Engel und Teufel
Christentum und Schamanismus
Werner Zurfluh
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CR = Beiträge von Christoph Roos (Homepage)

Zur Erlebniswelt der Schamanen (und der Zaubermärchen) gehört der "Seelenflug", die schamanischen Reise. Dabei handelt es sich um eine "ekstatische Erfahrung" bzw. um die "Ausserkörperlichkeit" (AKE, OOBE). Manchmal geschieht sie mit Hilfe eines "flugfähigen Wesens". Dies kann ein Elementarwesen -- beispielsweise der Wind -- sein, aber auch ein Gegenstand (Hexenbesen, Mantel, Surfbrett, Teppich, Trommel usw.), ein Tier (Adler, Delfin, Drache, Gans, Libelle, Pferd, Schmetterling, Wolf, Ziege u. a.) oder ein Geistwesen. Letztere erscheinen manchmal als Dämonen, manchmal als Elfen, Feen, Gnome und -- speziell in einer vom Christentum geprägten Umgebung -- als Engel oder als Teufel.

Engel sind flugfähige, hilfreiche, wissenskundige und schützende Gestalten, die keineswegs ein "christliches" Aussehen haben müssen, denn "Hilfsgeister" sind dem Menschen seit jeher vertraut. Zur gallo-römischen Zeit war z. B. Succellus die populärste Gottheit der Westschweiz (von Basel bis Genf). Dieser "Engel" war ein bulliger, bärtiger Mann mit kurzem Rock und Stiefeln bekleidet. Er galt als Hüter der Geisterwelt und zuverlässiger Führer zur Anderswelt und wurde meist von einem Hund mit drei Köpfen begleitet. Das Aussehen des Succellus zeigt, dass der Übergang zu einem "teuflischen Wesen" relativ fliessend und vor allem eine Frage des Standpunktes bzw. der Religionszugehörigkeit ist.

Da die Funktion der Schutzgeister und Hilfsgeister der Schamanen in etwa dieselbe ist wie die der Engel, muss nicht in erster Linie zwischen totemistisch, schamanistisch und christlich unterschieden werden. Aber selbstverständlich kann das getan werden. Auch das Geschlechtszugehörigkeit lässt sich hinterfragen, denn der Schutzgeist des Mannes ist manchmal ein weibliches und der des Weibes ein männliches Wesen. Es besteht auch ein Zusammenhang mit dem Problem der Verkörperung des Geistes der Ahnen, der Schattenproblematik, dem Doppelgänger bzw. dem alter Ego, dem Zweitkörper und dem mit den Instinkten verbundenen, inferioren Teil der Persönlichkeit. Nicht zu vergessen sind die gefallenen Engel, die Todesengel, die "Angels of Darkness" oder z.B. die "Hells Angels".

Allerdings geht es für mich nicht darum, z. B. religionshistorisch und völkerkundlich relevante Materialien beizubringen und diese "theoriekonform" in ein gängiges Vorstellungssystem einzubauen. Statt dessen erzähle ich von meinen Erfahrungen und den Versuchen, die Konsequenzen aus dem zu ziehen, was ich erlebt habe - also auch von den Versuchen, mit diesen Wesen umzugehen und den Kontakt mit ihnen zu vertiefen -- und dem Bemühen, ein einseitig dualistisches Denken zu transformieren.

Am 23. Februar 1976 unterrichtet mich in einer Anderswelt ein freundliches Geistwesen. Es weiss um meinen momentanen "ausserkörperlichen" Zustand und anerbietet sich, mir das Fliegen beizubringen. Als Gegenleistung habe ich einen Auftrag zu erledigen und muss zeigen, dass es mir gelingt, mich vom Wind eine gewisse Strecke knapp über dem Boden mit Hilfe eines A4-Papierblattes davontragen lassen. Auf derartigen Blättern beschreibe ich übrigens die nächtlichen Erfahrungen -- und oft ist dies sehr arbeitsintensiv.

