Die Dreikörpertheorie Werner Zurfluh |
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Der Körpereinteilungen gibt es viele. Hier
ein Beispiel:
In der Alchemie gilt der physische Leib als die
'grobstoffliche Hülle' des Menschen. Daneben gibt es den Astralkörper'
bzw. die Seele', die auch als 'verborgener Zweitkörper' bezeichnet
wird. Energetisch werden die beiden Körper durch eine Astralmatrize'
verbunden. Der Astralkörper ist 'feinstofflicher' als der physische, aber
gegenüber einem dritten Körper, dem sog. Mentalleib, selber wieder
wesentlich 'grobstofflicher'. Dieser Mentalleib ist der Träger des Geistes
und energetisch durch die Mentalmatrize' mit dem Astralkörper
verbunden. (Die Ausführungen der alchemistischen Dreikörpertheorie
im Zusammenhang mit der Astrologie beruhen auf Texten von Beat Krummenacher.)
Durch
die Vererbung physischer Natur erhält der Mensch die Grundlagen seiner
physischen Ausgestaltung. Genauso besitzt jeder Mensch ein 'seelisches' Erbgut,
das die Prägung auf astraler Ebene bewirkt. Ebenso wie bestimmte Ereignisse
(z.B. Rekombinationen und Mutationen) die Ordnung der Gene auf der physischen
Ebene beeinflussen, so beeinflusst das 'astralenergetische' Feld die
energetische Struktur des Astralkörpers im Augenblick der Geburt.
Das
'astralenergetische' Feld ist orts- und zeitabhängig, denn das astrale Feld
der Erde hängt von der raumzeitlichen Anordnung des (astralen) Kosmos ab..
Deshalb sind in der Astrologie die genaue Geburtszeit und die genaue
geographische Lage des Geburtsortes von ausschlaggebender Bedeutung.
Vergleichbar der physischen, genetischen Kodifizierung in den Chromosomen, wird
in einem äusserst komplexen, energetischen Muster die 'Genetik des
Astralen' von Geburt an gespeichert.
Eine Analyse der 'Himmelsstellung'
bei der Geburt (Geburtshoroskop) erlaubt den Rückschluss auf die
energetische Matrix, die den Astralkörper des Menschen geprägt hat.
ASTROLOGIE, ASTRALLEIB UND
RENAISSANCE-MEDIZIN
Die Einteilung
in drei Körper ist eine von vielen möglichen Einteilungen, über
deren tasächlichen "Erfahrungswert" kaum etwas gesagt werden
kann. Es wird immer wieder behauptet, DASS drei Körper
erfahrbar seien - über das WIE wird jedoch kaum etwas ausgesagt.
Mit
Nachdruck wird manchmal betont, der Mensch verfüge nicht nur über
einen physischen Leib und eine Art von Zweitkörper, sondern über drei
in eigener Erfahrung unterscheidbare 'Körper', die innig miteinander
verbunden sind. Aber allein deswegen, weil viele dies behaupten und über
Jahrhunderte jeweilen von ihren Vorgängern abschreiben, wird diese Aussage
nicht wahrer.
Ich selber spreche bloss von einem "Zweitkörper"
- und nicht von irgendwelchen verbindenden Matrizen, also nur über das, was
meinem eigenen Erleben entspricht. Es ist mir deshalb nicht möglich,
das Dreikörperkonzept zu bestätigen. Vielmehr vermute ich, dass die
Einteilung in drei Körper die Tendenz hat, sich zu verselbständigen
und weiter aufzusplittern.
Aus diesem Grunde scheint es angebracht,
sich ein wenig in der Geschichte umzusehen, um dem Dreikörperkonzept auf
die Spur zu kommen. Dabei könnte ersichtlich werden, was Astrologie'
mit Astralkörper' zu tun hat, wie Spekulationen die eigene Erfahrung
ersetzen und wie logische Lücken beinahe unmerklich geschlossen werden. Bei
einer Lückenschliessung' wird kaum jemals vermerkt, dass es sich
bloss um ein gedankliches Konstrukt ohne Erfahrungsgrundlage handelt.
Andererseits scheint niemand auf die Idee zu kommen, dass es gerade solche
Konstrukte sind, die sich in der Erfahrung niederschlagen - so gewissermassen
als selbsterfüllende Prophezeiungen. Ein schwieriges Kapitel, denn es lässt
sich meist nicht entscheiden, was wirklich echt und was bloss Folge eigener
Spekulationen ist, zumal auch hier der selektiven Subjektivismus gilt.
