, welche es mir erlaubt, eine ziemlich lange Zeitepoche zu überblicken.

Mein Erstaunen ist vor allem deswegen umso grösser, weil ich nun erkenne, wie linear sich meine Erfahrungen entfaltet haben, und wie sehr schon seit 1963 der ganze Problemkreis des luziden Träumens und der OOBE angesprochen wurde. Nun lässt es sich minutiös nachweisen, wo ich in Einklang mit den inneren Erfahrungen gehandelt habe und wo nicht, lassen sich die einzelnen Themen in ihrem Wachstumsprozess erkennen, sehe ich, wie gewisse Konzepte entstanden sind, die mich dazu gebracht haben, auf den Analytikerberuf zu verzichten.

Seit meiner Exmatrikulation am Jung-Institut habe ich mich mit C.G. Jung mehr auseinandergesetzt als je zuvor. Speziell seine Gedanken im "Geheimnis der Goldenen Blüte" gehen meines Erachtens zum Teil fast in völliger Übereinstimmung mit "meinem" Konzept der Bewusstseinskontinuität. Jungs Äusserungen haben mich ungemein darin bestärkt, meinen eigenen Weg konsequent weiterzugehen. So ist es mir nach und nach gelungen, die Luzidität zeitlich stark auszudehnen, was zu erkenntnistheoretisch für mich sehr schwierigen Fragen geführt hat.

Wenn ich mich recht erinnere, hast Du Dich in den Zeiten meiner Schulanalyse manchmal gefragt, worauf denn all meine Träume hinauslaufen mögen. Ich habe nun die klare Gewissheit, wohin sie mich führen wollten - und fühle mich nun seit langer Zeit in echter Übereinstimmung mit dem "inneren Drift". Im Buch (Quellen der Nacht) werde ich versuchen, davon zu erzählen, was geschieht, wenn man sich diesem inneren Strom anvertraut, und ich werde anfragen, welche Konsequenzen zu ziehen sind, wenn man sich mit Leib und Seele diesem Fliessen übergibt (cum grano salis).

Und da ich in gewissen Dingen mich nicht umerziehen lassen möchte, bin ich nach wie vor darauf gespannt, wie jene auf mein Erzählen reagieren, die ich kenne, und die mir etwas bedeuten. Deine Kenntnisse werden hinter diesem Satz die notwendigen Schlüsse zu ziehen wissen.

Ich will Dir offen gestehen, dass ich manchmal Mühe habe, nicht im Zorn an Dich zurückzudenken, obwohl ich heute weiss, wo "der Hase im Pfeffer" liegt. Darüber vermöchte ich ein ganzes Buch zu schreiben, doch werde ich es nie tun, weil ich der Auffassung bin, dass das eine Sache ist, die nur uns beide etwas angeht. Deswegen wirst Du wohl in den nächsten Jahrzehnten bestimmt mal ein Buch und mal einen Brief erhalten. Dies allein schon deswegen, weil mir die Zeit, die ich in der Schulanalyse verbracht habe, zu wichtig ist, als dass ich sie leichtfertig vergessen könnte.

Aber diesen Brief werde ich nun doch nicht absenden, weil mir irgendwie blitzartig in den Sinn gekommen ist, dass Du Angst vor all dem haben könntest, was ich in Dir selber zum Ausbruch bringen könnte. Und da ich gelernt habe, auf solche inneren Stimmen zu hören, und ich selber weiss, dass irrsinnige Angst zu ganz gefährlichen Reaktionen führt, werde ich einen anderen Brief schreiben. So werde ich den indirekten Weg beschreiten, beim blossen Erzählen bleiben und versuchen, stets daran zu denken, dass gerade in dem Bereich, von dem ich berichte, der indirekte Zugang der natürlichste ist, weil alle direkten Zugänge derart methodisch und theoretisch abgesichert sind, dass ein frontaler Durchbruch katastrophal wäre. Wer ihn erleiden muss, der wird ihn erleiden müssen, aber ich möchte nicht derjenige sein, der einen Mitmenschen brutal hineinschubst. Das ist wohl die subtile Art des Gewaltverzichtes - und es dürfte nicht leicht für mich sein, sie zu erlernen.


