Das Erstrahlen des Diamantkörpers Mandala der Fünf Dhyâni-Buddhas Werner Zurfluh |
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Die folgenden Ausführungen
beruhten zunächst auf den Beschreibungen im Text
Mandala
of the Five Dhyani-Buddhas. Aufgrund vieler im Internet zu findenden
Hinweise und insbesondere der von Lama Anagarika Govinda
in seinen Schriften gegebenen Erläuterungen zeigte es sich jedoch bald,
dass das Original nicht 1:1 übersetzt werden konnte, sondern unter
Benutzung von Govindas Grundlagen der tibetischen Mystik (Zürich:
Rascher, 1956) und Schöpferische Meditation und multidimensionales
Bewusstsein (Freiburg i.B: Aurum, 1977) erweitert und ergänzt
werden musste. Die Komplexität der Thematik ist allerdings derart "gigantisch",
dass ich die LeserInnen nur bitten kann, diesen Text mit einem freundlichen und
wohlwollenden Lächeln zu lesen. Die folgenden Zeilen sind wirklich bloss
der Ausdruck meiner bruchstückhaften Annäherungsversuche an
jahrtausendealte Meditationserfahrungen. Es ist allerdings unmissverständlich
darauf hinzuweisen, dass die hier erwähnten Dinge derart eng mit der Frage
der Inner- und der Ausserkörperlichkeit, dem luziden Träumen und
letzten Endes mit dem Nachtodeszustand verbunden sind, dass es sich allemal
lohnt, sich intensivst mit ihnen auseinanderzusetzen. Etwas dramatisierend
gesagt: Das Wissen um diese Dinge ist eine Frage des Lebens und Überlebens.
Jene, die an Bildmaterial interessiert sind, mögen sich bitte das Poster of The Five Dhyani-Buddha ansehen, die Images of Enlightenment und - vor allem - die Homepage des Tharpa-Verlages (Dennlerstrasse 38, CH-8047 Zürich). Beim Tharpa-Verlag können ausser den Büchern von Geshe Kelsang Gyatso auf deutsch und englisch auch Poster, Karten und Statuen bestellt werden.) |
Jeder Mensch sieht eines Tages in der Ferne, z.B. in einem dunklen Wald oder einem Bachbett bzw. in seiner Seele, etwas aufblitzen. Oder er stolpert und stürzt, schlägt mit dem Kopf auf den Boden und wird auf etwas aufmerksam, was zuvor nicht gesehen werden konnte. Wird dem punktförmigen Aufleuchten nachgegangen, ist etwas zu finden, denn es kommt zu einer "Widerspiegelung des Seelischen".
Weil schon viele Menschen aufmerksam und genauer hingeguckt haben, können sie erzählen, dass dieser Spiegel der Seele, den sie die "Weisheit des Grossen Spiegels" nennen, uns die wahre Natur unserer selbst und unserer Stellung in der Welt enthüllt. Mittels meditativer Erschliessung dieses Spiegels wird unsere Stellung in der Welt und im gesamten Kosmos zur Entfaltung gebracht, und es lässt sich die essentielle Einheit des Lebens und unsere Solidarität mit allen anderen empfindenden Wesen erfahren.
Die das sagen, haben ihre Schauungen und ihre Erkenntnise der gegenseitigen Bezogenheit und Abhängigkeit aller Formen und individuellen Lebewesen beispielsweise im Mandala der Fünf Dhyâni-Buddhas dargestellt.
Im Mandala der Fünf Dhyâni-Buddhas kommt die gesamte Welt in ihrer kosmischen Grösse zur Darstellung -- gleichzeitig aber auch der innere Kosmos eines jeden einzelnen Menschen. Dieses Mandala ist nicht nur ein Werkzeug für das geistig-spirituelle Wachstum, sondern auch ein Mittel, das zur Erfahrung des Mystischen führt -- und es ist eine Landkarte, in der die unterschiedlichsten Aspekte des göttlichen Seins zum Ausdruck kommen. Denn erst die dem Leben zugrundeliegende Einheit macht es möglich, den Wert und die Schönheit der Differenzierung und die Bedeutung der Individualität einzuschätzen und anzuerkennen. Ohne Einzelteile wäre Einheit sinnlos, und ohne Einheit wäre ein gegenseitiges Verstehen unmöglich. Um selbstloses und spontanes Handeln zu erreichen und Freude und Befreiung in die Welt zu bringen, ist es notwendig, in den "Grossen Spiegel der Seele" zu blicken.
Das Sanskrit-Wort Mandala' ist die Bezeichnung für magischer Kreis' und wird in tibetischen Texten als Zentrum' oder als das, was umgibt' übersetzt. Manche sagen, das Wort leite sich von manda-la' her und bedeute das "Einschliessen der Essenz". Dies ist zwar nur ein Wortspiel, aber es verdeutlicht doch den Sinn, der einem Mandala als Kreis der Ganzheit, Vollständigkeit und Vollendung tatsächlich zukommt.
Im Mandala begegnet der Mensch seiner inneren und damit zugleich auch seiner äusseren Welt, die hier als Klang, Licht, Farbe, Form, Bild, meditatives Erlebnis, Rhythmus und Melodie dargestellt wird. Es zeigt sich der Weg der Entfaltung und Wiedereinschmelzung im Verlauf des Bewusstwerdungsprozesses der wahren Natur des menschlichen Seins.
Traditionell werden Mandalas auf in Seide gerahmte Bildrollen (Thangkas) gemalt, mit farbigem Sand gezeichnet, durch Reishäufchen dargestellt oder dreidimensional aus Metall gegossen.
Die Fünf Dhyâni-Buddhas sind Vairocana, Akshobhya, Ratnasambhava, Amitâbha und Amoghasiddhi. Gemäss Auffassung tibetischer Buddhisten hat Adi-Buddha -- das primordiale und höchste Wesen -- die Dhyâni-Buddhas durch die Kraft seiner Meditation geschaffen.
Die Fünf Dhyâni-Buddhas werden im Verlauf einer Meditation visualiert. Die Herkunft des Wortes Dhyâni' ist im Sanskritwort dhyâna' zu finden, das Meditation' bedeutet. Die Dhyâni-Buddhas sind keine historische Gestalten wie etwa Gautama Buddha, sondern Symbole meditativer Verwirklichung höherer Bewusstseinszustände.
Der durch Dhyâni-Buddhas im Mandala aufgezeigte Weg ist nicht ein Pfad der Sanftheit und der friedvollen Gefühle, sondern ein Weg über "schreckensvolle Abgründe", d.h. ein Weg, der den Menschen direkt mit den Abgründen des Seins, der Leiden und Leidenschaften konfrontiert. Unterwegs sind manchmal auch heroische Kämpfe zu bestehen, denn es kommt durchaus zu Begegnungen mit "bluttrinkenden Gottheiten" und "dunklen Schatten". Diese Meditation ist somit eine "totale Herausforderung" und lässt sich nicht einfach nur nebenbei erledigen.
Jeder der fünf Dhyâni-Buddhas wird mit bestimmten Eigenschaften und Symbolen assoziiert und verkörpert eine der fünf Weisheiten. Diese Weisheiten wirken den fünf tödlichen Giften entgegen, die für die geistige Entwicklung des Menschen äusserst gefährlich sind, weil sie ihn an die weltliche Existenz bzw. die Eindimensionalkität der physisch-materiellen Seins- und Sichtweise binden.
Durch die Zuordnung der Dhyâni-Buddhas zu den fünf Himmelsrichtungen sind sie als Herrscher der fünf kosmischen Bereiche "Äther, Wasser, Erde, Feuer und Luft" gekennzeichnet. Ausserdem personifizieren sie die fünf Skandhas. Diese sind sowohl integrierende Teile des kosmischen Seins als auch Bestandteile der menschlichen Persönlichkeit. Es handelt es sich hierbei um:a) die gestaltende, zur manifest-körperlichen Ausprägung der Elemente führende Form- und Strukturgebung (rûpa),
b) die gefühlsmässig wertende Empfindung (vedanâ),
c) die einordnende Wahrnehmung der Sinnesobjekte (samjñâ),
d) die existenz- und gestaltgebende Willens- bzw. Bildekraft (samskâra) und
e) das Bewusstsein bzw. die Bewusstheit (vijñâna).