In
bezug auf das Dreikörperkonzept mangelt es eindeutig an Erfahrung,
aber es gibt eine Menge schriftlicher Zeugnisse theoretischer Natur. Diese
zeigen sehr schön, wo die Praxis aufhört und die Theorie beginnt.
Woher
kommt die Idee des Astralleibes?
Wie wirkt sie sich aus?
Dies sei im
folgenden anhand der Renaissance-Medizin erläutert.
DER EINFLUSS DER GESTIRNE UND DER AUFBAU DES
ASTRALLEIBES
Worauf beruht die
Vorstellung, der Mensch stehe unter dem Einfluss der Gestirne und besitze einen
Astralleib? Da es sich hier um sehr alte Vorstellungen handelt, lässt sich
die Frage nur andeutungsweise beantworten - z.B. mit einem Hinweis auf Gedanken,
die im 15. und 16. Jahrhundert zur Zeit der Renaissance von Medizinern geäussert
worden sind. Einen möglichen Aufschluss gibt der Text PHYSIOLOGIA im Buch
IV von Jean Fernel. Dieses Buch wurde erstmals in DE NATURALI PARTE MEDICINAE im
Jahr 1542 publiziert. In diesem Buch, das für Generationen von Ärzten
zu jener Zeit massgeblich gewesen ist, geht Fernel auf die von den
Neuplatonikern erstmals geäusserte Meinung ein, der Mensch bestehe aus
VERSCHIEDENEN Körpern.
Der Neuplatonismus ist
eine von Ammonius Sakkas um 200 n.Chr. begründete philosophische Richtung,
die eine durch orientalisch religiöse Ideen nicht unbeeinflusste Synthese
von Lehren Plotins, des Aristoteles, der Stoiker u.a. darstellt. Von den
Neuplatonikern beeinflusst sind z.B. viele Scholastiker und
Renaissance-Philosophen, aber auch Spinoza, Fichte, Hegel, Bergson und Goethe.
Vgl. R. Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe Bd.2, 1929: 239-240.
Die
Neuplatoniker vertraten die Auffassung, dass die von Gott geschaffene "Seele"
sich NICHT ohne vermittelndes Bindeglied in einem soliden materiellen Körper
festsetzen könne. Um dies zu bewerkstelligen, bedürfe es neben dem
materiellen Körper noch zwei weitere, einerseits eines strahlenden, reinen
und sternengleichen und andererseits eines feinen, weniger hell leuchtenden ätherischen.
(Hierzu vgl. D.P. Walker, "The Astral Body in Renaissance
Medicine" in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, Vol.21
Numbers 1-2, 1958:119-133.) Diese beiden Körper werden Astralleib
und Ätherleib genannt.
Bezüglich der Anzahl der körperlichen
Zwischenglieder bestehen unterschiedliche Auffassungen, auch was ganz allgemein
die Theorie des ersten, des Astralleibes (von Paracelsus "siderischer Leib"
genannt), betrifft. Dies soll hier nicht zur Sprache kommen. Vielmehr geht es um
die Frage, wie es dazu kommt - gemäss neuplatonischer Auffassung -, dass
die Gestirne auf den Menschen Einfluss nehmen und darum, wie die
Renaissance-Mediziner mit dem Astralleib "umgehen".
Die
Beeinflussung geschieht beim Abstieg der Seele von ihrem göttlichen
Ursprung durch die Himmelssphären bis hinunter auf die Erde. Die Seele gerät
beim Hinuntersteigen zur Erde in den Bereich verschiedenster
Sternkonstellationen und Planeten - und nimmt dabei andauernd ein ganz klein
bisschen von dem sehr feinen und leuchtenden Sphären- und Sternenstoff auf.
Sie umkleidet sich auf diese Weise mit einem Astralleib. Die beim Abstieg
erhaltenen Prägungen sind wesensbestimmend für den Menschen und lassen
sich von der Astrologie ergründen. Es fragt sich bloss, von welchen
Sternkonstellationen auszugehen ist, denn der Abstieg geschieht lange vor der
Geburtsstunde.
Eine andere Ungereimtheit lässt
sich folgendermassen entwickeln: Für Aristoteles besteht der Himmel aus dem
5. Element, der QUINTESSENTIA. Ergo dürfte der Astralleib bzw. der Ätherleib
(die beiden Körper werden oftmals nicht voneinander unterschieden) ein "Körper
der Quintessenz" sein. Zumindest ist die quinta essentia als eine der möglichen
Bildungsquellen des siderischen Leibes zu betrachten. Dieser Astralleib ist natürlich
ein Vehikel wie der irdische Leib - nur für eine andere Sphäre. Wenn
man's jedoch genau nimmt, kann der Astralleib gar nicht aus der Quintessentia
bestehen, er kann ihr bestenfalls analog sein (was das auch immer heissen mag),
denn für Aristoteles ist die Quintessentia unveränderlich. Woraus
besteht er?