Nach ein paar Minuten weht es mich durch ein schmales Tal bis hin zu einer etwa 100 Meter hohen Felswand. Eine Sackgasse! Nun ist es windstill. Ich bin gezwungen zu landen und blicke frustriert nach oben. Es scheint unmöglich, die Wand zu erklettern. Nur fliegend kann sie überwunden werden. Also warte ich auf einen Luftzug. Endlich kommt einer. Und so lasse ich mich etwa zehn Meter in die Höhe tragen. Doch plötzlich verklingt der Wind wieder und ich sacke nach unten. Es ist sogar zu befürchten, dass bei einem Windstopp mitten in der Wand der Fall zu hoch sein wird und mit einem A4-Blatt als "Fallschirm" nicht mehr gebremst werden könnte. Trotz dieser Gefahr lasse ich mich vom nächsten Windstoss weit hinauf tragen - bis unter den überhängenden Rand der Felswand. Sofort umklammere ich den Felsvorsprung und ziehe mich hoch. Beim Festhalten bricht er sogleich ab und saust an mir vorbei nach unten. Auch ich sacke ein Stück weit ab und sehe jetzt, dass es sich beim Felsvorsprung um einen mächtigen steinernen Engel -- eine Art Hüter der Schwelle -- handelt!

(Eines der grössten Hindernisse in Bezug auf das BEWUSSTE Erleben der nächtlichen bzw. märchenhaften und schamanischen Erfahrungswelten ist die unhinterfragte Identifizierung des Ichs mit dem materiellen Körper. Denn daraus ergibt sich jene totale "Bewegungslosigkeit", die der steinerne Engel treffend zu Ausdruck bringt. Die "Seele" bleibt in den Körper eingekerkert und ist prinzipiell flugunfähig. Ein "materiell" konkretisiertes Weltbild ist nur schwer zu überwinden und wirkt wie ein "Hüter der Schwelle". Es entmutigt und hält prinzipiell davon ab, trotz des schlafendem physischen Körpers wach und somit bewusstseinskontinuierlich zu bleiben. Wenn es darum geht, "spirituelles Erleben" zu verhindern, erweist sich die Identität des Ichs mit dem Körper als ein perfektes und äusserst perfides Mittel.)

Ich frage mich, ob der steinerne Engel Teil eines Daches einer riesigen Kathedrale gewesen sein könnte und -- wie etwa eine Engelsstatue auf einem Grab -- die Aufgabe hatte, einen Ort tiefster Spiritualität nach aussen hin abzuschirmen. Doch erodierte er im Laufe der Zeiten und wurde brüchig. Um meinen Verdacht zu überprüfen, starte ich senkrecht nach oben und überfliege in etwa 200 Metern Höhe das Gebiet. Tatsächlich ist unten ein mächtiges, in der Erde "eingesenktes" Gebäude zu sehen, eine Art ins Gestein eingehauene Kirche.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, fliege ich zurück und lande inmitten der eher elliptischen Anlage. Kurze Zeit später kommt ein Mann, mit dem ich über die halb zerfallene Anlage sprechen kann. Er wirkt auf mich wie ein Seelenführer (Psychopompos). Und noch während unseres Gespräches verwandelt sich die Kathedrale. Der Marmorboden wird wieder sauber und glänzend. Dasselbe gilt für die Wände. Das Täfer und die Schnitzereien erstehen in vollster Pracht. Dann auch das Dach. Es besteht aus quadratischen Platten. Das Holz leuchtet von innen heraus in einer warmen, goldbraunen Farbe. -- Ein sehr schöner und still machender Eindruck.

In einem Nebensaal, dessen Pforte sich unerwartet öffnet, sehe ich einen König und eine Königin - und eine Art von Altarstein. Ich kann nicht begreifen, worum es geht, aber ich werde von den beiden gerufen und merke erst jetzt, dass ich nicht zufällig hierhin geraten bin, denn mir wird folgendes gesagt: "Du hast an dieser Stätte eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen!" Ich bin bereit, bei diesem Geschehen mitzuwirken.

Die Aussage, dass an einem Geschehen an einem bestimmten Ort mitzuwirken sein wird, verbindet den Auftrag eindeutig mit einen spirituellen Bereich fernab weltlicher Belange. Diese Zuordnung entstammt "seelischen Urgründen", ist Ausdruck einer genuinen Erfahrung und authentisch. Allerdings muss sie zuerst einmal als solche erkannt und vor allem anerkannt werden. Sie ist zudem ein Hinweis darauf, dass es für das Ich nicht darum geht, das Spirituelle (das insbesondere als "nächtliche Erfahrung" erleb- und sozusagen greifbar wird) in fest gefügte Ordnungen, Formen und Regeln einzugliedern und nach eigenem Gutdünken zu interpretieren. Ganz im Gegenteil! Es geht darum, an der Wiederherstellung einer Ordnung mitzuwirken, welche die materielle UND die spirituelle Wirklichkeit umfasst.