Da sich alles im Laufe der Zeit ändert bzw. wandelt, fluktuieren Bewusstseinsinhalte und haben keinerlei Dauer, obwohl die eigentliche, substanzlose Wesenheit stets mit sich selbst identisch bleibt.Jeder der Dhyâni-Buddhas ist ausser mit einer bestimmten Farbe auch mit einer Hand-Geste (mudrâ), einem tierlichen Thronträger, einem heiligen Gegenstand und einer Wurzel-Silbe (bîja) charakterisiert.
Die Gestik der Hände bzw. die Handstellung ist deswegen höchst bedeutsam, weil sie die geistige und gefühlsmässige Haltung zum Ausdruck bringt. Das Wort mudrâ bezeichnet daher mehr als eine zufällige Geste oder eine unbeabsichtigte Bewegung der Hände, es bezeichnet die Dynamik und die Richtung des bewussten Handelns. (Hierzu vgl. Govinda 1977: 74ff.)
In den bîja-Silben, den primären mantrischen Lauten, kommt das grundsätzliche Wesen eines Dhyâni-Buddha zum Erklingen. Die Keimsilben leiten sich aus einfachen Vokalen ab, entsprechen bestimmten Bewegungsrichtungen und sind die bewegende Kraft eines Mantra. (Hierzu vgl. Govinda 1977: S. 105ff, 112ff.)
Wird die Keimsilbe (bîja) zusammen mit der heiligen Silbe Om und dem Namen des betreffenden Dhyâni-Buddhas benutzt, wird ein Mantra, d.h. eine Folge von mystischen Silben, geschaffen. In dieser Lautfolge kommt jene dynamische Kraft aus den Tiefen des Gemütes zum Vibrieren, welche die Grenzen der egohaften Individualität sprengt und die "Harmonie der Sphären" erschauen und hören lässt. Mit dem Rezitieren eines Mantra wird die Gegenwart eines göttlichen Wesens wachgerufen -- und damit auch dessen Macht. Ein während einer Meditation gesprochenes Mantra verhilft dazu, die Einheit mit der Gottheit herbeizuführen und zu festigen. (Hierzu vgl. Govinda 1977: S. 88ff.)
"Durch das wiederholte Sprechen eines Mantra und dem Übernehmen der für einen Buddha eigentümlichen Handgestik (mudrâ) kommt es zu einer Ab- und Angleichung des Meditierenden mit der vom betreffenden Buddha personifizierten Wirklichkeit und einem Einfliessen der durch diesen Buddha verkörperten transzendentalen Kräften" (Bhikshu Sangharakshita, A Survey of Buddhism, rev. ed. (Boulder, Cole.: Shambhala with London: Windhorse, 1980), p. 372).
Die Position der Fünf Dhyâni-Buddhas in einem Mandala zeigt deren wechselseitige Beziehung und zugleich die zeitliche Aufeinanderfolge der Entwicklung und Entfaltung geistiger Eigenschaften im Verlauf der Meditation.
Das Mandala ist somit eine "Landkarte der Innenwelt", die im grossen Abenteuer der Meditation erforscht und erfahren wird. Ohne Kenntnis der dem Mandala zugundeliegenden Symbolik bleibt diese Karte jedoch bedeutungslos. Sie ist nämlich das Ergebnis meditativer Erfahrungen mehrerer Jahrhunderte mit einer überaus präzisen Symbolsprache.
Einer der Dhyâni-Buddhas wird in der Mitte plaziert, die anderen an den vier Kardinalpunkten des Mandala. Ursprünglich wurde das Mandala auf dem Boden direkt vor einer meditierenden Person konstruiert und somit auf diese hin orientiert. Osten ist dann die Stelle, die dem/der Meditierenden am nächsten ist. Das Mandala setzt sich im Uhrzeigersinn fort und folgt dem Lauf der Sonne. Der Süden ist zur Linken, der Westen ganz oben und der Norden zur Rechten. "Wie die Sonne im Osten aufgeht und den Tag aufdämmern lässt, betritt der/die Praktikzierende das Mandala durch das Tor im Osten durch eben die Tür, vor der er/sie sitzt" (Lama Anagarika Govinda, Insights of a Himalayan Pilgrim (Berkeley: Dharma Publishing, 1991), p. 128).
Das Mandala ist ein gesegneter, heiliger Raum, in dem weder Hindernisse noch Verunreinigungen noch ablenkende Einflüsse existieren. Es unterstützt Meditation und Visualisierung, denn "jedes Mandala entspringt der Wurzel-Silbe bzw. dem bîja-Mantra einer Gottheit. Während der Meditation in bezug auf das einer Gottheit entsprechende Mantra entsteht eine intensive Ausstrahlung von Licht, in der sich das Bild des angerufenen Buddhas verkörpert" (Detlef Ingo Lauf, Secret Doctrines of the Tibetan Books of the Dead, trans. Graham Parkes (Boston: Shambhala, 1989), p. 105).
Bei den einzelnen Kreisen, welche die Peripherie des Mandala bilden, handelt es sich um Schutzkreise. Der äußerste Kreis aus Flammen bedeutet das Wissen, das die Unwissenheit zerstört und dabei die Anschauungen in bezug auf die phänomenale Welt, die beim Betreten des Mandala verlassen wird, verbrennend auflöst. Die Flammen bilden auch eine Feuerwand, welche die Unwürdigen daran hindert, den Raum der Mysterien zu betreten. Der mittlere Kreis aus diamantenen Zeptern weist auf die Standhaftigkeit und Zielgerichtetheit eines konzentrierten und unbestechlichen Geistes. Der innere Kreis von Lotosblütenblättern meint die Reinheit des Herzens, welche für eine wirksame, die geistig-spirituelle Schau entfaltende Meditation notwendig ist.
Der innere Teil des Mandala bzw. das Quadrat inmitten des Kreises entspricht einem iniversellen Palast oder Tempel mit vier Toren, die sich nach den vier Richtungen des Raumes hin öffnen. Außerhalb der Palast-Mauern befinden sich günstige und siegreiche, d.h. negative Kräfte überwindende Symbole. In manchen Mandalas ist bei jedem Tor eine Siegesflagge und ein kostbarer (Sonnen-) Schirm dargestellt. Dies sind zwei der acht glücksbringenden Symbole. Sie erinnern an die acht Geschenke, die Gautama Buddha nach seiner Erleuchtung erhalten hat. Die Siegesfahne (das Siegesbanner) symbolisiert den Sieg der Spiritualität und die Überwindung aller möglichen Hindernisse. Der Sonnenschirm symbolisiert die königliche Würde und den Schutz vor allen Dingen, die den Meditierenden im Wege stehen und sie böswillig zu behindern und zu verletzen suchen.
Die vier Tore des Palastes führen zum innersten Kreis und damit zur eigentlichen Mitte des Mandala. "Ein Mandala bildet Kreise um ein heiliges Zentrum. Dadurch werden die himmlischen Bereiche offenbar, und es kommt zu einer Zentrierung jener heiligen Kräfte, die meditativ aufgerufen werden. Das Mandala ist somit wie eine Festung, die um eine Buddha-Kraft herum aufgebaut worden ist" (Blanche Christine Olschak and Geshe Thupten Wangyal, Mystic Art of Ancient Tibet (Boston: Shambhala, 1987), p. 36). Bei der Meditation wird das Zentrum eines Mandala so lange umkreist, bis es dem/der Meditierenden möglich ist, mit dem innersten Kern zu verschmelzen und die mächtigen Buddha-Kräfte zu integrieren.
