zu den Quellen der Nacht Teil 1/4 Werner Zurfluh |
3. erw. Aufl. 1996 im HTML-Format |
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Alptraum und Wandel zweiter Ordnung
Es wird kaum jemanden geben, der noch nie einen
Alptraum erlebt hat. Schreckliches ereignet sich zwar
auch im Alltag, aber in bezug auf Alpträume hat der
Mensch eine besondere Methode entwickelt, der Gefahr
zu entfliehen: das Erwachen. Diese Lösung entspricht
einem «Wandel zweiter Ordnung», denn durch das
Erwachen wird nicht ein Element des Traumgeschehens verändert, sondern der Zustand des Ichs. In einem
Alptraum kann das Traum-Ich nämlich alles mögliche
versuchen: fliehen, sich verstecken, sich verzweifelt
wehren, aus dem Fenster springen usw.; doch führt
bekanntlich kein Wechsel von einer dieser Verhaltensweisen zu einer anderen zur Lösung des Alptraums.
«Die Lösung liegt im Wechsel vom Träumen zum
Wachen. Erwachen ist aber nicht mehr ein Element des
Traums, sondern eine Veränderung zu einem vollkommen anderen Zustand.»
(Anm.1)
Ein Alptraum
Die Gegend ist düster, der Boden zwischen den toten Baumstrünken aschgrau und trocken. Weit hinten das dumpfe Tappen von haarigen Füßen, das kratzende Scharren klauenbewehrter Zehen. Bei jedem Schritt wirbelt Staub hoch und erschwert das Atmen. Das rasche Gehen macht wegen der Steilheit des Geländes unsägliche Mühen. Spitze Steine reißen die Haut auf. Am liebsten würde ich den Schmerz hinausschreien, aber in der trostlosen Weite sind alle menschlichen Regungen sinnlos und bloße Energieverschwendung. Eine gräßliche Angst umklammert mein Herz. Hin und wieder schwappen Gedanken empor - sie überfluten das Gehirn wie faulige Schwaden, die aus abgrundtiefen Spalten hervorkriechen. Selbst die letzten Erinnerungsfetzen an bessere Zeiten werden vom Grauen des gegenwärtigen Zustandes erstickt, denn die Fremden, die Ganz-Anderen kommen immer näher.Dann stoße ich an den Rand einer Schlucht. In der Tiefe wogen Nebel aus der totalen Schwärze und fließen träge über den scharfen Felsrand, um sich dann in der stickig-feuchten Luft aufzulösen. Nirgendwo gibt es eine Brücke, nirgends einen Abstieg in die Tiefe. Das Gestein ist feuchtnaß und glatt.
Das Stapfen der Füße wird lauter. Schmutzverkrustete Kleidungsfetzen scharren ekelhaft aufeinander. Der keuchende Atem der Verfolger verdichtet sich zu einem triumphierenden Geheul, als sie mich sehen. Nun sind sie derart nahe, daß sich ihre Ausdünstung wie eine scheußlich klebrige Masse auf meine Zunge und Nasenschleimhäute legt. Das blasphemische Grunzen der geifernden Meute steigert sich zu einem ohrenbetäubenden Gekreische. Die dunklen Gestalten stürzen sich auf mich. Vor mir der Abgrund, hinter mir die bestialischen Wesen und in mir Angst, Furcht und Panik ... (Inhalt)
Das Ich muß also unbedingt erwachen. Aber wie? Muß das dadurch geschehen, daß es zu einem Aufschrecken im Bett kommt, bei dem der Körper sich z.B. blitzartig aufsetzt? Ist es tatsächlich notwendig, daß mit der Bewußtwerdung des Ichs der körperliche Zustand vom Schlafen zum Wachen wechselt? Der normale Sprachgebrauch und sämtliche Gewohnheiten erzwingen sozusagen ein solches Verhalten. Dies gilt auch als völlig normal! Daß das Ich dabei «das Kind mit dem Bade ausschütten», weil es den Wechsel vom Träumen zum Wachen mit einem Zustandswechsel des Körpers vom Schlafen zum Wachen verbindet, wird nicht problematisiert. Die Sprache erzwingt gewissermaßen diese Gleichsetzung, weil sie das kontinuierliche Ich-Bewußtsein mit dem Wachheitszustand des physischen Leibes identifiziert.