Hierbei handelt es sich um eine von den
Neuplatonikern geäusserte Spekulation, die wohl eher ein Produkt des
Denkens denn eine Schlussfolgerung aufgrund persönlicher Erfahrungen ist.
Die Herkunft bzw. die Entstehung des Astralkörpers muss selbstverständlich
problematisiert werden.
Hinsichtlich der verschiedenartigen Körper,
die die Seele "umgeben", gibt es - wie bereits angedeutet - keinen
Konsens. Den Renaissance-Medizinern könnte dies eigentlich egal sein, denn
die "Körperlichkeit", mit der sie sich beschäftigen, kann
ihnen erst dann greifbar werden, wenn die Seele als solche in die
irdisch-materielle Sphäre eingetreten und somit inkarniert hat. Demzufolge
besteht kein Anlass, sich mit einem Astralleib abzugeben - sollte man zumindest
meinen. Doch zu jener Zeit gab es viele Leute, die eine ganz bestimmte
Vorstellung von Teufelsdienern mitsamt ihren greulichen Machenschaften im Kopf
hatten. Weshalb sollte es also nicht auch Leute geben, denen so manch andere
Gedankengänge im Kopf herumspukten?
Das 15. Jahrhundert ist «die
Epoche einer tiefen Krise und damit auch eines Dauerkonflikts zwischen mehreren
unterschiedlichen Kulturen» (Roland Günter, "Die
Renaissance war anders - Der Fall Federico von Urbino" in: Basler Zeitung
(Basler Magazin) Nr.20, 16.5.1987:7). Weit verbreitet war damals die "Hypnerotomachia
Poliphili" von Francesco Colonna («Das Buch kam 1499
in Venedig bei ALDO MANUCCI, dem berühmtesten Verleger der italienischen
Renaissance, erstmals anonym heraus. Von 1499 bis 1883 wurde es im ganzen
zehnmal neu gedruckt» (Linda Fierz-David, Der Liebestraum des Poliphilo, Zürich:
Rhein, 1947:19)), und in ganz Europa wurde das 1528 herausgekommene Buch "Il
Cortigiano" gelesen, in dem der von Plato stark beeinflusste italienischen
Edelmann Castiglione das Idealbild des feinen Edelmannes gezeichnet hatte.
(Vgl. Hans Hubschmid, Weltgeschichte Bd.3, Die Neuzeit.
Erlenbach-Zürich: Rentsch, 1961:23.)
In den neuerbauten Häusern
der Nobilität, in denen den Menschen ihr eigenes Mass sinnlich fassbar
wurde, gab es kleine abendliche Gesellschaften, wo man sich spannende
Geschichten zu erzählen wusste. Die in den Räumen vorhandenen Bilder,
Reliefs und Figuren mit Themen aus «der antiken Mythologie waren keine
Namen aus einem zur Langeweile reduzierten Griechisch- oder Lateinunterricht,
sondern Stichwortgeber für Geschichten, in denen man auf Umwegen reale oder
traumhafte Bereiche seiner eigenen Existenz darstellte» (Günter
S.8). «Darin verwoben war eine Ebene des Denkens und Unterhaltens,
die - seit Römerzeiten kaum gebrochen - neben der christlichen existierte:
die Astrologie. ... Der Überzug, der diese Ebene vor dem Zugriff der Kirche
schützte, ja selbst in der Kirche erlaubt sein liess, hiess Astronomie»
(Günter S.8).
Die Magie hatte im bäuerlichen
Milieu eine weite Verbreitung unterhalb des Christlichen. In den Kreisen der
Notablen aber war die Astrologie im wesentlichen die erlaubte Ebene des
Magischen. In diese Ebenen konnten die antike Mythologie und das antike Denken
in verstärktem Masse eingewoben werden. Und «auf dem Weg über die
antiken Geschichten liessen sich vorhandene Überzeugungen und Denkformen
nun in einer ausdrücklicheren Weise deutlich machen» (Günter
S.8). Eine derartige Bildung war von hohem Prestigewert, was vor dem
Zugriff des Christlichen schützte. Dabei darf nicht übersehen werden,
dass sich Ende des 15. Jahrhunderts der Hexenwahn massgeblich verstärkt
hatte. 1484 bestätigte eine päpstliche Bulle die Möglichkeit der
Buhlerei mit dem Teufel und drei Jahre später erschien in Strassburg der
berüchtigte "Hexenhammer". Mit dem Verschwinden der
Glaubensgewissheit, die das Hochmittelalter gekannt hatte, begann ein Suchen
nach neuen Inhalten.