Analytiker: 15.1.81

In der Beilage sende ich Dir ein Separatum über das Dich so sehr interessierende Thema der out of the Body-Experience. Daraus siehst Du, dass Deine Erfahrung schon längst in der Wissenschaft bekannt ist und weltweit verbreitet ist.

Zusätzlich kann ich Dir noch folgende Literatur-Angabe machen, worin Du wesentliches Material im Zusammenhang mit der Jungschen Psychologie findest.
Im Journal of Analytical Psychology Bd 18 1973 S. 47 f. findet sich ein Artikel von Johannes Fabricius:
The Symbol of the Self in the Alchemical Projectio. Darin findest Du ebenfalls das von Dir erwähnte Thema und Literaturangabe über luzides Träumen von C.Green.

Ich hoffe, dass diese Literaturangaben Dich interessieren.


WZ: Allschwil, 19.5.81

Herzlichen Dank für das Separatum und die Literaturangabe. Sehr gespannt bin ich auf den Artikel von Fabricius, den ich noch nicht kenne. In den letzten sieben Jahren habe ich mir eine ziemlich umfangreiche Separata und Buchsammlung angelegt, welche die OOBE zum Thema haben - und deshalb bin ich stets dankbar für Hinweise. Vor allem interessiert mich die Stellung der Analytischen Psychologen diesem Thema gegenüber.

Etwas enttäuscht bin ich vom Buch "Im Umkreis des Todes" (von Franz, Frey-Rohn, Jaffé), vor allem wegen des theoretischen Ansatzes, die Bewusstseinskontinuität mit der Synchronizität in Zusammenhang zu bringen.

Das luzide Träumen und die OOBE bieten derart viele therapeutische Möglichkeiten, dass ich es bedauere, von der Jungschen Seite kaum etwas darüber zu hören. Meines Erachtens drückt man sich - dies meine völlig unmassgebliche Meinung - vor der Auseinandersetzung mit diesem Thema und versucht es mit allen Mitteln nach dem Motto "principia explicandi non sunt multiplicanda praeter necessitatem" theoretisch einzubauen. lch habe dies auch jahrelang versucht, bin aber nicht in der Lage gewesen, es zu tun (möglicherweise habe ich es falsch angepackt).

Manchmal kann gerade das Scheitern eines Versuches das Interessanteste sein, was sich aus einem Experiment ergibt. Eine Hypothese muss falsifizierbar sein - und diese Bedingung trifft auf meine Arbeitshypothese der Ausserkörperlichkeit zu. Der Ansatz, die OOBE synchronistisoh zu erklären, ist nicht falsifizierbar, was ich als grosses Handicap empfinde.

Letzthin hatte ich einen Vortrag, den knapp 100 Personen gehört haben. 36 haben sich später für einen Kurs angemeldet, in dem wir über das Problem des luziden Träumens und der Ausserkörperlichkeit arbeiten werden. Schon beim 1. Kurs (habe die Teilnehmer in drei Gruppen aufgeteilt) hat es sich gezeigt, dass ohne Bewusstwerdung der eigenen Komplexe und des Schattens keine Möglichkeit besteht, den luziden Zustand aufrechtzuerhalten. Das ist der Moment, wo es sich deutlich zeigt, dass wohl kein Weg an gewissen Konzepten der Jungschen Psychologie vorbei führt.

Noch etwas zur Wissenschaft und OOBE: Die Wissenschaft kennt zwar das Phänomen der OOBE schon lange (1847 Hervey da Saint-Denys, 1913 van Eeden, 1921 Arnold-Forster (um nur diejenigen zu nennen, die ausschliesslich von ihren eigenen Erfahrungen ausgegangen sind), doch hat sie ein paar massgebliche Dinge übersehen bzw. falsch eingeschätzt. Darüber habe ich im Artikel Ausserkörperlich durch die Löcher des Netzes fliegen geschrieben. "Falsch" ist erkenntnistheoretisch nicht korrekt ausgedrückt, besser wäre "unpassend", "missverständlich" oder "theoriekonform". Nun - das wäre ein Thema für sich.