Wenn sich eine Störung beispielsweise in Bezug auf das spirituelle Erleben eingeschlichen hat, wird das Leben eindimensional. Wenn die Kontinuität des Bewusstseins aufgrund von Verdrängung zerbricht und eingeschränkt wird, geraten Alltag und Nacht aus dem Gleichgewicht. Nun ist die Fähigkeit zur Harmonisierung gefragt -- unter Umständen sogar mit den Mitteln der bewusst vollzogenen Kompensierung eines einseitigen Zustandes.

Dass sogar normale Träume zu diesen Mitteln gehören, scheint allerdings zu nahe liegend, um ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden. Was den nächtlichen Erfahrungsbereich betrifft, dominieren Unwissenheit und Unmündigkeit. Viele können sich nicht einmal vorzustellen, dass das bewusste und verantwortliche Ich auch in den Schlaf bzw. in die Nacht hineingetragen werden kann.

Es ist offensichtlich, dass direkte, authentische Begegnungen mit dem Spirituellen relativ selten beschrieben werden. Dasselbe gilt übrigens für schamanische Erlebniswelten. Die mit der Gestalt des Schamanen verbundene Erlebniskultur löste sich in dem Masse auf, wie sich die Zivilisation des weissen Mannes über die Erde hinweg ausbreitete. Ebenso ging -- gleichzeitig und ganz unabhängig vom Verschwinden des Schamanismus als einer speziellen Form von Ekstasetechnik - das Wissen um das Erfahrungsfeld der "Ausserkörperlichkeit" verloren.

Wird die Auffassung beibehalten, Wachbewusstsein sei auf den Tag beschränkt und allemal mit dem Wachzustand des physischen Körpers identisch, bleibt der bewusste bzw. der bewusstseinskontinuierliche Zugang zu sämtlichen nächtlichen Erfahrungsdimensionen versperrt. Wird diese Vorstellung aufgegeben, kann der Mensch sozusagen abwechslungsweise bzw. ergänzend in verschiedenen Welten leben und zwischen der göttlichen und der irdischen, zwischen der heiligen und der profanen Welt vermitteln. Praktisch bedeutet dies, dass mit einem intakten Ich- Bewusstsein sowohl in der Alltagswirklichkeit als auch in einer - oder sogar mehreren - anderen, d.h. nichtalltäglichen Wirklichkeiten gelebt werden kann.

Die Funktion des Ausgleichs zwischen den Welten beruht allerdings nicht auf dem Zustand der Ekstase. Auch die Vermittlungstätigkeit z. B. eines Schamanen ist niemals die direkte Folge einer bestimmten Ekstasetechnik. Der ausserkörperliche Zustand, der mit der Ekstase wesensidentisch ist, ist niemals die Ursache für das ausgleichende (!) Wirken zwischen einem "Diesseits" und einem "Jenseits". Gleiches gilt für die Techniken des Austritts. Ekstasetechniken und ausserkörperlicher Zustand können zur Ausübung schamanischer Funktionen verwendet werden, wenn das gesellschaftliche Umfeld dies erlaubt und ermöglicht. Sie können aber auch "schwarzmagisch" und "manipulativ" eingesetzt werden, wenn egoistisches Machtdenken im Vordergrund steht -- und nicht im Entferntesten daran gedacht wird, Mensch und Umwelt heil zu machen und in die kosmische Harmonie einzugliedern.

(CR April 2003) Auf einem (Laub-) Blatt fliegen u. a. auch Trickfilmfiguren. Und in langweiligen Schulstunden haben wohl schon viele ein Blatt Papier gefaltet. Dabei ging es bloss darum, das Ding richtig zu falten, damit es flog -- OHNE dass die technisch-wissenschaftlichen Gesetzmässigkeiten bekannt sein mussten. Gewissermassen instinktiv fliegen und die Gesetzmässigkeiten erfassen, OHNE die intuition "fallen" zu lassen und sich an "materialisierten" Vorstellungen z. B. in Form versteinerter Darstellungen (Engelsfigur) festklammern und nach oben ziehen zu wollen. Denn derartige Konkretisierungen brechen ab und sausen hinunter. Dies könnte auch ein Hinweis auf ein subtiles in der "Schwebe" halten der beiden Modi sein.