Eigentlich wären dies gute Voraussetzungen
dafür gewesen, anstelle von Spekulationen nun die persönliche
Erfahrung sprechen zu lassen - und eben Medizin oder dann praktische Magie
(Mantelfahrt) und Hexerei (Besenritt) zu betreiben. Auch seitens der Mystik wäre
einiges einzubringen gewesen, ich erinnere nur an Johann vom Kreuz (1542-1591),
Teresa von Avila (1515-1582), Filippo Neri (1515-1595) und Caterina Ricci
(1522-1554). Man hätte also problemlos, d.h. unter Einbezug persönlicher
Erfahrungen, von Ausserkörperlichkeit und Wahrnehmung eines Zweitkörpers
sprechen und auch die Frage nach dem Astral- und dem Ätherleib neu stellen
können.
Wenn Erfahrungen auftreten, die zeigen, dass es möglich
ist, neben dem irdischen Leib mindestens noch einen zweiten - den Astralleib -
zu erleben und diesen als Vehikel zu benutzen, um sich in anderen, nicht-alltäglichen
Sphären zu bewegen, bekämen die Aussagen der Neuplatoniker eine
praktische Relevanz - auch für die Menschen der Renaissance.
Aber
es kam anders! Solche Erfahrungen, wie ich sie eben angedeutet habe, wurden
nicht bloss - wie dies heutzutage etwa geschehen mag - als krankhafte Einbildung
bezeichnet, sondern als Teufelswerk - und mit dem Scheiterhaufen geahndet!
Bestenfalls gelang eine Einbettung in das theologische Gebäude, wovon
Johann vom Kreuz ein beredtes Beispiel gibt. Eine seit Menschengedenken bekannte
Erlebensweise wurde auf diese Weise leichtfertig unter den Tisch gewischt und
mittels Spekulationen zugeschüttet.
Die Mediziner der Renaissance
hätten sich im Hinblick auf die antiken Quellen eigentlich die Frage
stellen müssen, ob ein Konzept wie das des Astralleibes sich innerhalb
ihrer Medizin überhaupt abhandeln lässt - auch wenn sich die von ihnen
betriebene Medizin ausschliesslich und per definitionem nur um den irdischen
Leib kümmert. Der neuplatonische Kontext, in dem die Idee "Astralleib"
formuliert wurde, ist angesichts der Herkunft, die dem siderischen Leib
zugesprochen wird, eindeutig als ein religiös-philosophischer (und nicht
als ein medizinischer) zu identifizieren. Es hätte allerdings auch ein
Rahmen sein können, der es erlaubt, gewisse "eleusinische und
hermetische" Erfahrungen etwa in der Art ausserkörperlicher Erlebnisse
mitzuberücksichtigen. Aber das hätte zu schwerwiegenden Konflikten mit
dem gängigen Weltbild und demzufolge mit der Gesellschaft führen müssen.
Dass in bezug auf den Astralkörper ein Zusammenhang mit den Mysterien von
Eleusis, dem Hexentum oder der Alchemie besteht, schien man (offiziell) nicht
sehen zu können oder sehen zu wollen. Und eine Aufdeckung derartiger
Verbindungen hätte in der Praxis nicht nur den sozialen Tod, sondern den
Scheiterhaufen bedeutet.
Allein schon die Vorstellung einer vom Himmel
herabgestiegenen Seele, die sich unterwegs mit einem siderischen Körper
bekleidet, lässt sich wegen der mit dieser Annahme einhergehenden antiken
bzw. (neo)platonischen Idee einer Metempsychose (Seelenwanderung) nicht mit der
christlichen Doktrin verbinden, worauf schon in der frühen Renaissance
diverse Denker hingewiesen haben. Eine Einfügung in das Christentum ist
wegen der Auffassung, der Mensch würde erst am Tage des Gerichtes
wiederauferstehen, nicht möglich, obwohl der Astralleib grosse Ähnlichkeiten
mit dem CORPUS GLORIOSUM (dem Auferstehungskörper) besitzt.