Die Meditation des Mandala führt zur Aufdeckung verschütteter und verdrängter Seelenteile. "Sobald das Mandala betreten wird, befindet man sich in einem heiligen Bezirk ausserhalb des gewohnten Raumes und der gewöhnlichen Zeit. Da die Gottheiten bereits in den Insignien' einwohnen, lassen sie sich mit Hilfe der Meditation im eigenen Herzen finden. In einer visionären Schau wird erkannt, wie sie entstehen und dem eigenen Inneren entspringen, wie sie den kosmischen Raum erfüllen und wieder im Herzen absorbiert werden. Durch das im Geiste geschehende Betreten des Mandala nähert sich der Mensch seinem eigenen 'Zentrum', wobei die bildhafte Darstellung des Mandala den Prozess der Selbstfindung unterstützt" (Mircea Eliade, Yoga: Immortality and Freedom, 2d ed., trans. Willard R. Trask, Bollingen Series, no. 56 (1969; reprint, Princeton, N.J.: Princeton University Press, 1970), p. 225).
Das Mandala mit seiner Symbolik ist kein Abbild äusserer himmlischer Mächte, sondern eine Widerspiegelung heiliger, innerer Kräfte. Mit seinen symbolischen Bildern hilft es den Meditierenden, die göttlichen Mächte in sich selbst zu erkennen. Dadurch wird es möglich, die innere Vollendung zu realisieren.
"Das äussere Mandala ist ein Modell von geistigen Mustern, welche ein meditierendes Individuum in seinem Inneren sehen kann. Um diese muss der Mensch sich bemühen und sie in seinem eigenen Bewusstsein erfahren. Die Dhyâni-Buddhas gelten als Wesen, deren Wirken im einzelnen Menschen zum Ausdruck kommt. Das Mandala ist ein kosmischer Plan, in dem sowohl der einzelne Mensch wie auch die gesamte Welt auf einander entsprechende Art und Weise angeordnet und strukturiert sind. Die segensreiche Aktivität der Meditations-Buddhas kommt nur in dem Ausmass zum Tragen, wie Meditierende in sich selbst deren Charakteristik und die durch sie symbolisierten Kräfte erkennen und realisieren" (Detlef Ingo Lauf, Tibetan Sacred Art: The Heritage of Tantra (Berkeley: Shambhala, 1976), pp. 120, 122, 123).
"Die fünf Dhyâni-Buddhas verharren nicht fernab vom Menschen als göttliche Gestalten in einem jenseitigen Himmel. Vielmehr steigen sie herunter und verkörpern sich in uns. Ich selbst bin als menschliches Wesen der Kosmos. In mir drin ist das kosmische Licht, in mir drin sind die Buddhas geheimnisvoll gegenwärtig -- egal, ob irgend welche fehlerhaften Vorstellungen deren Anwesenheit verdecken. Trotz aller Irrtümer sind diese fünf Buddhas in mir -- und sie bilden die fünf wesentlichen Bestandteile der menschlichen Persönlichkeit" (Giuseppe Tucci, The Theory and Practice of the Mandala, trans. Alan Houghton Brodrick (1961; reprint, New York: Samuel Weiser, 1970), p. 51).
"Im allgemeinen stellt das Mandala die Essenz dessen dar, was das eigentlich Wesentliche ist. Von zentraler Bedeutung ist es deshalb, dass der Mensch sich selbst in das Mandala hineinversetzt und dessen Essenz extrahiert. Die segensreiche Wirkung des Mandala beruht auf der Tatsache, dass es der Ort ist, der es ermöglicht, die Pracht und Grossartigkeit des menschlichen Seins zu verwirklichen" (The Fourteenth Dalai Lama His Holiness Tenzin Gyatso, Kindness, Clarity, and lnsight, ed. Jeffrey Hopkins and Elizabeth Napper (Ithaca, N.Y.: Snow Lion Publications, 1984), p. 82).
Das Mandala ist für jene, die es zu gebrauchen wissen, eine Landkarte der fortschreitenden Selbst-Verwandlung und der mystischen Gemeinschaft. Es ermöglicht das Heranwachsen des Samenkornes der Buddhaschaft im Innern des Menschen. "Meditierende müssen sich in das Zentrum des Mandala als Verkörperung des Göttlichen und der perfekten Buddhaschaft hineinversetzen, denn Buddhaschaft lässt sich nur durch die Realisierung all jener Qualitäten finden, die in ihrer Totalität zusammen den Reichtum des Mandala ausmachen" (Lama Anagarika Govinda, Foundations of Tibetan Mysticism (1960; reprint, New York: Samuel Weiser, 1969), p. 181; Insights of a Himalayan Pilgrim, p. 178).
Vairocana versinnbildlicht einerseits den Ursprung und andererseits die Integration der Dhyâni-Buddhas. Wenn nämlich nach dem meditierenden Durchlaufen des gesamten Kreises der Dhyâni-Buddhas die Spiegelgleiche Weisheit auf einem höheren, dem Zentrum angenäherteren Niveau erlebt wird, reflektiert diese nicht mehr nur eine individuelle Situation, sondern auch die universell-kosmische. Handlungen und Motive sind dann nicht mehr ich-bezogen und deswegen bindend und Karma-bildend, sondern befreiend sowohl für die handelnde Person als auch für jene, die vom Tun beeinflusst werden. Dies entspricht dem Wandel hin zum Bodhisattva.
Der Name Vairocana bedeutet Sonnengleich Strahlender und seine Weisheit ist die Weisheit des Dharmadhâtu. Im Dharmadhâtu als dem Reich der Wahrheit existieren alle Dinge so, wie sie in Wirklichkeit sind und nicht bloss so, wie das beschränkte, egohafte bzw. ich-gebundene Bewusstsein es wahrhaben will.
Vairocanas Weisheit wird auch die Alles-Durchdringende, Alles-Durchleuchtende und Alles-Erhellende Weisheit des Dharmakâya genannt. Er ist somit die ideale Verkörperung der absoluten Buddha-Natur, denn in ihm sind die im Dharmakâya, dem "universellen Körper", zum Ausdruck kommenden beispielhaften Verhaltensweisen, die vom Dharma (der Gesamtheit der buddhistischen Lehren) aufgezeigt werden, vollumfänglich verwirklicht und gelebt.
Im Dharmakâya, dem universellen Prinzip allen Bewusstseins, ist die Gesamtheit des Seins und Werdens potentiell enthalten. Der Dharmakâya ist die absoluten Leere (sûnyatâ) und kann mit einem Raum (sic!) verglichen werden, der alle Dinge umschliesst, ohne mit ihnen identisch oder von ihnen verschieden zu sein. Gleichzeitig ist er die unerlässliche Bedingung für deren Existenz und für deren Werden und Vergehen. (wz Der Dharmakâya entspricht der BK 0/0 -- die mit keinem Inhalt identische Bewusstheit, die BK 0/0, ist ein Antidot gegen die anhaftende Trägheit und das Beharrungsvermögen von Inhalten, welche die Tendenz haben, sich als Absolutum zu definieren.).
Vairocanas transzendente Weisheit überwindet die durch Unwissenheit, Verblendung und Täuschung erzeugten Vergiftungen -- und sie enthüllt das Reich der eigentlichen und höchsten, stets keimhaft in den niederen Eigenschaften enthaltenen Wirklichkeit. Vairocanas Weisheit ist nicht nur der Ursprung aller Weisheiten der Dhyâni-Buddhas, sie ist auch deren Gesamtsumme.
Normalerweise findet sich Vairocana im Zentrum des Mandalas der Dhyâni-Buddhas. Manchmal wird er auch im Osten aufgestellt -- aber das hängt davon ab, ob auf den Anfangs- oder auf den Endzustand der Meditation hingewiesen wird. Vairocanas Körperfarbe ist das Weiss. Diese Farbe symbolisiert das reine Bewusstsein.
Am ersten Tag des Erlebens der Wirklichkeit im Nachtodeszustand strahlt das tiefblaue Licht vom Herzen Vairocanas mit solcher Macht, dass das Auge total geblendet wird. Gleichzeitig wird ein trübes weisses Licht sichtbar, das gegenüber dem strahlend blauen Licht weniger angsteinflössend und eher beruhigend wirkt. Infolge der Beeinflussung durch ein schlechtes Karma, z.B. eines nagenden Zweifels, geistiger Verblendung oder ängstlicher, übervorsichtiger Mutlosigkeit, kommt es zu einer Fluchtreaktion bzw. zu einer Zufluchtnahme zu den geborgenheitsversprechenden, gewohnten Gegebenheiten. Wer diesem Verlangen nachgibt, wird in den Bereich der Devas wandern, in den sechs Welten umherirren und vom Pfad der Erlösung abgebracht.