Eine Identifizierung von Ich und Körper ist zwar wirksam und beendet auch schlagartig einen Alptraum, aber sie ist schwerfällig und vor allem unbefriedigend, denn Alpträume haben die unangenehme Eigenschaft, sich zu wiederholen. Besteht nun die Lösung darin, daß im Rahmen einer Psychotherapie beispielsweise nach einem kindlichen Trauma gesucht wird, das den Alptraum verursacht hat? Dies verlangt eine Bewußtwerdung. Und die kann durchaus zur Folge haben, daß der Alptraum 'verschwindet'. Aber diese Lösung ist nicht sonderlich elegant, meist langwierig und zudem teuer zu bezahlen.
Die Lösung zweiter Ordnung besteht in jedem Falle darin, daß das Ich erwacht - aber nicht im Bett. Das Ich muß sich bei einem alptraumartigen Geschehen bloß (das ist unter Umständen zwar schwierig, aber es ist nicht unmöglich) der Tatsache bewußt werden, daß es sich im Traumzustand befindet. Dann kann es als luzides Ich direkt an Ort und Stelle eingreifen und dem Geschehen eine andere Wende geben. Dies führt zu einer Lösung, die eine Wiederholung des Alptraumes prinzipiell verunmöglicht, denn aus der Bewußtwerdung und dem gleichzeitigen Verbleiben im traumartigen Geschehen ergibt sich eine völlig neue Ausgangssituation. Dies ist der erste Schritt zur Erlösung, von dem viele Märchen erzählen. Doch scheint dies vergessen worden zu sein. Dieser Text soll dazu dienen, die Erinnerung an diesen wesentlichen Sachverhalt zu wecken. (Inhalt)
Auch wenn die folgenden Ausführungen abstrakt und theoretisch scheinen, ist zu bedenken, daß gerade Theorien unabsehbare praktische Konsequenzen haben. Die Vorstellung, zwischen Theorie und Praxis bestehe eine Alternative, ist eine Illusion. Der Ausdruck «Illusion der Alternativen» wurde von Weakland und Jackson eingeführt - als Kennzeichnung einer typischen Zwangslage von schizophrenen Patienten, die sich darum bemühen «die richtige Entscheidung zwischen zwei Alternativen zu treffen» (Anm.2). Aufgrund der Eigenart der Beziehung sind sie aber nicht in der Lage, eine 'richtige' Entscheidung zu treffen, den es gibt überhaupt keine eigentliche Alternativen, von denen die eine sich als die 'richtige' erweisen könnte - «die Annahme selbst, daß eine Wahl möglich ist und daher getroffen werden soll, ist eine Illusion» (Anm.3).
Der Mensch spielt z.B ein Spiel, das «Wachen-Träumen» genannt werden kann. Das Spiel kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn der Mensch träumt und sich während des Traumgeschehens der Tatsache bewußt wird, mitten in einem Traum zu sein. Nun gibt es für ihn innerhalb des Spieles «Wachen-Träumen» keine Regel und keine Vorkehrung, mit deren Hilfe das Spiel als solches beendet werden könnte. (Inhalt)
Ein Aufhören in der Art eines Erwachens zur Ich-Bewußtseins-Kontinuität
in einem Traum oder gar einem Alptraum ohne einen gleichzeitigen Wechsel des
körperlichen Zustandes, ist nicht Teil des Spieles selbst. Die Möglichkeit, in einem
Traumgeschehen wach zu werden und zu bleiben, ist kein Element der gewohnten
Regelgruppe des Spieles «Wachen-Träumen» - und sie kann es auch gar nicht sein.
Kommunikationstheoretisch läßt sich dieser Sachverhalt folgendermassen
ausdrücken: Das «Aufhören ist META zum Spiel, es hat einen anderen,
höheren, logischen Abstraktionsgrad als irgendein regelbedingtes Ereignis innerhalb
des Spieles.» (Anm.4)
Für einen Spieler, d.h. einen ernsthaft sich mit seiner Existenz
auseinandersetzenden Menschen, der den Sprung zur Metaebene des Konzeptes der
Ich-Bewußtseins-Kontinuität nicht vollzogen hat, weil er es nicht kann oder nicht
will, kommt der Wechsel zur Luzidität im Schlafzustand des physischen Körpers
völlig unerwartet. Diese Möglichkeit scheint ihm sogar unlogisch, paranormal oder
krankhaft - wenn nicht sogar sinnlos - zu sein. Dies muß ihm so erscheinen. Denn es ist
unmöglich, ihm die Folgerichtigkeit dieses Wandels jemals innerhalb seines eigenen
Rahmens und in seiner eigenen Sprache zu beweisen.