WZ: Allschwil, 10.7.81

Anbei die Kopie aus den JSPR zurück plus eine Kopie des Fabricius-Artikels (zu Deiner Verfügung). Vielleicht kennst Du jemanden, der einen derartigen Hinweis brauchen kann. Übrigens identifiziere ich das "Selbst' nicht mit dem 'Doppelgänger" - hier macht es sich Fabricius wohl etwas zu leicht.


Analytiker: 11. Jan. 1983

In der Beilage findest Du Freikarten für meinen Vortrag vom nächsten Montag im Psychologischen Club Basel. Es kommt im Vortrag ein Stück meines Buches vor, zu dem ich Dir auch ein Prospekt mit Subskriptionstalon beilege. Es würde mich freuen, wenn Du kommen würdest.


WZ: Sedrun, 16. August 1992

Ab und zu begegnet mir beim Einlesen der Karteikarten und der Träume sozusagen unweigerlich Dein Name. Es ist nämlich so, dass ich dabei bin, sämtliche Karteikarten und alle Traumprotokolle einzuscannen bzw. einzulesen und in diversen (sogenannten) Hypercardstacks (auf dem Mac) unterzubringen - neben dem, was fortlaufend "des Nachts" geschieht. Was die Träume etc. betrifft, gibt es in etwa für jedes Jahr - beginnend mit 1965 -, einen speziellen Stack zu je ca. 250-750 kB (bzw. wird es geben, denn noch fehlen ein paar Jahre). Ähnliches gilt für die Buchstaben (bin jetzt beim E).

Dann schreibe ich manchmal bzw. relativ selten auch einen kleinen Artikel, in dem dieses oder jenes Protokoll verwendet wird. Beim beigelegten Text (wird irgendwann im Herbst in "Die Märchenzeitschrift" erscheinen) scheint es mir, dass er Dich interessieren könnte, zumal er ein Erlebnis von 1979 enthält.


WZ: 27.8.92 (Der Analytiker wunderte sich darüber, dass ich als "Plattfussallschwiler" jetzt in Sedrun lebe.)

Dass Plattfussallschwiler nach Sedrun umziehen, hängt simpel mit meiner Pensionierung ab 1.10.1987 wegen sogenannter MS-Herde im Gehirn zusammen. Und wenn eben die Entmyelinisierung der Nerven ein gewisses Mass erreicht hat, geht's einfach mit dem Laufen nicht mehr sonderlich gut bis eher schlecht. Ausserdem sind noch diverse weitere Zipperleins aufgetreten, die es haben angebracht erscheinen lassen, in - was die Luftqualität anbelangt - bessere Gegenden zu ziehen. Und da sind wir nun eben nach diversen Zwischenstationen in Sedrun angelangt! Und hier gehe ich als Hinkender durch die Welt, was mich an Chrysaor erinnert. Nur fasse ich diesen Mythos ein bisschen anders auf als Stephan Sas (Der Hinkende als Symbol).

Da Du im Artikel "Über den Ursprung der Märchen" nichts Neues gefunden hast, nehme ich an, dass Dir die Thematik des "luziden Traums" (Klartraums) bekannt ist. Mir selber ist allerdings noch nie aufgefallen, dass in Jungianischen Kreisen dieses Thema zur Sprache gebracht und damit die intakte Bewusstheit im Traum als solchem problematisiert worden wäre. Denn mit aktiver Imagination hat das nur ganz am Rande zu tun. (C.G. Jung selber war die Möglichkeit der Luzidität im Traum mit all ihren Implikationen - wie er mal in einem Brief geschrieben hat - nämlich nicht bekannt.) Es muss sich also um eine happige Bildungslücke meinerseits handeln, die leicht mittels eines oder mehrerer Literaturhinweise aufgefüllt werden kann. Dafür wäre ich Dir sehr dankbar!