Vairocana und Akshobya lassen sich am Ende der Meditation austauschen. Dies kommt nicht nur in der Position der beiden Dhyâni-Buddhas, sondern auch in den Farben Weiss und Blau zum Ausdruck. Die Körperfarbe Vairocanas ist weiss, die von Akshobya dunkelblau. Die vom Herzen ausgehende Strahlung Vairocanas ist dunkelblau, die Strahlung der Spiegelgleichen Weisheit aus dem Herzen Akshobhyas weiss. Auf der höchsten Ebene des Erlebens verschmelzen alle Einzelaspekte der Dhyâni-Buddhas miteinander zu einer diamantenen Wirklichkeit und lösen sich sozusagen auf in eine Aktivität der Liebe, die in der Wechselwirkung handelnd-nichthandelnd einen Weg geht, der gleichzeitig das Ziel ist.
Vairocana ist der Herrscher über das (blaue) Element Äther' und verkörpert den skandha des Bewusstseins bzw. der Bewusstheit. In gewissen Systemen wird er mit dem skandha der Form assoziiert. (wz Dies ist nur scheinbar ein Widerspruch, denn die BK 0/0 kann jede Form bzw. jeden Inhalt "durchdringen" -- aber nur in dem Fall, wenn es nicht zu einer Identifizierung mit einem bestimmten Inhalt (m/n) kommt. Die BK 0/0 "durchleuchtet" also sozusagen ein m/n, d.h. einen bestimmten Inhalt (hierzu vgl. Die Spur der Quader 8 - Der Diamantkörper).)Zum Diamantkörper ist noch folgendes anzumerken (vgl. hierzu auch Govinda 1956 S. 255ff)
Der Geist schafft sich auch einen materiellen Körper. Diese Körperlichkeit wird vom Geist in dem Masse verwandelt, wie er den Dharmakâya reflektiert. Je mehr der Geist vom Dharmakâya durchlichtet und erfüllt ist, desto stärker werden die körperlichen Ebenen beeinflusst und sozusagen transzendiert. Bei einer völligen Erleuchtung erreicht die Verwandlung ihre höchste Vollendung und Vollkommenheit. Der daraus entstehende Körper wird "Verwandlungskörper" (Nirmânakâya, tib.: sprul-sku (gespr. "Tulku")) genannt.
Man bezeichnet den "Verwandlungskörper" (der am ehesten mit dem Astralleib bzw. dem Diamantkörper zu vergleichen ist) oft als einen "illusorischen Körper", ja sogar als "Phantom" und als "Scheinkörper". Eine solche Auffassung ist aber ebenso irreführend wie die landläufige Meinung der Mâyâ-Lehre. Wenn der Inder die Welt als mâyâ bezeichnet, so bedeutet das nicht , dass die Welt jeglicher Wirklichkeit bar ist, sondern nur, dass sie nicht das ist, als was sie uns aufgrund der eindimensionalen Sichtweise erscheinen mag.
Die in den Augen des Materialismus festgefügte Realität ist eine relative und hat nicht mehr Bestand als die Gegenstände eines Traumes, eines Wolkengebildes oder der darin aufflammenden Blitze. Es wäre jedoch äusserst fatal, selbst die flüchtigsten dieser Gebilde als bloss halluzinatorisch zu bezeichnen und sie bis auf ein "absolutes Nichts" ihrer Eigenständigkeit zu entkleiden, denn sie sind weder willkürlich noch sinnlos, sondern einfach "nur" unterschiedlich zum Ausdruck kommende Aspekte der "Allumfassenden Wirklichkeit".
Unsere Welt oder unsere Persönlichkeit mag geistgeschaffen und illusorisch sein, aber sie ist nicht unwirklich, sondern ebenso wirklich wie der Geist, der sie geschaffen hat. Es geht nicht um die Aufhebung von Eigenschaften und Funktionen. Es geht nicht um eine solipsistisch anmutende Reduktion irgendwelcher Kommunikationsmöglichlichkeiten, um eine Leugnung der Intersubjektivität und eine hochnäsig anmutende Geringschätzung des Traumes. Vielmehr geht es um die Transformation von scheinbar Subjektivem und scheinbar Objektivem hin zur Bewusstwerdung der durch die Erkenntnis der Zusammenhänge und gegenseitigen Abhängigkeit (selektiver Subjektivismus) möglich werdenden Wechselwirkungen in einem wundervoll vielfältigen und andauernd sich wandelnden kosmischen Weltengefüge. Dieses umfasst sowohl den Alltag wie auch die nächtlichen Bereiche und ist im "Mandala der Fünf Dhyâni-Buddhas" (be)greifbar dargestellt.Durch Vairocana wird das Prinzip der individuellen Körperlichkeit (m/n) zum potentiellen Allkörper (0/0), in dem die Formen aller Dinge enthalten sind und beschlossen liegen. "Hier können sie ihrer wahren Natur nach als die Exponenten der Grossen Leere' (sûnyatâ) erkannt werden durch das Bewusstsein der Spiegelgleichen Weisheit', welche die Formen" und Eigenschaften "aller Dinge reflektiert, ohne an ihnen zu haften, ohne von ihnen berührt oder erschüttert zu werden" (Govinda 1956 S. 121). Dies ist insbesondere in der Gestalt Akshobhyas, dem Unerschütterlichen' dargestellt.
Das Rad der Lehre des universellen Gesetzes ist das Symbol Vairocanas, der in der Geste (mudrâ) der "Inbewegungsetzung des Rades der Lehre Buddhas" (dharmachakra), d.h. als geistiger Anstossgeber dargestellt wird. Die acht Speichen des Rades stellen den Edlen Achtfachen Pfad dar, den Gautama Buddha in seiner ersten Predigt nach seiner Erleuchtung dargelegt hat. In Vairocanas Geste sind beide Hände auf die Ebene des Herzzentrums erhoben. Die linke Hand ist nach innen gewendet, die rechte nach aussen. Dies zeigt, dass die inneren und die äusseren Welten in der höchsten Erkenntnis vereint worden sind und der ursprüngliche Zustand der universellen Einheit wiederhergestellt ist. Der Anfang ist zum Ende geworden, das Ende zum Anfang. Alpha und Omega sind eins. Was zu Beginn als getrennt erschien, ist im JETZT zur Ganzheit geworden.
Vairocanas Lotosblumen-Thron wird vom Löwen, dem Symbol für Mut, Tapferkeit, Unerschrockenheit, gespannter Aufmerksamkeit und vorausblickender, schwunghafter Geistigkeit getragen.
Seine Keimsilbe (bîja) ist OM. Weil in diesem heiligen Laut das All-umfassende Erlebnis geistiger Universalität und Freiheit zum Erklingen kommt und mitschwingt, bildet OM das Zentrum des achtspeichigen Rades, das von der Peripherie der sich andauernd wandelnden Welt bzw. der Welt der fortwährenden Wiederkehr (m/n) zum Zentrum der Befreiung (0/0) führt.
Vairocanas Mantra:
OM VAIROCANA OM
Der Name Akshobhya bedeutet "Unerschütterlicher", "fest in sich Ruhender". Akshobhyas "spiegelgleiche Weisheit" widerspiegelt die Dinge ruhig, gelassen und unvoreingenommen. Sein Wahrnehmungsvermögen ist ungetrübt und völlig rein. Auf diese Weise werden die Dinge in ihrer wahren Eigennatur offenbar. Akshobhyas kluge Einsicht wirkt dem Hass, dem Zorn und dem Ärger entgegen und neutralisiert durch ein klares, die Dinge durchschauendes Verständnis diese behindernden Gifte.