Das "Sauberwerden" der Marmorplatten und anderer Dinge in der Kathedrale bedeutet wohl auch ein "Sich-Klären" im dem Sinne, dass Staub und Schmutz eine "Trübung" des Blickwinkels zur Folge hatten. Und diese verschwindet in dem Masse, wie das "klärende" Gespräch mit dem Psychopompos sich entwickelt.

In Märchen führt oft ein "unreflektiertes", spontanes, nicht-zielgerichtetes Handeln eher zum Erfolg. So unternimmt z. B. der Dummling keinerlei eigene Anstrengung und versucht weder Gesetzmässigkeiten zu ergründen noch versucht er, das Geschehen willentlich zu beeinflussen. Er überlässt dem Wind die Entscheidung und lässt von ihm die Richtung vorgeben und sich dorthin "tragen" führen oder treiben, wohin dieser weht.

Der Engel als ein Wesen der oberen Welt "ragt" wie eine Grab-Engelsstatue über die materielle Welt "hinaus" und macht gleichzeitig auf eine Gruft bzw. eine Höhle, ein Grab oder eine unterirdisches Gewölbe aufmerksam -- und schirmt diesen unteren Bereich als ein "Hüter der Schwelle" ab.

Wird die Fragestellung auf Wertmassstäbe der materiellen Welt reduziert und die Lösung innerhalb eines bekannten Rahmens gesucht, versteinert der Übergang automatisch und jede Art von Transzendierung wird ausgeschlossen. Die Ekstase als Zustand der Ausserkörperlichkeit (OOBE) muss als "Flucht vor der Wirklichkeit" dargestellt werden. Dabei wird Wirklichkeit mit Alltagsrealität gleichgesetzt und auf diese reduziert. Das ist eine äusserst fatale Einschränkung.

In "Reise hinter die Finsternis" (Carlo Zumstein, Ariston 1999 S. 29) formuliert eine depressive Klientin ihren Zustand so: "Ich bin in einem schwarzen Loch, einem Niemandsland, da ist nichts, und es führt nirgendwo hin. … Da ist ein Tunnel, und am Ende dieses Tunnels ist eine hohe Mauer, ohne Ritzen, viel zu hoch … (um sie) zu überklettern. Es zieht mich immer wieder dort hinein. Ich kann es nicht lassen, in diese Höhle zu gehen. ... Ich verschleudere meine ganze Kraft. Eigentlich ist es ja nur ein Loch, in das ich versinke." Die Frau fühlt sich von einer geheimnisvollen Kraft in einen dunklen Tunnel gezogen, der in der Tiefe verschlossen ist und ihr den Zugang zu einer Sphäre versperrt, von der sie nur eine dumpfe Ahnung hat.

Zumstein erzählt, dass er selber sich durch schamanische Reisen vor weiteren Depressionen hat bewahren können. Die Klientin reagiert misstrauisch und meint: "Ich beschwöre gleichsam leichtsinnig den Sog ins dunkle Loch herauf." Ihr ist die Vorstellung fremd, die Seele absichtlich in die Finsternis zu schicken. Sie empfindet das als ein "sich gehen lassen" und fürchtet, dann endgültig weg von den andern, ihrer Familie und der realen Welt zu sein.

Auch eine andre Frau schildert ihre Depression als Sturz in ein schwarzes Loch. "Hat dieses Loch einen andern Ausgang?" wird sie gefragt. Die Antwort, nach etlichem Zögern: "Ich habe mir schon oft gewünscht zu sterben!" weist ganz klar auf die strukturellen Bedingungen hin, die es verhindern, den Todeswunsch zu transzendieren bzw. die "Ekstase" als mehr als nur eine Wirklichkeitsflucht darstellen.

Eine weitere Klientin meint: "Ohne meine Depression könnte ich gar nicht in die Tiefe reisen, Sie nehmen mich ganz aus der Alttagswelt. Sie befreien mich von all den Zwängen und Pflichten." -- Zumstein bringt dann Autobiografisches und meint dann: "Schlaf ist unser freiwilliger Gang in die Finsternis. Aber die Kraft treffen wir erst am andern Ende der Finsternis. In den Träumen scheint sie auf."