In der
Renaissance erscheint denn auch der Astralkörper als ein religiöses
Konzept, aber als eines, dessen gefährliche Unorthodoxie gerade denjenigen
klar vor Augen stand, die sich mit der platonischen Sichtweise der Seele
auseinandersetzten. Umso erstaunlicher ist Fernels Erwähnung des Astralkörpers
und die eingehende Besprechung der medizinischen, kosmischen und alchemischen
Geister. Auch die astrologischen Einflüsse werden sehr ausführlich von
Fernel erörtert. Die Himmel enthalten gemäss seiner Auffassung die
Formen aller Dinge und übermitteln diese mit Hilfe des komischen Geistes
(spiritus mundi) in die irdische Welt. Auch haben alle Dinge neben ihrer natürlichen
Beschaffenheit einen Geist, der direkt oder indirekt von den Sternen stammt und
fortlaufend von ihnen bestimmt wird. Der Astralleib des Menschen ist allein
schon von der Idee her bestens dafür geeignet, die Einflüsse seitens
der Gestirne aufzunehmen - welche Auffassung es Fernel dann erlaubt, die Ursache
gewisser Krankheiten himmlischen Sphären bzw. bestimmten astrologischen
Konstellationen zuzuordnen - vor allem diejenigen, die er selber nicht zu ergründen
vermag bzw. nicht kennt! (Vgl. Walker S. 123-125.)
Nur
um den Bereich rationaler Erklärungsmöglichkeiten auszuweiten, hat
Fernel also - so betont Walker -, trotz der offensichtlichen Widersprüche
zur christlichen Auffassung, das Konzept des Astralkörpers beibehalten -
allerdings ohne sich darum zu bemühen, diesen gedanklichen Entwurf zu einer
Theorie auszuarbeiten. Es könnte sich somit auch bloss um eine
intellektuelle Bequemlichkeit etwa in der Art handeln, wie eine unerklärliche
Verhaltensweise einfach mal als instinktiv bezeichnet wird, ohne dass damit
irgend etwas auch tatsächlich erklärt worden wäre.
Die
einzigen Einflüsse von Gestirnen, die Fernel tatsächlich erwähnt,
betreffen die Wärme, die von der Sonne stammt. Fernel sagt, es sei diese
himmlische Hitze, welche die Entwicklung und das Wachstum beeinflusse - und mit
diesem Hinweis erweist er sich als Vorläufer der im späteren 16.
Jahrhundert üblichen Simplifizierung und Rationalisierung der Astrologie,
die sich bloss noch auf die Sonne und deren Wärme konzentrierte.
Eine
durchgängige astro-spirituelle Kosmologie lässt sich kaum mit der
christlichen Doktrin der Seele in Einklang bringen. Alle Philosophien, in denen
das Konzept "Geist" dominiert, tendieren ausserdem dazu, immanent und
demzufolge idealistisch zu sein (vgl. Walker S. 126), d.h. sie betonen, dass
Dinge oder Objekte nur Zusammenhänge von Bewusstseinsinhalten sind und
nicht an sich bzw. ausserhalb der Erfahrung existieren. Nun glaubte bereits zur
Zeit Fernels kaum jemand mehr an die Möglichkeit, dass der Mensch den
Astralleib selbst sehen bzw. erleben könne. Demzufolge bestanden nur
geringe bis gar keine Chancen dafür, die Auffassung zu vertreten, eine
transzendente, unkörperliche Seele müsse sich einen Astralkörper
als Zwischenglied aufbauen. Auch mir ist es - nebenbei gesagt - nicht möglich,
diese Auffassung zu teilen, da ich über keinerlei Erfahrungswissen in
dieser Richtung verfüge. Für mich handelt es sich um ein rein
spekulatives Modell, mit dessen Hilfe zunächst einmal erklärt werden
soll, wie der Astralleib ENTSTANDEN ist. Dieser Erklärung kann ich nicht
folgen, weil ich diesbezüglich unerfahren bin. Dass es den sogenannten
Astralkörper allerdings in dem Sinne gibt, dass er EFAHREN werden kann,
steht für mich zweifelsfrei fest - ebenso, wie festeht, dass ich einen
physischen Körper habe. Den sogenannten Astralleib habe ich im Rahmen der
Ausserkörperlichkeit mehrmals erlebt.
Die Schwierigkeit liegt für
mich also darin, dass Fernel und auch die Astrologen damals wie heute nicht von
ihrem persönlichen Erfahrungswissen bzw. ihrer Erfahrungsgewissheit
ausgehen, was den Astralleib als solchen betrifft. Ich sage ausdrücklich
ASTRALLEIB und spreche nicht von möglichen Korrelationen und Zuordnungen,
die sich durchaus aufgrund langjähriger Beobachtung von Sternen- und
Planetenkonstellationen mit Charaktereigenschaften ergeben können. Fernel
hat denn auch den Einfluss der Sonne "gewürdigt", der sich ja mit
Leichtigkeit tagtäglich beobachten lässt.