«Seit Gödel 1931 sein berühmtes Unentscheidbarkeitstheorem auf der Basis der PRINCIPIA MATHEMATICA veröffentlichte, müssen wir ein für allemal die Hoffnung aufgeben, daß irgendein System, dessen Komplexität wenigstens der der Arithmetik entspricht (oder wie Tarski nachwies, eine Sprache derselben Komplexität), jemals seine eigene Geschlossenheit und Folgerichtigkeit innerhalb seines eigenen Rahmens (in seiner eigenen Sprache) beweisen kann. Dieser Beweis kann nur von außen erfolgen und beruht dann auf Axiomen, Prämissen, Begriffen, Vergleichen, usw., die das ursprüngliche System weder entwickeln noch beweisen kann, die aber selbst wiederum nur durch Rekurs zu einem noch weiteren Begriffsrahmen beweisbar sind, und so fort in einem unendlichen Regreß von Metasystemen, Metametasystemen, usw.» (Anm.5)
Nun ist der Satz «Die Ich-Bewußtseins-Kontinuität kann unabhängig vom Zustand des physischen Körpers bestehenbleiben» ein Satz über eine Gesamtheit, die vierundzwanzig Stunden des Tages umfaßt. Der Nachweis der Geschlossenheit und Folgerichtigkeit dieses Satzes kann aber nicht Teil der Gesamtheit sein - und ist deshalb nicht zu erbringen. Dieser Satz ist ein Axiom, ein nicht mehr weiter hinterfragbarer Grundsatz, aus dem sich weitere Aussagen ableiten lassen. Eine dieser Aussagen wäre dann die, daß es möglich sei, in einem Alptraum zur Luzidität zu erwachen ohne gleichzeitig auch den physischen Körper zu wecken. Auch die Möglichkeit, außerkörperliche (Anm.6) Erfahrungen zu machen, gehört zu den logischen Schlußfolgerungen, die sich aus dem Axiom der Ich-Bewußtseins-Kontinuität ableiten lassen. Deshalb kann man jetzt - ohne sich dabei in logische und theoretische Widersprüche zu verstricken - ruhig zu Bett gehen und einschlafen, ohne deshalb gleich unbewußt zu werden. Wie heißt es doch im Märchen: "Er legte sich unter den Baum, wachte und ließ den Schlaf nicht Herr werden." (Inhalt)
Das Erleben schamanischer und märchenhafter
Seelenfahrten (Anm.7)
Es war einmal im Jahre 1959, da hat Luise Resatz in Kiel am Internationalen Kongreß der
Volkserzählforscher ihren Vortrag «Das Märchen als Ausdruck elementarer Wirklichkeit»
mit folgender Bitte beendet: «Als Volkserzählforscher nicht immer nur der forschenden
Tätigkeit den Vorrang, sondern ebenso dem Erleben genügend Raum»
(Anm.8) geben, und
begründet ihr Anliegen so: «Gäbe es nur mehr Märchenforscher, aber keine Erlebenden
der 'unendlichen Substanz' mehr, die ihre ekstatischen Schauungen weiterreichen an das
Lebendige, so hätte auch das Forschen seinen Sinn verloren, denn es brächte nur
Unbelebbares den lebendig Toten. Den Sinn der Arbeit unserer Gesellschaft zur Pflege des
Märchengutes sehe ich darin, alles daranzusetzen, daß den Menschen die von der
Forschung so verdienstvoll neu erschlossenen Quellen so aufgeschlossen werden, daß sie
wieder aus dem Erleben heraus zu ihnen einen Zugang gewinnen».
(Anm.9)
Gab es nicht früher einmal eine Zeit, da waren die Leute fähig, ans Ende der Welt zu gehen
und zum Himmel hinaufzusteigen? Damals glaubten die Menschen eben noch an die
Möglichkeit, «durch ekstatische Visionen dem Wesen und der Ordnung der Dinge
nahe» (Anm.10)
kommen zu können, denn es bestand ein «Hang zur phantasmagorischen
Schau» (Anm.11).