Das DIN A4 Blatt ist eine Art Zwischenebene, auf der etwas fixiert wird, das von hier nach dort (im Sinn eines Briefes, einer Botschaft) gesendet werden kann. Es ist ein Vehikel, mit dessen Hilfe Grenzen zu überschreiten sind. Wie Zeichnen, Schreiben, Bildhauern und Musik komponieren -- es geht immer in die Richtung von "im Diesseits etwas fixieren" das seinen Ursprung (auch) im Jenseits hat. Es muss aber auch auf das Diesseits (mit-) angepasst werden und offen bleiben für Wechselwirkungen. Die DIN A4 Papierblätter sind Träger und Vehikel von all dem, was durch Protokollieren der nächtlichen Erfahrungen in diese Daseinsebene herübergebracht wurde bzw. werden konnte. Ohne sie wäre alles längst vergessen oder zumindest verblasst - und niemand würde davon wissen. Sehr wichtig ist auch, dass es dank dieses Blattes bzw. eben der eigenen Erlebnisse möglich wird die "Sackgasse" des linear-horizontalen Vorgehens zu überwinden und hochzufliegen. Damit werden die vertikalen Koordinaten miteinbezogen und das "Tor zur Multidimensionalität" öffnet sich.)

(Mail von Abraham Goebel 25.4.03)
Zum Thema A4 Blatt möchte ich Ihr Augenmerk auf die folgenden Seiten lenken:
Exceptional Measures und
A closer examination of the Genesis/A4 enigma.
Gen. 1, 1 ("Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.") setzt sich im hebräischen Text aus 7 Worten zusammen.
Diese 7 Worte haben die folgenden Zahlenwerte: 913, 203, 86, 401, 395, 407, 296, 302
Ein Din A4 Blatt ist normiert auf 297mm x 210mm und steht mit den Zahlenwerten aus Gen 1,1 in einem ganz erstaunlichen Zusammenhang.
Ferner steht das Din A4 Blatt auch in einen Zusammenhang mit der Zahl 666 aus Offenbarung 13:18.
Insofern ist der Titel Ihres Artikel mit "Engel und Teufel" ganz treffend gewählt.
Ein Freund von mir (Stan Tenen) forscht seit über 30 Jahren "into the origin and nature of the Hebrew alphabet, and the mathematical structure underlying the sequence of letters of the Hebrew text of Genesis."
Er ist davon überzeugt, daß die Sequenz der Buchstaben in Gen 1,1 u.a. eine Meditation darstellt, bei der es möglich ist, seinen Bewußtseinszustand zu verändern, so daß man bspw. außerkörperliche Erfahrungen machen kann.

Von der Begegnung mit dem Teufel und dem Eingriff der Engel handelt das Geschehen vom 22. September 1978.
Christliche Engelsvorstellungen sind wohl auf mazdaistisch-zoroastrische Vorstellungen zurückzuführen und knüpfen direkt an jüdische Traditionen an (Hinweis von Linard Bardill). Engel als Boten Jahwes, die vielleicht sogar einen Bezug zu nichtisrealitischen Göttern haben. Engel als Beschützer und Bewahrern (Ps. 34, 8; 91, 11 f.), als Verderben anrichtende Wesen (2. Sam 24, 6). Hesekiel schaut viergesichtige, halb-menschlichen Wesen mit vier Flügeln um den göttlichen Thron (Hes.1, 5 ff.). Als Wächter des Paradiesgartens nach der Vertreibung des Menschen treten die Cheruben auf (Gen. 3, 24) -- ähnlich auf dem Gottesberg (Hes. 28, 14). Hier scheinen Vorstellungen nachzuwirken, die in babylonischen Bildern von tiergestaltigen Schutzgeistern mit Menschengesicht zum Ausdruck kommen. Auch die Bundeslade wird von Cheruben mit ihren Flügeln geschützt (Ex. 25, 18-22). Im Hinblick auf die Erfahrung vom 22. September 1978 ist dies doch erwähnenswert.

Es ist eine Frage der Gewichtung und Ausschliessung, ob Engel als himmlische Boten der alles beseelenden Schöpferkraft, den die Christen Gott nennen, vom direkten Erleben ausgeschlossen werden. Erstaunlicherweise wurden Priester zu "Verwaltern theoretischer Vorstellungen" und vernichteten mit ihrem theologischen Denken sozusagen systematisch das "lebendige mystische Erleben", das z.B. die Druiden und Schamanen als Mittler und Boten des "Göttlichen" zu leben und in den Alltag umzusetzen versucht haben. Dem persönlichen Erleben nicht-alltäglicher Wirklichkeiten ist durch die Priesterschaft jede Art von Existenzberechtigung abgesprochen worden.