Akshobhya ist im Mandala der Fünf Dhyâni-Buddhas normalerweise dem Osten zugeordnet. Nach der meditativen Erschliessung des Mandala ist er aber nicht unten, sondern im Zentrum zu finden. Seine Farbe ist blau, und ihm ist das Element Wasser (weiss) als Weltmeer im Zustand der Ruhe und mit spiegelgleicher Oberfläche zugeordnet. Er personifiziert den skandha der Form- und Strukturgebung. Sein Lotosblumen-Thron wird von einem Elefanten, dem Symbol für Standhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Stärke, getragen.
Akshobhyas Symbol ist der Blitz bzw. das diamantene Zepter (vajra). Er kann es über seinem Kopf halten. Es wird jedoch häufig in der nach unten gestreckten rechten Hand oder als auf der im Schoss ruhenden linken Hand stehend dargestellt. Der vajra kennzeichnet die aufklärende Erhellung bzw. die unzerstörbare, unbestechliche und kristallklare Natur einer reinen, subtilst differenzierten Bewusstheit. Diese Bewusstheit ist die eigentliche Essenz der Wirklichkeit. In einigen Traditionen repräsentiert der vajra die Einheit von Mensch und Buddha, wobei das eine Ende des vajra den makrokosmischen Bereich Buddhas, das andere Ende den mikrokosmische Welt des Menschen symbolisiert.
Das bhûmisparsha mudrâ, die Gestik der Erdberührung, kennzeichnet die Unerschütterlichkeit Akshobhyas. Es ist jene Handstellung, die Gautama Buddha benutzte, als er die Erde dazu aufrief, die vom Bösen, von Mara, in Frage gestellte Rechtmässigkeit, Erleuchtung zu erlangen, zu bezeugen. Die Erde ist "das Symbol für die Gesamtheit alles Gewordenen, das konkrete und berührbare Form angenommen hat als die materialisierte Vergangenheit' nicht nur eines, sondern aller lebenden Wesen dieser Welt." Das bedeutet aber, "dass alle Wesen diese Welt in ihrem gegenwärtigen Sosein akzeptieren müssen als die unerschütterliche Basis und Startfläche all ihrer weiteren Entwicklungen und der schliesslichen Befreiung" (Govinda 1977 S. 78).
"Erinnerung ist die Quelle der Menschlichkeit", sagt Elie Wiesel -- und dieses Sich-Erinnern ist der erste Aspekt der durch Akshobhya dargestellten Meditation: Ein Tropfen des Ozeans des Bewusstseins wird sich seiner selbst dadurch bewusst, "dass er alle Dinge wie in einem Spiegel reflektiert, ohne an ihnen zu hängen und ohne sie zu hassen" (ibid. S.79). Die Bewusstwerdung geschieht ohne Aversion -- aber auch ohne Wertunterscheidung und ohne eine Beurteilung. Nur die Gesamtheit innerer und äusserer Erscheinungen wird betrachtet, nur die Totalität der Vergangenheit und Gegenwart wird reflektiert.
Akshobyas reflexive Einstellung kommt übrigens durch die nach innen gerichtete Handfläche zum Ausdruck. "Die Innenseite der Hand, die die Erde berührt, ist nach innen ... auf unser eigenes inneres Zentrum bezogen" (ibid.). Und sie wird auch durch das ihm zugeordnete Element Wasser' gekennzeichnet, denn es ist nicht in erster Linie das zusammenhaltend (kohäsive) Flüssige, das Akshobya charakterisiert, sondern die spiegelnde Obefläche des unbewegten, völlig stillen Wassers, die das rein-weisse farblose Licht entsprechend der "Spiegelgleichen Weisheit" reflektiert.
Während bei Vairocana beide Hände aktiv sind, ruht die linke Hand Akshobyas wie bei den anderen Dhyâni-Buddhas, die im äusseren Kreise sind, passiv mit der Handfläche nach oben im Schoss. Denn in allen vier Stadien der Meditation geht es auch darum, eine offene, empfangende Haltung gegenüber dem Universum bzw. den kosmischen Kräften in uns einzunehmen und beizubehalten.
Akshobhyas Paradies ist Abhirati, das Land "Alles überragenden Entzückens". Wer hier wiedergeboren wird, kann nicht mehr auf ein tieferes Bewusstseinsniveau absinken und dem Vergessen und Verdrängen anheimfallen.
Am zweiten Tage des "Bardo der Wirklichkeit" erscheint ausser dem strahlend weissen Licht aus dem Herzen Akshobhyas auch das trübe, rauchfarbene Licht des Purgatoriums. Wer sich von diesem Schein des Fegefeuers einfangen lässt, wird in höllische Welten fallen, unsägliche Qualen erleiden und lange vom Pfad der Erlösung ferngehalten.
Während OM den Aufstieg zur Unendlichkeit intoniert, erklingt in Akshobhyas bîja HUM der Abstieg dieses universell-kosmischen Zustandes in die Tiefe des menschlichen Herzens, wobei das "Unnennbare" zu einer Art Konkretisierung bzw. nicht-gegensätzlichen, nicht-dualen, polaren Verwirklichung kommt. "Es ist die Weisheit des Grossen Spiegels, welcher die Leere ebenso widerspiegelt wie die Objekte" (ibid. S. 94-95), das 0/0 ebenso wie irgend ein m/n. Dabei enthüllt der Grosse Spiegel die Leere in den Dingen ebenso wie die Dinge in der Leere.
In der Gestalt von Vajrasattvas verwirklicht sich Akshobhyas Universalität im Individuellen. Vajrasattva vollendet "die Verwandlung des Irdischen in die tiefere Wirklichkeit des im Sichtbaren wirkenden Unsichtbaren, des im Hörbaren wirkenden Unhörbaren, des im Tastbaren wirkenden Ungreifbaren und des im Denkbaren wirkenden Undenkbaren" (Govinda 1956 S. 253). Das Wesen des Vajrasattva entspricht dem Diamanten, dh. einer vollendeten Bewusstheit, in der das Erkenntnis-Prinzip der Erleuchtung vorherrscht und der als das Unvergängliche, Todlose und Ewige erlebt wird.
Akshobhyas Mantra:
OM AKSHOBHYA HUM
Der Name Ratnasambhava bedeutet "Juwelengeborener", "Ursprung der Juwelen", denn er ist die Ursache für das In-Erscheinung-Treten bzw. der Bewusstwerdung des Dreifachen Juwels (tri-ratna). Dieses Wahrzeichen oder dann das Wunscherfüllende Juwel (chintamani)) hält Ratnasambhava in seiner Hand in der Geste des Gebens bzw. der Wohltätigkeit (dâna-mudrâ).
Im Dreifachen Juwel sind die drei Kostbarkeiten, nämlich "Buddha", d.h. letzten Endes die meditierende Person als solche in ihrer Vollständigkeit als erleuchteter Mensch, "Dharma", d.h. die Gesamtheit der Lehre und des Wissens von Buddha, und "Sangha", d.h. die Gemeinschaft der Lebewesen, die Buddhas Gemeinde sind, enthalten. Die mittlere Spitze des Juwels (ratna = mani) trägt die Keimsilbe Ratnasambahavas, den heiligen Laut TRAM. Am Fusse des Juwels stehen die Silben MA und NI, und die vom Juwel ausgehenden Flammen sind ein Symbol der die Unwissenheit vernichtenden Weisheit des befreiten Verstandes.
Im Spiegel der Weisheit Ratnasambhavas ist alles gleichwertig, d.h. in bezug auf die Bedeutsamkeit gleich zu gewichten. Demzufolge wandelt seine Weisheit das Gift des geistigen Stolzes, der intellektuellen Überheblichkeit und des ichbezogenen Dünkels in die Weisheit der mitfühlenden Gleichheit um. Diese erlaubt es, die Dinge vertrauensvoll und unvoreingenommen zu betrachten und die göttliche Gleichheit allen Seins und deren eigentliche Buddhanatur zu erkennen.