Das also war der kurze Bericht über unseren Wechsel in gebirgigere Gegenden.


WZ: 6.9.92

Es muss Dir keineswegs furchtbar leid tun, dass ich (effektiv als ehemaliger rund um Allschwil herumrennender Plattfussindianer) MS habe, zumal hier synchronistische Ereignisse mitspielen, die mir ziemlich klar aufgezeigt haben, "wes Geistes Kind die Krankheit" ist und welche Möglichkeiten sich aus ihr für mich ergeben! Ich hatte Dir ja geschrieben, dass ich den Chrysaor-Mythos ziemlich anders als der Jungianer Sas auffasse. Aber das ist eine lange Geschichte. Und um die anzuhören, braucht es Zeit. Und Zeit ist wohl etwas, was Du nicht in demselben Masse zur Verfügung haben dürftest wie ich da oben in den Bergen.

Da ich übrigens bei der neuerlichen Aufarbeitung der Träume festgestellt habe, dass die Jungianer nicht in einem sonderlich guten Licht dargestellt werden, habe ich mich - wieder einmal - an etwas erinnert, das Du mir damals sagtest. Du seist nämlich an jenen Träumen interessiert, in denen Du vorkommst. Falls Du möchtest, könnte ich Dir die betreffenden Träume nach und nach zusenden (nach und nach, weil noch lange nicht alle eingescannt sind). Wärst Du daran interessiert?

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich der Meinung bin, Du seist - trotz unserer Zusammenarbeit - über das luzide Träumen nicht gerade in einem überwältigenden Masse orientiert. Dies zum einen deswegen, weil für mich damals der ganze Themenkreis schlicht zu neu gewesen ist und ich ihn mir selbst ziemlich schwer zu erarbeiten hatte. Also ist da wohl kaum etwas zur Sprache gebracht worden, was von mir bereits durchdacht und im Detail erarbeitet worden wäre. Es war eher ein Tasten in einem für mich völlig neuen Forschungsgebiet. Unterstützung diesbezüglich seitens der Jungianer (darin bist Du natürlich auch eingeschlossen) gab es ja überhaupt keine. Der ganze Themenkreis wurde bekanntlich als Entgleisung abqualifiziert. Diese Einschätzung hat mir mehr als 1 Jahr intensivster Arbeit abgefordert. Die Arbeit hat sich allerdings gelohnt, denn heute schätze ich den Stellenwert des Jungschen Ansatzes (so wie ich das eben sehe bzw. zu sehen vermag) realistisch ein.

Leider (!) hat sich weder mit Dir noch sonst mit einem Jungianer je die Gelegenheit ergeben, über den ganzen Themenkreis zu sprechen. Im Gegenteil, Gesprächsangebote wurden stets abgeblockt. Möglicherweise hat das - ähnlich wie bei den Anthroposophen - damit zu tun, dass das Paradigma zu dominierend ist. - Das zu Deinem Satz, dass Du es schön findest, dass ich mich weiterhin mit solchen Fragen beschäftige. Tatsache ist, dass ich mich seit etwa 1967 (und dann insbesondere seit 1974) immer nur mit solchen Fragen beschäftigt habe - und dies heute eben (dank Rente) ausschliesslich tue (mal abgesehen von dieser oder jener Programmiersequenz).

Noch eine Anmerkung zu Deinem Brief: Das luzide Träumen oder die "Ausserkörperlichkeit" wird kaum die einzige Ursache dafür sein, dass Märchen entstehen, schreibst Du.

Märchenentstehung ist sicher "multifaktoriell". Dieser Meinung kann ich nur beipflichten. Dass in Märchen kein persönliches Material zu finden ist, ist jedoch kein Grund dafür, dass es nicht auch aus "Klarträumen" (wie Paul Tholey die luziden Träume nennt) stammen könnte, denn die schöpfen ja wie die "gewöhnlichen Träume" ebenfalls aus dem (persönlichen und kollektiven) Unbewussten. Bewusstheit des Ichs im Traum bedeutet doch keineswegs, dass es nicht in derartige Sphären (die sich durchaus als "anderweltliche" bezeichnen lassen und vielleicht sogar als solche bezeichnet werden müssten, um Missverständnisse zu vermeiden) absteigen könnte.