(CR April 2003) Ob der Teufel vom 22. September 1978 wirklich nur deshalb in die Hölle locken will, damit die Kontinuität des Bewusstseins (BK) verloren geht, mag fraglich scheinen und eine böswillige Unterstellung sein. Es wäre nämlich daran zu denken, dass Märchen oft von einem Teufel als einem gutartigen, dem Los des Menschen zielgerecht dienstbaren Wesen erzählen, das einen Zusammenhang mit chthonischen, der Erde verhafteten Geister -- im Gegensatz zu uranischen (himmlischen) -- vermittelt. So gesehen hat sich aus der Begegnung mit dem Teufel die Gelegenheit ergeben, die BK zu testen und die diesseitigen Voreingenommenheiten kritisch zu überdenken, ohne deshalb zwingend in die Hölle gehen zu müssen.

Die beiden Engel hingegen zeigen dem Teufel die momentanen Grenzen auf. Es gibt zwar ausserhalb bzw. unterhalb des eher "oberirdischen" Rahmens noch andere Gesichtspunkte, aber es gibt auch die Möglichkeit der Überforderung. Nicht übersehen werden darf die tatsächliche Komplexität des "Höllischen", das luziferisch- erkenntnissuchende Moment, das "plutonische", das, was der bocksfüssige Pan verkörpert, das materialistisch-ahrimanische oder das Problem des wilden Jägers, der wohl mit Wodan verbunden ist. Das alles und viel mehr hat sich zum christlichen Teufelsbild konfiguriert und müsste nun ausgelotet werden.)

Letztlich bleibt die Verbindung zum schamanistischen Denken doch bestehen etwa in Form der "Volksfrömmigkeit". Naiv zwar und oft abergläubisch, "hexen- und kräuterkundig", unausgegoren und sektiererisch -- aber als ein vages Sehnen doch irgendwie begreifbar. Denn schliesslich gab es Naturverbundenheit schon seit jeher. Das christliche Weltbild als solches, in dem Engel als schützende und hilfreiche Wesen immerhin bekannt sind, ist nicht schamanistisch. Das Christentum "leugnet" sogar -- im Gegensatz zum Schamanismus --, dass die Erde die Mutter des Menschen ist. Es achtet die Tiere nicht als Geschwister des Menschen, betrachtet Pflanzen und Steine nicht als Verwandte und missachtet die Ahnen als Ratgeber. Und trotzdem gibt es "Lücken im Rational-Konfessionellen" etwa in Form von -- so banal das nun auch scheinen mag -- Wanderwegen, Bachblütentherapie, Esoterikkursen und Zoobesuchen.

Am 18. April 1981 bummle ich in einer mir vertraut und dennoch irgendwie unbekannt scheinenden Stadt auf einer Strasse. Die Stimmung ist still, friedlich und "weltfremd" -- beinahe schon provinziell im Sinne von "abgehoben" und alltagsfern. Auf der einen Seite stehen kleine Häuser mit Vorgärten, auf der anderen ist ein kleiner See. Ein etwa zehn Meter hoher, mit Gras und Bäumen bewachsener flacher Damm bildet die Grenze. Ein warmes Lüftchen streicht sanft übers Gras und bewegt die Blätter. Es gibt da auch einige verstreut herumliegende Dinge, die ich schon lange nicht mehr bewusst wahrgenommen habe, u. a. ein ganz merkwürdiges und kompliziert gebautes Gebilde.

(CR April 2003) Die Stimmung der Eingangssequenz wirkt "verschlafen" Ob da etwas zu finden sein wird, das bislang verschlafen wurde?)

Es ist ein mit viel Leder überzogenes und mit Spannfedern ausgestattetes mechanisches Ding, an dem Kung Fu Techniken geübt werden können. Vor Jahren -- als ich mit dem Kampf-Training begann -- hat es ein mir bekannter Mann hier aufgestellt.

Erinnert an die Holzpuppe, die Sennenpuppe (Eines Tages kamen Alpknechte auf die Idee, sie sollten auch ein Weibervolk haben. Darum küferten sie aus alten Lumpen, Stroh und Holz einen grossen Toggel zusammen und legten ihm Weiberkleider an. …) Weitere Bedeutungsebenen könnten in Bezug auf ‚subtle body'‚ Scheinkörper, Ersatzkörper, Phantomkörper, Homunculus und den Wechselwirkungen zwischen den Körpern bestehen (vgl. auch Das Problem der Erschliessung, Der Fluch der Anderwelt und Rache, Folter und Initiation ).