Ratnasambhava ist der Dhyâni-Buddha des Südens. Seine Farbe ist gelb wie die Farbe der Sonne in ihrem Zenit. Aus seinem Herzen strahlt (auch am dritten Tag des "Bardo der Wirklichkeit") das gelbe Licht der "Weisheit der Wesensgleichheit". Bei diesem Aufscheinen wird oft gleichzeitig das trübe blaue Licht des menschlichen Daseinszustandes deutlich sichtbar. Wer sich von diesem anziehen lässt, weil er sich beispielsweise aus Gründen uneingestandenen Stolzes, ichbezogenen Dünkels und fehlender Demut vom hell strahlenden Licht und dem tiefen Gefühl der "Wesensgleichheit" und "gleichmachenden Weisheit" abschrecken lässt, wird im menschlichen Bereich wiedergeboren und muss wiederum die Leiden der Geburt, des Alterns, der Krankheit und des Todes ertragen.
Ratnasambhava regiert über das Element Erde' und verkörpert den skandha der gefühlsmässig wertenden Empfindung.
Ratnasambhavas Handstellung, das dâna-mudrâ, ist eine kommunikative Geste des Gebens und der Wohltätigkeit. Der Wechsel in der Haltung ist keineswegs ein Bruch in der Beständigkeit oder gar eine Negierung des vorangegangenen Zustandes. Die Integration des Vorhergehenden bildet vielmehr die Grundlage für den nunmehr zu erfolgenden Schritt, der das egozentrische Fühlen und Empfinden, das die Illusion der Wesensverschiedenheit und Getrenntheit der Lebewesen hervorbringt, in ein allumfassendes Mitgefühl umwandelt.
Mit der inneren Anteilnahme und dem Einfühlungsvermögen steht dem Wissen um die Wesensgleichheit der Lebewesen nichts mehr entgegen. Das Nachaussendrehen der Handinnenfläche - in Umkehrung der Erdberührungsgeste - zeigt eine vollständige Änderung der geistigen Einstellung an. Es kommt zu einem Wechsel von der kühl-unbeteiligten Haltung eines "objektiven" Beobachters zu der warmen und fürsorglichen Haltung eines Menschen, der nicht nur die Einheit des Lebens erkennt und dementsprechend handelt, sondern der sich der Solidarität des Lebendigen zutiefst verpflichtet fühlt. Freude und Leid wird mitempfunden, indem der Mensch sich selbst in Liebe und Mitleid öffnet.
Das Tier, das Ratnasambhavas Thron trägt, ist das Pferd. Dieses Tier weist auf die gewaltige Kraft des inneren Antriebes und die befreiende Kraft der Wesensgleichheit hin.
Auch Gautama Buddha kehrte nach seiner Erlösung in die Welt zurück, um seine beglückende Vision und sein befreiendes Wissen den Mitmenschen mitzuteilen und ihnen Schutz zu geben vor den Widerwärtigkeiten der egoistischen Selbstbezogenheit.
Ratnasambhavas Mantra:
OM RATNASAMBHAVA TRAM
Der Name Amitâbha bedeutet "Unbegrenztes Licht", "Unendlicher Glanz". Amitâbhas Weisheit ist die der Unterscheidung bzw. der gegenseitigen Abgrenzung, es ist die "Weisheit intuitiver Schauung". Die durch ihn verkörperte analytische Erkenntnis des Einzelnen beruht immer auf der Grundlage des Seins des Einen und der völligen Bewussthaltung der grossen Zusammenhänge. Amitâbha zeigt, dass es durch die unterscheidende Kraft meditativer, unmittelbarer Schauungen zu einer Verfeinerung und Erweiterung der Sinneswahrnehmungen und zu einer höchst subtilen intellektuellen Unterscheidung kommt. Daraus entfaltet sich schliesslich die übersinnliche Wahrnehmungsfähigkeit.
Amitâbhas "schauende, unterscheidende Weisheit" neutralisiert die Gifte des leidenschaftlichen Begehrens, des unbändigen Sehnens und der unstillbaren Gier und Begierde.
Amitâbha, der Dhyâni-Buddha der westlichen Richtung, erscheint in der Farbe der sinkenden Sonne (rot). Dieser Stunde, wenn des Tages Arbeit getan ist und Frieden die Welt erfüllt, ist auch die Meditation zugeordnet. Denn die äussere Aktivität ist zur Ruhe gekommen und macht der inneren Platz. Der Geist befreit sich von den Fesseln weltlicher Sorgen und schwingt sich auf zum geistigen Bereich Amitâbhas, dem Wohnsitz der Glückseligkeit (Sukhâvati), wo die Zustände für das Erlangen der Erleuchtung ideal sind. Bei der Meditation der sinkenden Abendsonne wird Amitâbha visualisiert. Sein Rot erglüht von Liebe und Erbarmen mit allen fühlenden Wesen. Es umflutet das Herz, bringt es in seiner Fülle wie eine Lotusblüte zur Entfaltung und beseelt mit dem Duft von Amitâbhas "Weisheit der inneren Schau" die Welt des Innen und des Aussen.
Das blendend tief-rote Licht der "unterscheidenden Weisheit" strahlt aus Amitâbhas Herzen. Dies geschieht auch am vierten Tag des Erlebens der Wirklichkeit im Nachtodeszustand (Bardo). Gleichzeitig erscheint dann das trübe gelbe Licht der Pretas. Der geringste Anflug von leidenschaftlichem Begehren, von Sehnen und von Gier wird sofort von der "unterscheidenden Weisheit" abgeschreckt und flüchtet sich verängstigt in die Welt der Pretas, der Welt der "hungrigen Geister". Die unerträglichen Hunger- und Durstqualen, die hier zu erleiden sind, werden durch unstillbares Begehren und unbändiges Daseinsverlangen verursacht.
Aus den Händen Amitâbhas erblüht der Lotus (padma), das Sinnbild der sich entfaltenden, schöpferischen Meditation bzw. das Sinnbild des aus der Reinigung der Leidenschaften enstandenen Mitgefühls. Der sich öffnende Lotus ist auch das Symbol der durch die Erleuchtung hervorgegangenen Erkenntnis der wahren Natur des Menschen, die sich in einer unendlichen Vielzahl von Wirkungsformen entfaltet.
Entsprechend der kontemplativsten Stunde des Tages ruhen Amitâbhas Hände in der Geste der Meditation (dhyâna) übereinander, wobei die unterscheidende Schauung durch die nach oben gerichteten Handflächen zum Ausdruck kommt. Dies ist die übliche Meditationshaltung, bei der alle Ebenen des Geistes einbezogen sind. Die nach oben gerichteten Handflächen ruhen auf den ebenfalls nach oben gerichteten Fuss-Sohlen. Die Finger der aktiven rechten Hand liegen über den Fingern der passiven linken. Die nach oben gerichteten inneren Handflächen werden zu einer Art Schale, in welche die ewigen Qualitäten und Kräfte des Universums wie in einen Gral einfliessen. Manchmal hält Amitâbha eine Bettelschale in Händen. Sein Körper ist im Gleichgewicht, zentriert, ausgeglichen und entspannt. Aus dieser symmetrischen, die Vertikale miteinbeziehenden Haltung wird jenes spontane und selbstlose Tun geboren, das Amoghasiddhi verkörpert.
Die Dhyâni-mudrâ drückt die Vereinigung von Himmel' und Erde' aus, denn diese Handgestik liegt deutlich erkennbar im Bereich und in der Verantwortung des "Menschen". In der Mitte zwischen dem Geistigen' und dem Irdischen' lebt der Mensch, in ihm verbinden sich die Welten des Oben und des Unten, und in ihm kommten Makro- und Mikrokosmos zusammen. Während die ersten zwei mudrâs (d.h. die Gestik von Akshobhya und die von Ratnasambhava) den Hinweis auf die Erde geben, weist die vierte mudrâ, die von Amoghasiddhi, nach oben zum universellen Bereich, wo Weisheit in geistiges Handeln umgesetzt wird. Jetzt lässt sich alles zu einem aktiven Tun verbinden. Dies wird in einer fünften Geste, der mudrâ von Vairocana, offenbar.