Wird - wie bei
Fernel - das Konzept des Geistes bzw. des Astralleibes mit der Astrologie verknüpft,
werden die Schwierigkeiten noch offensichtlicher. Denn jetzt wird das, was
transzendent ist, den Sternen zugeordnet. Und da der Geist ja von den Sternen
stammt, wird er fast zu so etwas wie einem Doppelgänger der Seele (und
umgekehrt) - und beides hat "natürlich" einen himmlischen bzw. göttlichen
Ursprung. Geist und Seele gehören aber auch für den Menschen der
Renaissance zur vollständigen Körperlichkeit des Menschen - und beide
bilden die Grundlage der psychischen Aktivitäten. Es gibt nun gemäss
Walker deren zwei Möglichkeiten, die sich hieraus ergebenden
Schwierigkeiten zu umgehen, doch sind beide philosophisch unbefriedigend und
zudem in bezug auf konfessionelle Vorstellungen unorthodox.
Entweder
identifiziert man die Seele mit dem Geist (Melanchthon, Agostino Donio, Jean
Bodin) oder man reduziert die Funktion der Seele auf rein abstrakte Gedanken und
den Intellekt (mens) und überlässt dem Geist alle anderen psychischen
und vitalen Funktionen (Telesio, Campanella, Descartes). (Vgl.
Walker S. 126.)
Fernel tat weder das eine noch das andere und
verstrickte sich vor allem in seiner Embryologie in Ungereimtheiten, wo eines
der beiden nicht-materiellen formbildenden Prinzipien völlig überflüssig
ist. Bis anfangs des vierten Monates lässt er den Geist den Embryo
gestalten. Wenn jedoch Herz und Gehirn ausgebildet sind (die Organbildung ist
Ende des dritten Monates "abgeschlossen"), wird die Seele unverzüglich
in den Fötus eingesenkt und übernimmt nun die weitere Entwicklung. In
diesem Moment ist die Seele rein rational (mens), aber dann wird sie eins mit
den unteren, vegetativen und empfindungsfähigen Seelen, die bereits im
Geist vorhanden sind.
Wie sich hieraus ein kohärentes System
ergeben soll, ist völlig schleierhaft. Deshalb kann es nicht überraschen,
dass bereis die unmittelbaren Nachfolger Fernels diesen Aspekt seiner
medizinischen Philosophie scharf kritisiert haben. William Harvey (1649) sagt
sogar, Fernel gehöre zu jenen, die das Konzept des Geistes als deus ex
machina missbrauchen, um irgendwelche schwierigen Probleme zu lösen
(vgl. Walker S. 127).
Johannes Argenterius
macht in seinem DE SOMNE ET VIGILIA aus dem Jahre 1556 die Andeutung, für
die Existenz des Astralleibes gebe es keine Zeugnisse seitens der klassischen
Autoritäten. Tatsächlich lassen sich keine materiell schlüssigen
Beweise für die Existenz eines Astralleibes beibringen, was wegen dessen
besonderer, vom Materiellen abweichenden Beschaffenheit auch nicht verwunderlich
ist. Aber es gibt Erfahrungsberichte, die von einem Astralleib sprechen und auf
die sich letztlich alle berufen müssten, die einen Astralkörper als
gegeben annehmen.
Wer sich im 16. Jahrhundert darum bemüht, die
Medizin rationaler zu machen, wird entweder auf eigene Erfahrungen oder auf Erzählungen
anderer, die den Astrallleib betreffen, zurückgreifen müssen, sollen
seine Ausführungen über diesen Körper nicht rein spekulativ
bleiben. Möglich wäre es auch, einfach wie Argenterius zu vermuten,
dass es manche Leute gibt, die deswegen an einen lichthellen (luziden) und
scheinenden Geist glauben, «weil sie Engel und andere göttliche NUMINA
gesehen haben, die von Malern mit einem gewissen hellen Glanz und von Licht
umgeben dargestellt wurden. Ausserdem haben diese Leute von den Theologen gehört,
dass es sich hierbei um Geistwesen handle. In der Folge haben sie denn daraus
die Schlussfolgerung gezogen, dass der geistige Stoff in unserem Körper
dem ganz ähnlich sein müsse» (zit. nach Walker
S. 128).
Oder man lässt den Astralleib einfach sein. So
etwas nennt sich Rationalisierung und unterscheidet sich nicht im geringsten von
den Vorgehensweisen, wie sie heutzutage üblich sind. Auf diese Weise wird
jedoch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, denn die ERFAHRUNG des
Astralleibes unabhängig von irgendwelchen Darstellungen von Engeln oder
Aussagen von Theologen bleibt bestehen. Ausserkörperlichkeit lässt
sich nicht durch Rationalisierung oder Schweigen aus der Welt schaffen, obwohl
sie sich nicht einfach mittels eines Abstieges der Seele durch die Sphären
und eines dabei stattfindenden Aufbaues eines Astralleibes erklären lässt,
der sich unter Umständen wieder von der physischen Hülle abzulösen
vermag.