Nun probiere ich ein paar Nahkampftechniken mit dem Apparat aus -- es gelingt sehr gut. Bei all den Abwehrtechniken erinnere ich mich wieder an alte, schon vergessen geglaubte Zeiten. Und ich erinnere mich vor allem an alte Träume, die ich damals nicht aufgeschrieben hatte.

"Der Mann hat sie! Er hat zumindest die Kurznotizen!" schiesst es mir durch den Kopf. "Ich muss ihn unbedingt aufsuchen und wieder Kontakt mit ihm aufnehmen. Aber wo wohnt er? Adresse und Name sind mir bekannt, aber nicht den Weg. Er heisst ‚Hell'! Wo lebt er?"

Irgendwie gerate ich bei diesen Überlegungen in eine Sackgasse in Form einer Kachelwand und fahre nun auf einem Velo.
"Aha, typisch -- nun wird's kompliziert. Kaum will ich selber etwas tun und mich nicht einfach dem Geschehen überlassen, blockiert mich ein ideoplastisches Gewirr und wird zu einem festen "Nebel", der alles mit einem Netz eigener Gedanken überzieht. Was nicht ganz in einen automatisch ablaufenden Traum rein passt, luzid beeinflusst und irgendwie bewusst gesteuert wird, baut sich als durchstrukturierte Mauer auf."

Dank meiner Luzidität weiss ich sogleich, was zu tun ist, halte inne und bleibe vor der Kachelwand stehen -- die "Welt wird angehalten". Dann gebe ich mir innerlich einen "Ruck" und gerate mitsamt dem Velo in einen anderen Schwingungszustand. Praktisch heisst das, dass ich einfach daran denke, in einen anderen Schwingungszustand zu kommen -- ohne zu wissen, wie das getan werden muss und weshalb das funktioniert.

Auch das Velo schwingt offensichtlich anders, denn das Vorderrad durchdringt die feste Wand. Nun ist es tatsächlich möglich, die Mauer zu durchdringen bzw. DURCH die Mauer hindurchzugehen.
"Bestens! Ich werde problemlos weiter kommen! Eine Sackgasse lässt sich also auch auf diese Weise überwinden -- in der Horizontalen!"

Erleichtert radle ich geradeaus weiter bis zu leeren Blumenbeeten. Sie sind für das Einpflanzen vorbereitet und müssten eigentlich umfahren werden.
"Wenn es mir gelingt, schwerelos zu werden und zu levitieren, kann ich mitten durch die Anlagen fahren und so den Weg zum ‚Hell' abkürzen. Derart leicht sein, dass keine Spuren zurückbleiben! Gedacht, getan -- schliesslich bin ich ja luzid und kann verantwortlich handeln."

Dann stoppe ich die Fahrt und schaue zurück.
"Uff -- die Sache hat wohl nicht so ganz geklappt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Es hat eine Spur gegeben. Zwar nicht eine allzu tiefe, aber eben doch eine. Merkwürdig, dass es dieses Mal nicht geklappt hat. Weshalb nicht? Aber jetzt ist nicht die Zeit, dieser Sache nachzugehen, denn ich muss unbedingt wegen der 'verlorenen' Träume zum Herrn ‚Hell' gelangen."

Da liegen -- wie ich jetzt bemerke -- etwelche Bücher am Strassenrand. Ich steige vom Velo und schaue sie mir an, denn vielleicht ist in einem der Bücher ein Hinweis auf den genauen Aufenthaltsort von ‚Hell' zu finden. Die Bücher enthalten zwar viele Stadt- und Dorfpläne, aber bloss solche, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht brauchbar sind. Endlich, nach einigem Hin und Her finde ich doch einen Ortsplan bzw. einen Hinweis, der zutreffend zu sein scheint. Das freut mich ungemein und sogleich singe ich ein Lied und trällere ein Wortspiel mit 'Hell' als Name, als Adjektiv und als Bezeichnung für 'Hölle' so à la: "To the hell with Mr. Hell."

Trotz allem ist es recht schwierig, den Weg zu finden, zumal das Haus ziemlich abgelegen in einer wahrlich wilden und abenteuerlichen Landschaft steht. Nur zu Fuss geht es jetzt auf einem schmalen Weg weiter. Schritt für Schritt geht es hinab in eine "Unterwelt" zu einem -- wie es scheint -- verwunschenen See mitten in einem dunklen, düsteren Wald. Als nächstes schlängelt sich der Pfad zwischen hohen Felsen durch schmale Schluchten und enge Höhlen. Dann verzweigt sich der Weg. Der eine geht links hinauf, der andere verläuft zwischen engen Felsen nach rechts ein wenig hinauf und dann wieder hinunter. Dort muss das Haus von ‚Hell' sein!