Auf der Ebene des Elementaren entspricht dem Amitâbha das Feuer, das traditionellerweise dem Auge und der Funktion des Sehens zugeordnet wird. Das, was Amitâbha mit dem Element Feuer' verbindet, ist nicht unbedingt die Hitze, sondern es sind die Qualitäten des roten Lichtes als eines Faktors der Gefühlsebene. Die dem Amitâbha zugeordnete mantrische Keimsilbe HRIH hat die Natur der Flamme und damit deren Wärme, Intensität, Aufwärtsbewegung, Strahlkraft und Farbe.Dies alles hat auch mit dem Erröten zu tun, in dem oft zumindest ein Anflug von "Sich-schämen" und sogar "Sich-schuldig-fühlen" zum Ausdruck kommt. Das "anmutige Erröten" ist ein ebenso heilsamer und wunderbarer Bewusstseinsfaktor wie das "Vertrauen", die "Zutraulichkeit" und die "Achtsamkeit". Im Erröten zeigt sich eine der edelsten Eigenschaften des menschlichen Charakters, nämlich der angeborene Sinn für Werte und Verantwortlichkeit.
Das Erröten ist eines der seltsamsten und subtilsten Phänomene der menschlichen Seele, denn es geschieht unabsichtlich, unabhängig von den eigenen Wünschen und ohne Dazutun verstandesmässiger und intellektueller Kräfte. Manchmal geschieht es sogar völlig grundlos und ohne jede erkennbare äussere Ursache. Aber es setzt stets körperliche Zustandsänderungen in Bewegung, die sich einer direkten Kontrolle entziehen. Statt nun krampfhaft nach äusseren Ursachen zu suchen, könnte einfach mal angenommen werden, dass das Geschehen sichtbarer Ausdruck einer "inneren Stimme" bzw. eines "inneren Wissens" ist. Da sich dieses zu ungelegener Stunde mehr oder weniger schüchtern zu äussern versucht, wäre daran zu denken, dass es notwendig sein könnte, eine Meditation zu wagen und damit eine Welt zu betreten, die nicht die alltägliche und gewohnte ist.Amitâbha sitzt auf einem Pfauenthron. Die Schwanzfedern des Pfaus sind mit Dutzenden von "Augen" besetzt, was ihn als den "Vogel der anmutigen Vieläugigkeit" kennzeichnet.
Amitâbha hat sowohl mit jenem Aspekt des mantrischen Lautes zu tun, der sich in ein schauendes und unterscheidendes Wissen entfaltet, als auch mit dem Lebens-Aspekt des Atems. Tatsächlich ist Amitâbha der Inbegriff der unterscheidenden Weisheit innerer Schauung. Deshalb ist er in seinem aktiven Aspekt der "Herr des grenzenlosen Lebens" bzw. der "Herr der grenzenlosen Lebensdauer" (Skt.: âyus = Leben, Lebensdauer) und wird dann Amitâyus genannt.
Amitâyus ist die Quelle des wahren Lebens, in der die Vielheit scheinbar getrennter Lebensformen in der Einheit des höchsten Lebens zusammenfliessen. In ihm vereinigt sich das Spirituelle mit dem Materiellen, das Irdische mit dem Geistigen. Dies versinnbildlicht der Akosha-Baum, der aus dem Gefäss mit dem Lebenselixier wächst, das Amitâyus in seinen Händen hält.
Die wirkende Kraft der im Juwelenschmuck strahlenden, rubinroten Gestalt Amitâbhas ist auf der Ebene des menschlichen Erlebens und Handelns in Avalokiteshvara verkörpert. Bei Letzterem ist das Licht im Lotus des Herzzentrum verwirklicht. Deswegen hält er zwischen seinen zur Brust erhobenen Händen ein rotes Juwel. Diese Geste ist nicht eine Geste des Betens oder der Anbetung, sondern sie ist das Lotusmudrâ (padma-mudrâ), bei der die Fingerspitzen sich nicht berühren und die Hände ein Gefäss bilden, in dem eben manchmal das Juwel ruht bzw. zu sehen ist.
Avalokiteshvara, "der gütig Herabblickende" und "Grosse Barmherzige" ist der Inbegriff der Liebe eines erleuchteten Menschen zu den leidenden Wesen. Liebe kennt keine Besitzansprüche und keine Bedingungen, ist durchwirkt von einem unbeschränkten und ungeteilten, tätigen Mitgefühl, manifestiert sich in unendlich vielen Formen und nimmt jede beliebige Gestalt an. Amitâbhas Manifestion auf der Ebene der Individualität und Aktivität erscheint deshalb in der Gestalt Avalokiteshvaras, in dem die Strahlen des unermesslichen Lichts in unzählige helfende Hände transformiert sind. In jeder der Handflächen erscheint "das Auge der Weisheit", mit dem verdeutlicht wird, dass jedes Mittel und jedes Werkzeug aufgrund des liebvollen Erbarmens mit dem Ganzen verbunden bleibt - als hätte der Pfau ein Rad geschlagen.
Amitâbhas bîja ist HRIH, sein Mantra ist:
OM AMITÂBHA HRIH
Der Name Amoghasiddhi bedeutet "Allmächtiger Eroberer". Amoghasiddhi erkennt die Folgen aller Handlungen. Er verkörpert die "alle Werke vollendende Weisheit", die Herz und Geist in allumfassender Liebe und tiefster Erkenntnis vereint.
Er -- als der "Verwirklicher des Ziels" -- zeigt, wie aus dem egohaften, ich-gebundenen und Karma-erzeugenden, ideoplastischen Wollen das wirkende Tun eines Bodhisattva wird. Das Leben eines Bodhisattva beruht nicht mehr auf blindem Daseinsdurst und auf einem sich festklammernden und sich anhaftenden Begehren, sondern auf dem alle Wesen segnenden All-Erbarmen. Amoghasiddhis "alles vollendende, Karma-befreiende Weisheit", die ihn in der Gestalt der göttlich-erhabenen Mutter Târâ, der "Erretterin", umschlungen hält, geht weit über das hinaus, was aufgrund der normalen Sinneswahrnehmung zu erfassen ist.Der "weibliche Aspekt" der Dhyâni-Buddhas, die Prajñâ, wird im Tibetischen als yum oder yum-mchong bezeichnet. Govinda übersetzt dies mit "göttliche Mutter". Târâ hat übrigens unter den Prajñâs eine Sonderstellung, denn sie ist nicht bloss als "weiblicher Aspekt des mit ihr vereinten Dhyâni-Buddha" von Bedeutung, sondern sie spielt auch als eine von Amoghasiddhi getrennte Gestalt eine wichtige Rolle. Târâ ist, schreibt Govinda, "eine der populärsten, zugänglichsten und anziehendsten Figuren des tibetischen Pantheons, in der alle menschlichen und göttlichen Züge einer Madonna, die sich der Guten wie der Bösen, der Klugen wie der Törichten erbarmt, vereint sind."
Târâ wird als hingebungsvolle Dölma, als dam-tshing sgrol-ma, bezeichnet und ist die Verkörperung jener vertrauensvoll-gläubigen Hingabe (dam-tshing; Skt.: bhakti), der "nichts unmöglich ist". Einer mit Târâ verbundene Weisheit des Herzens ist es möglich "Berge zu versetzen", denn die völlige Hingabe und Einswerdung mit dem Göttlichen zusammen mit dem dieser Einstellung zugrundeliegenden, von Liebe durchwirkten Vertrauen, verbindet mit der "Alles-Durchleuchtenden und Alles-Erhellenden Weisheit" des Dharmakâya. Ohne diese innere Bindung im Sinne der religio ist Meditation sinnlos. Ohne Rückverbundenheit und Ehrfurcht vor dem Unerklärbaren verlieren die Symbole ihre Kraft und werden völlig bedeutungslos.
Dam-tshing ist ein Hauptgrund für die Verschwiegenheit in bezug auf Initiationsriten und Meditationserfahrungen, denn die Kraft der inneren Hingabe geht verloren, wenn ein Mysterium "zerredet" und auf die Ebene des Profanen herabgezogen wird - bloss um der Befriedigung der Neugier und der Sensationslust willen. Geschwätzigkeit vernichtet das Mysterium der inneren Verwandlung.
(Zu Târâ bzw. dam tshing vgl. Govinda 1956 S. 124ff.)