Möglich wäre es, dass dieser Erfahrungsbereich aus
einem sehr traurigen Grund vermieden werden muss, weil er den Menschen nämlich
mit Dingen konfrontiert, die er lieber vergessen würde. Ich kann nur immer
wieder betonen, dass Ausserkörperlichkeit ohne Bewusstheit auch der alltäglichen
und damit der sozialen und geschichtlichen Ereignisse niemals zu einem
wiederholbaren Ereignis werden kann. Waren es vor und nach 1500 beispielsweise
die Hexenverfolgungen und Religionskriege, so sind es heute eine Unmenge von
mindestens ebenso fürchterlichen Geschehnissen, die es bewusst zu machen
gilt.
Im von Adolf Holl im Jahre 1987 herausgegeben Buch "Die
zweite Wirklichkeit" sollte Selbsterlebtes bekannt gemacht und Skeptikern
der aktuelle Stand der Debatte über Grenzerfahrungen vermittelt werden.
Doch in einem Fall «wurde das Selbsterlebte so peinvoll, dass der Beitrag
nicht geschrieben werden konnte. Es handelte sich um das Experiment einer Art
von Zeitreise in einem leicht veränderten Wachbewusstheitszustand,
veranstaltet eigens zum Zweck der Berichterstattung für dieses Buch. Die
Versuchsperson, Alter unter Vierzig, fand sich dabei im Viehwaggon eines
Judentransportes in Richtung Vernichtungslager, als einzig Überlebende;
alle übrigen waren während der Fahrt erfroren» (Adolf
Holl, Hrsg., Die zweite Wirklichkeit, Wien: Überreuter, 1987:8)..
ERKLÄRUNGSMODELL ASTRALLEIB?
Der Astralleib und all die sich darum rankenden Seelen-
und Geistkonzepte sind in der Medizin nicht als Erklärungsmodelle
zu gebrauchen. Schliesslich obliegt es nicht dem Mediziner, sich mit der
Entwicklung oder gar der Entstehung von Seele und Geist, bzw. mit den
Spekulationen, die darüber im Umlauf sind, auseinanderzusetzen. Dies mögen
andere tun, sofern sie über Erfahrungsmaterial aus erster Hand verfügen,
d.h. selbst Dinge erlebt haben, aus denen sie dann die Schlussfolgerung ziehen können,
es sei so und nicht anders gewesen. Ich jedenfalls kann dazu nichts sagen, denn
ich habe mich auf das zu beschränken, was ich selber erlebt habe. Und da
gibt es keine Erlebnisse, die den Abstieg durch die Sphären und die damit
verbundene Bildung eines Astralleibes betreffen.
Etwas anderes ist es
mit dem, was allgemein als Äther- und als Astralleib bezeichnet wird und
was ich vereinfachend "Zweitkörper" zu nennen pflege. Da KANN ich
auf persönliche Erfahrungen zurückblicken und da ERLEBE ich weiterhin
ab und zu eben diesen Zustand, der sich mit Ausserkörperlichkeit
umschreiben lässt, weil ich meine, AUSSERHALB des physischen Körpers
(unter Umständen eben in einem Zweitkörper) zu sein. Und da gibt es
auch viele andere Menschen, die Ähnliches erlebt haben, und die sogar
betonen, dieser andere, nichtmaterielle Körper sei behandelt worden. So
beispielsweise Wulfing von Rohr, der im Februar 1986 während zwei Wochen im
Light Institute in Galisteo, einem kleinen Dorf südlich von Santa Fe in New
Mexiko, die Gelegenheit hatte, Chris Griscom und ihre Arbeit kennenzulernen.
Von
Rohr schreibt unter Bezugnahme auf die Behandlung im Rahmen des "emotional
body balancing": «Ich hatte mehrfach die Empfindung, dass mein
Feinstoffkörper im Abstand von etwa zehn bis vierzig Zentimeter vom Körper
wie mit einem Federwedel durchgearbeitet, quasi 'abgestaubt' wurde»
(Chris Griscom, Zeit ist eine Illusion - Chris Griscom erzählt
über ihr Leben und ihre Arbeit - aufgezeichnet von Wulfing von Rohr, München:
Goldmann Esoterik TB 11787, 7.Auflage 1988 (1986), S.9 - die Kenntnis dieses
Buches verdanke ich einem freundlichen Hinweis von Haroun Frick).