Da kommt von links ein hübsches, engelhaftes Wesen und sagt:
"Bitte, geh nicht den Weg zum ‚Hell' hinab!"
Gleichzeitig kommt der ‚Hell' und zeigt mir alte Papierblätter, worauf Träume notiert sind. Ich schaue mir die Zettel an und merke, dass ich sie selber geschrieben und dass es sich exakt um jene Notizpapiere handelt, die ich vergessen und verloren hatte.

Nun entspannt sich ein lebhaftes Gespräch. Dabei kommt heraus, dass der 'Engel' recht haben könnte, denn ‚Hell' scheint doch irgend etwas Intrigantes vorzuhaben. Er macht auf jeden Fall keinen besonders Vertrauen erweckenden Eindruck. Die Sache wird doch noch sehr genau überlegt werden müssen. Sollte ich zum Hell hinunter gehen, müsste das mit grösster Vorsicht geschehen, denn es könnte eine jede Menge Fallen ausgelegt sein. Der 'Engel' macht mir zwar einen besseren und ehrlicheren Eindruck, aber ich kenne seine Motive nicht. Möglicherweise sieht er den ‚Hell' auch nur durch eine besondere Brille. Es gilt, auf beide Seiten zu hören und auf dem Boden zu bleiben bzw. mich nicht einfach vorbehaltlos der einen oder der anderen Seite zu verschreiben. Gefühlsmässig tendiere ich eher nach "links" hinauf, aber andererseits darf ich den Hell nicht einfach "rechts" liegen lassen. [Von mir scheint hier eine VERMITTELNDE Rolle gefordert zu sein.]

(CR April 2003) Wird "hell" mit "lucidus" (Hellschlaf) übersetzt, bekommt die Bitte des Engels eine ganz andere Bedeutung als wenn ‚Hell' als ‚Hölle' verstanden wird. Es spielen intriganterweise beide Lesarten eine Rolle. Dem Engel ist wohl mindestens ebenso wenig zu trauen wie dem Teufel.)

Das Einüben von Techniken zielt ja darauf ab, dass der Körper Reflexe "automatisert" und man nicht mehr mit dem Kopf nachdenkt, sondern "offen" sich auf das Kampfgeschehen einlassen und frei und situationsgerecht reagieren kann. Ansonsten wird's "verkachelt" und völlig verkehrt angegangen, weil die eigenen (ideoplastischen) Vorstellungen dominieren. Wie bei einem Musikinstrument kann erst frei improvisiert werden, wenn die technische Seite reflexartig beherrscht wird.

Gerade die "Querbeetsequenz" zeigt, dass die "Gesetze der Erdanziehung" nicht zu übertölpeln sind, denn merkwürdigerweise hinterlässt das Velo eine Spur. Hinweis auf Wechselwirkungen ungeahnten Ausmasses, weshalb solche spielerischen Experimene tunlichst zu unterlassen sind. "Es gilt, auf dem Boden zu bleiben" und die empfangsbereite Erde zu achten. Das fliegende Velo setzt sich aber leichtfertig über etwas hinweg, das zu beachten wäre. Das Velofahren ist wieder eine lineare Vorgehensweise, sozusagen mit übersetztem Tempo.

Ja, und über die Mittlerfunktion zwischen unterer, mittlerer und oberer Welt, die ein Schamane zu erfüllen hat, wäre wohl am Scheideweg auch nachzudenken. Es geht nicht um ein "Entweder-Oder", sondern um ein "Sowohl-Als auch". Die Welten sind sinnvoll aufeinander bezogen. Diese sinnvolle Bezogenheit verständlich zu machen ist ja wohl eine Funktion mythischen Erzählens.

Die Auseinandersetzung mit ‚Hell' als ‚Hellschlaf' und die damit verbundenen erkenntnistheoretischen Fragen verlangen nach einer Auseinandersetzung mit dem "mechanistischen" Denkapparat bzw. Weltbild (dem Kung Fu Gerät). Zumindest anfänglich bedeutet das ein Kennenlernen und dann aber auch ein Zerstückeln der alten "materialistischen" Vorstellungen.

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