Amoghasiddhi ist der Dhyâni-Buddha der nördlichen Himmelsrichtung und repräsentiert "die Sonne um Mitternacht", also gewissermassen die "schwarze Sonne". Dieses Licht ist den Alltags-Sinnen entrückt und wirkt im Verborgenen. Es bringt die Wesen zur Reife der Erkenntnis und zur Erlösung. Das gelbe, den Blicken entzogene und mit dem tiefen Blau der Nacht zum Grün verwobene Licht zeugt von der geheimnisvollen Aktivität der im (Klar-) Traum wirkenden geistigen Kräfte. Das ruhevolle mystische Grün der "Alles Vollendenden Weisheit" Amoghasiddhis entsteht somit aus der Mischung von Gelb und Blau.
Die Erkenntnis der essentiellen Gleichheit und Einheit aller Wesen wird durch die Macht der allumfassenden Liebe und des unbegrenzten Mitgefühls von Amoghasiddhi mittels seiner Weisheit in eine Aktivität verwandelt, die dem Heil aller Wesen dient. Liebe (maitrî) und Mitleid (karûna) sind das Wahrzeichen einer magischen, verwandelnden Geisteskraft (siddhi). Dies wird durch Amoghasiddhis unzerstörbarem Doppelzepter ausgesagt. Im Zentrum des Doppelvajra (visva-vajra) erscheint die Keimsilbe AH. Das Doppelvajra fasst die drei Dimensionen des Raumes und die Dimension der Zeit zu einer "fünften" Dimension zusammen. In dieser wurzeln die transzendenten Kräfte der Erleuchteten und der Wesenskern aller Bodhisattvas.
Der im Doppelvajra enthaltenen "allesdurchdringenden Buddha-Kraft", der "über alle Zeiten und Räume wirkenden Kraft des erleuchteten Bewusstseins", entspricht auf der Ebene des Elementaren die Luft bzw. der Wind Der lebendige Odem (prâna) ist das Prinzip des Lebens und zeigt sich im skandha der Willens-und Bildekraft.
Im Bardo Thödol heisst es daher: "Am fünften Tage leuchtet die reine Form des Elementes Luft als ein grünes Licht. Und aus dem grünen nördlichen Reich der Erfolgreichen Werke' erscheint der Erhabene Amoghasiddhi, umarmt von der hingebungsvollen Târâ. Das reine Prinzip des Wollens strahlt als das grüne Licht der alle Werke vollendenden Weisheit."
Aber gleichzeitig mit dem blendend hell erstrahlenden grünen Licht der "allesvollendenden Weisheit" aus dem Herzen Amoghasiddhis erscheint das "neidgetränkte" trübrote Licht der Asuras. Starke Missgunst und heftiger Neid führen nun dazu, dass die "allesvollendende Weisheit" abschreckt und gemieden wird. Es kommt zu einer Fluchtreaktion und der Zuwendung zum weitaus weniger blendenden, trüben Rotlicht. Die Sogwirkung der Welt der Asuras überwiegt, was zur Folge hat, dass unerträgliche Qualen aufgrund von Streitigkeiten und fruchtlosen Auseinandersetzungen im Asura-Bereich zu erdulden sind.
Der Thron Amoghasiddhis wird von einem Garuda getragen. In der Gestalt eines Garuda, eines geflügelten Menschen, wird das Alltägliche transzendiert und werden neue Dimensionen des Bewusstseins erschlossen. Dies geschieht in der mysteriösen Dunkelheit der Nacht und könnte durchaus mit dem luziden Traum bzw. der Ausserkörperlichkeit zu tun haben. Es ist in diesem Zusammenhang allerdings zu beachten, dass der Garuda den Thron Amoghasiddhis trägt. Gerade der Mensch des neuen Zeitalters ist somit eine helfende Gestalt, d.h. eine Gestalt, die sich freiwillig für den Bodhisattva-Pfad entschieden hat, um das bewusst zu unterstützten, was Amoghasiddhi verkörpert.Gewisse Mythen schildern den Garuda als ein Wesen, das einen menschlichen Körper von goldener Farbe hat. Sein Kopf ist weiss, und er hat einen Raubtierschnabel und scharlachrote Adlerflügel. Der Garuda ist einer der ältesten Vögel, durch dessen Grösse beim Vorbeiflug die Sonne verdeckt und der Himmel verdunkelt wird. In früheren Zeiten tötete und frass er Tag für Tag eine Schlange. Aber dann lehrte ihn ein buddhistischer Prinz, das Leben zu achten. Der Garuda ass nun kein Fleisch mehr, sondern sammelte die Knochen der seit Generationen getöteten Schlangen wieder ein und gab ihnen neues Leben. Seither nennt man ihn den "Vogel des Lebens". Er ist der Thronträger Amoghasiddhis und Vishnu reitet auf ihm. Ein Garuda ist übrigens das Hoheitszeichen Indonesiens.
Die rechte Hand von Amoghasiddhi ist in der Geste der schützenden Furchtlosigkeit (abhaya-mudrâ) erhoben, wobei die nach aussen gekehrte Handfläche den Doppelvajra zeigt. Furchtlosigkeit ist die Eigenschaft aller Bodhisattvas und all jener, die den Bodhisattva-Pfad begehen und die "Befreiung vom Leiden und den Fesseln der Selbstheit nicht durch Verneinung des Lebens, sondern durch Dienst am Nächsten im Streben nach vollkommener Erleuchtung verwirklichen" (Govinda 1956 S.335).
"Für sie hat das Leben seine Schrecken verloren und das Leiden seinen Stachel. Denn sie erfüllen dieses irdische Dasein mit neuem Sinn, statt es zu schmähen oder um seiner Unvollkommenheit willen zu verachten" (ibid. S.334).
Amoghasiddhis Keimsilbe (bîja) ist AH und sein Mantra ist:
OM AMOGHASIDDHI AH
Dhyâni Buddha |
Vairocana | Akshobhya | Ratnasambhava | Amitâbha | Amoghasiddhi |
Vajrasattva | Avalokiteshvara | (Maitreya) | |||
Name | Sonnengleich Strahlender | Unerschütterlicher fest in sich Ruhender |
Juwelengeborener Ursprung der Juwelen |
Unendliches Licht | Allmächtigen Eroberer Verwirklicher des Ziels |
Ort | Zentrum (Osten) | Osten (Zentrum) | Süden | Westen | Norden |
Farbe | weiss (blau) | blau (weiss) | gelb | rot | grün |
Element | Äther | Wasser | Erde | Feuer | Luft |
Skandha | Bewusstsein, Bewusstheit, BK 0/0 |
Form- und Strukturgebung BK m/n |
gefühlsmässig wertende Empfindung | einordnende Wahrnehmung | Willens- bzw. Bildekraft |
Symbol | Rad der Lehre des universellen Gesetzes (dharmachakra) |
Blitz Diamant-Szepter (vajra) |
Dreifaches Juwel (tri-ratna) Wunscherfüllendes Juwel (chintamani) |
(offener) Lotus (padma) |
Doppelvajra (visvavajra) |
Thron- träger |
Löwe | Elefant | Pferd | Pfau | Garuda |
Weisheit | Alles-Durchdringende Weisheit des Dharmakaya Weisheit des Dharmadhatu |
spiegelgleiche Weisheit | gleichwertende, mitfühlende Weisheit | unterscheidende Weisheit | alles vollendende Weisheit |
Vergiftung (Antidot Weisheit) |
Unwissenheit Verblendung Täuschung |
Hass Zorn Ärger |
Stolz Überheblichkeit Eigendünkel |
Begehren Sehnen Gier |
Neid Missgunst Eifersucht |
Mudrâ | Inbewegungsetzung des Rades der Lehre Buddhas (dharmachakra) |
Erdberührung (bhûmisparsha ) |
wohltätiges Geben (dâna) |
Meditation (dhyâna) |
Furchtlosigkeit (abhaya) |
Bîja | OM | HUM | TRAM | HRIH | AH |
Mantra | OM Vairocana OM |
OM Akshobhya HUM |
OM Ratnasambhava TRAM |
OM Amitâbha HRIH |
OM Amoghasiddhi AH |
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