Man
kann beim Äther- und Astralkörper meinetwegen von Feinstofflichkeit
sprechen. Man sollte sich allerdings dessen bewusst sein, dass sich über
diese vermeintliche Stofflichkeit wenig sagen lässt, weniger jedenfalls als
über die Materie. Nur weiss ich nicht, wie sonst darüber gesprochen
werde könnte - wenn nicht mittels Analogien, d.h. scheinbaren
Entsprechungen zur physischen Körperlichkeit, obwohl auch dies einzig
aufgrund von Erfahrungen geschehen sollte.
Es gibt übrigens schon
im 16. Jahrhundert Leute, die Argenterius Ablehnung des Geistes missbilligen,
allerdings mit etwas fadenscheinigen Argumenten, die wiederum NICHTS mit den
persönlichen Erfahrungsmöglichkeiten der Ausserkörperlichkeit zu
tun haben. Domenico Bertacchi veröffentlichte 1584 eine Monografie über
Geister, in der er schreibt, die leuchtende Qualität der Geister sei von
den besten Autoren, nämlich Galen und Avicenna, bestätigt worden.
Ausserdem sei sie evident, leuchteten doch die Augen junger Katzen in der
Dunkelheit oder seien doch mit Leichtigkeit Farben zu sehen, wenn man selber die
Augen reibe. Einen Astraleib akzeptiert Bertacchi jedoch nicht, auch nicht die
eher gängige Meinung, der Geist sei der Sitz oder das Vehikel der Seele.
Ebenso lehnt er die himmlische Qualität des Geistes ab (vgl.
Walker S. 128).
Sogar Jean Riolan, der Vater der Ärzte, der
mit Harvey eine Kontroverse über die Blutzirkulation hatte, zeigt sich in
seinem Werk von 1610 überrascht darüber, dass Argenterius keine
Kenntnis vom Miteinbezug des Astralleibes in das Konzept der Neoplatoniker
hatte. Riolan scheint sogar die himmlische Natur des Geistes akzeptieren zu
wollen, was eigentlich bei einem Mediziner, der nicht Paracelsianer war, überrascht
(vgl. Walker S. 128-129).
Die Theorie Fernels
ist widersprüchlich, denn die himmlische Quintessenz des Aristoteles bleibt
unveränderlich und unzerstörbar, was Joachim Cureus in seinem Libellus
Physicus von 1572 scharf betonte. Und William Harvey sah sich 1651 ausserstande,
neben dem Blut etwas ausfindig zu machen, was als feinstofflicher Träger
dessen Funktionen nun zu übernehmen vermöchte (vgl.
Walker S. 129-130). Für die Medizin waren somit der Astralkörper
und die wunderbaren Geister erledigt, denn es gab und gibt keine empirische
Evidenz für die Existenz von Geistern oder die eines Astralkörpers -
auch wenn nun bespielsweise bei Harvey das Blut dessen Funktionen übernahm,
wie Walker feststellt (vgl. Walker S. 131), und
heutzutage noch von "innerer seelisch-geistiger Stärke", von "Libido"
usw. gesprochen wird.
Nirgends ist bei den erwähnten
Renaissance-Autoren von persönlicher Erfahrung die Rede. Man verweist
vielmehr auf klassische Werke bzw. deren Verfasser, auf Platon, die
Neoplatoniker, evtl. auch auf die Magier bzw. die Lehren Zarathustras. Alles was
mit Hexerei, Magie und Alchemie oder gar mit persönlichem Erleben zu tun
hat, wird ausgespart. Ob dies mit Absicht geschieht, weiss ich nicht. Jedenfalls
gibt es Parallelen zu den heutigen wissenschaftlichen und umgangssprachlichen
Gepflogenheiten. Immerhin wird da manchmal die Frage nach dem Einbezug der
Subjektivität gestellt, vor allem dann, wenn es um erkenntnistheoretische Überlegungen
und Freizeitgestaltung geht. Aber nach wie vor ist es ungemein schwierig, das
persönliche Erfahrungswissen beispielsweise in bezug auf den Astralleib
tatsächlich auch einzubringen, trotz New Age, Anthroposophie, (Para-)
Psychologie oder was sonst noch und offensichtlich stark subjektiv geprägt
sein mag. Was eigentlich nicht?
Und ausserdem gibt es keine Kultur des
Einbezugs persönlicher Erfahrungen ausserhalb der Kunst, also auch keinen
Erfahrungsaustausch im Hinblick auf die Existenz eines Astralleibes und dessen
Entstehung. Also bleibt es bei Spekulationen und beim vergleichenden
Literaturstudium, was nicht unbedingt zu einer realistischeren Einschätzung
des Problems führt.
Konvertierung zu HTML August 1999
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©Werner
Zurfluh