Möglicherweise liegt die Crux des Verständigungsproblemes darin, dass viele meinen, mit der Bewusstheit ginge der Kontakt mit dem Unbewussten irgendwie verloren bzw. eine Nachtmeerfahrt sei bei Bewusstseinsklarheit unmöglich und ein Widerspruch in sich, denn die Ich-Bewusstheit würde das Unbewusste (und auch das Selbst) überdecken. Das ist jedoch ein Problem des Verständnisses des Begriffes "das Unbewusste" und dessen Implikationen. Selbst diejenigen, die bewusst in einen Urwald hineingehen, werden nämlich Pilze finden und "diese Einfälle aus dem kollektiven Unbewussten" aufgreifen können (falls es sich nicht gerade um eingefleischte und bornierte Egoisten handelt, die der Meinung sind, der Wald müsse erschlossen werden). - Mir scheint in diesem Zusammenhang, C.G. Jung habe das "Dormiens vigila" der Alchemisten schlicht übersehen!

Märchen brauchen wie viele archetypische Bilder kein persönliches Material. Dies nicht unbedingt aufgrund einer Art Verarmung und Ausmerzung des persönlichen Materials, sondern schlicht deswegen, weil das beim Erzählen eines Märchens gar nicht notwendig ist. Es macht ja eben gerade den Reiz des Märchens aus, dass es das persönliche Material erst von den Zuhörern sozusagen anfordert und beim Erzählen aufleben lässt. Einer textkritischen Analyse muss das entgehen. Sie kann bloss die Abstraktion und das Fehlen des persönlichen Materials feststellen. Das ist lapidar! Denn ein Satz wie: "Der Drache kroch aus seiner Höhle!" lässt blitzartig nicht nur Bilder-, sondern auch Gefühlswelten entstehen - mitsamt all dem, was mit den Komplexen "Drache", "kriechen" und "Höhle" bei den Erzählern und den Zuhörern verbunden ist. Es sind nicht zwei Menschen, die den Satz "Der Drache kroch aus seiner Höhle!" auf exakt dieselbe Art und Weise sprechen werden. Und in allen, die zuhören, wird wieder etwas Besonderes mitschwingen, wenn sie dem Texte lauschen.

Der Mensch lebt das Persönliche! Es braucht gar nicht erst ausgesprochen zu werden, denn neben und im Rahmen der Sprache gibt es noch viele andere Kommunikationskanäle. Und die werden mündlich eher überliefert als schriftlich. Dass im Verlaufe der Zeiten also alle persönlichen Merkmale ausgemerzt wurden, betrachte ich als irreführendes Statement (selbst wenn es zutreffend ist). Es mag für die textkritische und strukturalistische Analyse von Belang sein, wird jedoch die Gilde der Märchenerzähler und -erzählerinnen (zum Glück) wenig bekümmern. Denn beim Erzählen werden die Märchen wieder lebendig, weil deren "archetypische Struktur" durch einen Menschen hindurchgeht und damit irgendwie erhitzt und umgeschmolzen wird - bis es denn schliesslich dem Munde entströmt und durch die Ohren der Zuhörerschaft eindringt, wo es dann anschliessend wieder umgewandelt wird - ohne dass dabei das "Skelett" der Geschichte wesentlich verändert würde (eher wird es von Neuem eingegrenzt und damit wieder vom Persönlichen entkleidet).

Das waren ein paar Überlegungen zum Thema und damit zu unserer Beziehung. Ich muss sagen, ich bin schon gespannt darauf, ob und wie Du darauf reagieren wirst. Denn möglicherweise scheint es Dir sinnlos, überhaupt auf das einzugehen, was hier vorgebracht wird. Nun denn, mal abwarten und (Blüemli-) Tee trinken (ein anderer erlaubt die Diät nicht).