Man kann - zumindest arbeitshypothetisch - davon ausgehen, daß gewisse
'Jenseitserfahrungen' einzelner Menschen allmählich in das Erzählgut bestimmter
Volksgruppen eingegangen sind und dann als Märchen bezeichnet wurden. Wenn es also
um die Erschließung von nichtalltäglichen Wirklichkeitsbereichen und um die Frage nach
den adäquaten Hilfsmitteln geht, müssen demnach die Märchen ganz besonders
berücksichtigt werden. Denn das im Erzählgut der Völker bewahrte und überlieferte
Wissen vermittelt eben systematische Kenntnisse über die Wirklichkeit nichtalltäglicher
Bewußtseinszustände. Und es gibt Orientierungshilfen, wie man sich in einem 'Jenseits des
Alltäglichen' zu verhalten hat.
Für mich wird es nun im folgenden darum gehen, einige Hinweise zu diesem Thema zu
geben - Impulse für eigene Betrachtungen und Überlegungen.
Die Bitte von Luise
Resatz führt weiter als man zunächst meint. Auch der Vorschlag von Heino Gehrts, es
müßte darum gehen, «uns die Augen zu öffnen für eine zugleich neue und seit alters
geübte Kunst, Welt und Erde und Lebenssinn unmittelbarer und tiefer zu erfassen - auf
eine zugleich wirklichkeitsangemessenere und märchenhafte Weise»,
(Anm.12) hat erstaunliche
Konsequenzen, vor allem in bezug auf die Erfahrungsgewißheit.
(Inhalt)
Nun erlaubt es das Weltbild, in dem ich aufgewachsen bin, nicht, z.B. beim Einschlafen
wach zu bleiben. Es besitzt auch keine Paradigmen, welche die methodischen Grundlagen
und Hilfsmittel liefern, bewußt einzuschlafen und im Schlafzustand luzid zu sein. Hätten
sich alle Märchengestalten damit abgefunden, wäre gar manche Geschichte ganz anders
ausgegangen. Ich erinnere nur an das Grimmsche Märchen "Der Trommler". Dort ist es
dem jungen Trommler nur deshalb möglich, seine Aufgabe zu erfüllen, weil er an der
Grenze zum Einschlafen wach bleibt. Und in "Die zertanzten Schuhe" hängt das Leben des
Soldaten davon ab, daß er im kritischen Augenblick nicht einschläft. Sogar in jenen
Märchen, in denen das wache Bewußtsein nicht ausdrücklich betont wird, zeigt das
überlegte, situationsgerechte Verhalten der weiblichen und männlichen Figuren, daß sie
die zauberische Welt mit wachem und klarem Bewußtsein betreten. Trotz - oder gerade
wegen - der Luzidität verlagert sich jeweilen die Handlung in die märchenhafte
"Anderwelt", werden die Schranken und Grenzen der gewohnten Wirklichkeit
aufgehoben.
(Inhalt)
Die Welt der Märchen gehört zum Erfahrungsbereich der Nacht und gehorcht anderen
Regeln als die Welt des Alltags. Die dafür verwendete Bezeichnung 'traumartig' droht vor
allem eines zu unterschlagen, nämlich die Tatsache, daß das Ich auch im sogenannten
Schlafzustand oder in 'Trance' stabil und koordinationsfähig sein kann - und zwar ohne
jegliche Abstriche. Bis heute wurde vielfach übersehen, daß schamanische und
märchenhafte Seelenfahrten nicht nur ganz bewußt erlebt werden können, sondern sogar
mit einem intakten, hellwachen Bewußtsein vollzogen werden müssen. Die Berechtigung
dieser Aussage wird sich leicht mit Hilfe eines Motivvergleichs feststellen lassen. Doch
bleiben die auf diese Weise gewonnenen Schlußfolgerungen immer noch vom
persönlichen Erleben isoliert. Aus dem (wissenschaftlichen) Wissen allein ergibt sich nämlich nicht
zwangsläufig eine Erweiterung des Erfahrungsbereiches, die den Menschen in seiner
Ganzheit betrifft. Ein Wissen, das persönlich nicht mit- und nachvollzogen wird,
verursacht nur eine Zerstückelung der personalen Existenz - und zurück bleibt ein in
seine Einzelteile zerlegter, atomisierter Zauberlehrling, dessen Initiation mit der
analytischen Zergliederung beendet wurde. In diesem Augenblick wird das subjektive
Erleben zu einer Frage des Überlebens, und das Verbot, ein bestimmtes Zimmer zu
betreten, muß seine Wirksamkeit unter allen Umständen verlieren.
(Inhalt)
Das Wissen um den verbotenen Raum
Im Chandogya-Upanishad 6.1.2f wird - man gestatte mir diesen Zeitsprung ins 6.Jhd.v.Chr.
- von Svetaketu gesagt, er habe die gesamte, sehr umfangreiche alte Tradition der
Brahmanen, d.h. den Veda, gekannt. Aber es gab einen Mann namens Uddalaka, der
Svetaketu etwas beibringen konnte, was der Veda-Kenner vorher niemals gehört hatte, (Anm.13)
obwohl der Veda als «die ewige Wahrheit selbst, unfehlbare Autorität, Richtschnur im
Leben, Quelle aller Erkenntnis» (Anm.14) galt - und dennoch schien es ein "höheres Wissen" zu
geben, das im Traditionellen nicht enthalten war.
Nun findet sich die gleiche Problematik
wie bei Svetaketu und Uddalaka - trotz räumlicher und zeitlicher Distanz - im
rätoromanischen Märchen "Die Prinzessin aus alter Zeit" (Anm.15): Prinz Gian, so heißt es in der
Geschichte aus dem Bündnerland, sei ein junger Mann mit einer Lebenseinstellung
gewesen, die vielen aus eigener Anschauung bekannt sein dürfte. Sein Vater hatte ihn
nämlich «studieren lassen, so viel und so lange, daß kein Schulmeister ihm mehr etwas
beibringen konnte» (Märchen).
Prinz Gian war demnach so etwas wie ein "summa-cum-laude Absolvent", der die besten Aussichten hat, in die Grundlagenforschung einzusteigen. Sein
Vater, der König (und gleichzeitig ein böser Hexenmeister), ließ «alles bekannt geben, was
der Prinz wußte und bemerkte dazu, wenn irgend einer wäre, der mehr wüßte als sein
Sohn, der Prinz Gian, so solle der sich bei ihm melden. Diese Mitteilung ist auch dem
Prinzen Gundi unter die Augen gekommen und er hat sich hingesetzt und hat dem König
geschrieben, er wisse drei Worte mehr als der Prinz Gian. Sofort hat der König den Prinzen
Gian zum Prinzen Gundi geschickt, damit er diese drei Worte lerne. Und es ist nicht lange
gegangen, da hat er sie gewußt.» (Märchen)
Ich selbst kam aufgrund meiner nächtlichen Erfahrungen und der Auseinandersetzung
mit der Weltanschauung der Mystiker, Schamanen und Tantriker zur Einsicht, daß es
Wissensquellen geben mußte, deren Rauschen nur außerhalb des traditionellen
universitären Rahmens bzw. irgendeines offiziell anerkannten Paradigmas und
Weltbildes gehört werden konnte. Ferner stellte ich mit großer Bestürzung fest, daß
dieses scheinbar bizarre und gespenstische Summen durch die fortschreitende
Entwicklung der Technik und die exaktere Anwendung der "digitalisierenden Rationalität"
- z.B. in Form der statistischen Analyse unter Ausschluß nicht-relevanter
Randbedingungen - immer mehr unterdrückt und schließlich sogar vollständig
ausgeschlossen wurde. Dennoch hat es bei mir lange gedauert, bis ich die Konsequenzen
aus der Tatsache zog, daß andere Menschen "drei Worte mehr wußten" oder "Dinge hörten,
von denen selbst die Gelehrtesten keine Ahnung hatten". Daß es sich dabei vor allem um
Erfahrungsbereiche handelte, die nur mit der entsprechenden erkenntnistheoretischen
Fragestellung erschlossen werden konnte, merkte ich erst später.
Anm 1: Watzlawick, Weakland und Fisch 1974:29.
Ich verdanke dem kommunikationstheoretischen Ansatz viele Einsichten und Formulierungen.
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Anm 2: Watzlawick, Beavin und Jackson 1969:214.
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