WZ: 25.8.93

Anbei ein Artikel aus dem Journal of Analytical Psychology 18/1973:47-58 (THE SYMBOL OF THE SELF IN THE ALCHEMICAL 'PROIECTIO'), den ich soeben eingescannt und korrekturgelesen habe. Tja, es gab also in Jungianischen Kreisen bereits 1973 (!) Leute, die sich mit OOBE und Alchemie beschäftigt haben. Bedauerlich, dass Dir und Deinen KollegInnen dieser Artikel damals offensichtlich nicht bekannt gewesen.

3.6.01 Ich hatte offensichtlich schlicht vergessen, dass er mir diesen Artikel 1981 gesandt hatte. Derartige Fehlleistungen hat Sigmund Freud bereits in "Pschopathologie des Alltaglebens" beschrieben.

Ich sende Dir diesen Text aus Gründen der Ehrlichkeit. Ich will mir nie vorwerfen (lassen) müssen, ich hätte dem ehemaligen Schulanalytiker nicht genügend Unterlagen zur Verfügung gestellt, die es ihm erlaubt haben könnten, sich darüber klar zu werden, dass die damals in der Analyse zur Sprache gekommenen Erfahrungen eigentlich hätten in ein umfassenderes Feld hineingestellt werden können, als bloss als "uneingestandene Schattenaspekte" und als "Entgleisungen" bezeichnet zu werden.


Analytiker: 31. August 1993

Die Arbeit, auf die Du mich glaubst aufmerksam machen zu müssen, kenne ich schon seit mindestens 15 Jahren. Den Herrn Fabricius habe ich weder vor noch nachher je zu alchemistischen Themen Stellung nehmen sehen, so dass ich mich frage: wie weit kennt er die Alchemie und die Jungsche Psychologie? Seine von Dir zitierte Arbeit weist gravierende Fehler auf, die auf ein mangelndes Verständnis der Psychologie hinweisen. Recht hat er darin, dass die Alchemisten unter Proiectio etwas komplett anderes verstehen als die Psychologie unter Projektion. Jung hat nie darauf hingewiesen.

Ich mag Deinen arroganten Briefstil allerdings nicht und werde in Zukunft auf solche Briefe nicht mehr antworten.


WZ: 5.9.93

Schade, dass Du mich damals (1973) nicht auf den Fabricius aufmerksam gemacht hast. Er ist sicherlich nicht ganz konform in bezug auf die Jungsche Psychologie (aber es gibt ja noch andere mögliche Sichtweisen, die durchaus bedenkenswert sind und mitberücksichtigt werden könnten). Fabricius hat aber zumindest eine weitere, umfangreichere Veröffentlichung zur Alchemie verfasst, nämlich:

Johannes Fabricius
Alchemy - the Medieval Alchemists and their Royal Art
Copenhagen: Rosenkilde and Bagger, 1976 (Grossformat 228 Seiten, etwa 402 Abbildungen)

Es hat, nebenbei gesagt, etliche Veröffentlichungen über luzides Träumen und OOBE gegeben, sogar solche, die lange vor 1970, ja sogar im letzten Jahrhundert herausgekommen sind. Gerade deswegen scheint es mir nicht ganz in Ordnung, dass damals auf die Problematik nicht aufmerksam gemacht wurde (das ist ja der eigentliche - keineswegs arrogante, sondern meines Erachtens durchaus zutreffende - Vorwurf. Es gibt natürlich einen Grund, der akzeptabel ist - und der besteht eben darin, dass die Jungianer von der Diskussion der in Frage stehenden Themen nichts oder kaum etwas gewusst haben. Schliesslich schien selbst C. G. Jung die Möglichkeit der Beeinflussung der Träume nicht zu kennen (vgl. den Brief an Evans-Wentz vom 9.2.39 (Briefe I S.331 - "Traumkontrolle", verwandt damit wäre etwa die "Trauminkubation").

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Wassertropfen Teil 3


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