Das Mittagsschläfchen
11. November 1978
Werner Zurfluh
e-mail: Homepage Glossar



11. November 1978
Um etwa 13 Uhr nach dem Essen setze ich mich in den bequemen Korbstuhl mit hoher Rückenlehne beim Pult vor dem Fenster und lese in Lovecrafts "Berge des Wahnsinns". Nach ein paar Minuten überkommt mich eine immer stärker werdende Müdigkeit, weshalb ich das Buch weglege und mich einem Dämmerzustand überlasse. Nach etwa 20 Minuten gehe ich zum Bett hinüber, das auch in der Wohnstube steht. Es sind nur zwei übereinandergelegte Matratzen, die abends aufgeklappt werden.

Liegend "schwanke" ich hin und her zwischen Schlafen und Wachen, denn in der Küche sind meine Frau Cathy und die beiden Kinder am Abwasch und gehen nun daran, etwas zu backen. Der Lärm reißt mich stets wieder aus dem beginnenden Schlaf. Wahrscheinlich so gegen 1/4 vor 2 Uhr ist es soweit, daß ich mir den Gedanken durch den Kopf gehen lasse, eine Körperablösung einzuleiten. Gerade wegen des andauernden Hin und Her scheint mir die Gelegenheit für einen Versuch nicht ungünstig.

Mein schwankender Zustand ärgert mich keineswegs, d.h. die Geräusche gehen mir nicht auf den Wecker. Nur wenn es einen allzu lauten und plötzlichen Lärm gibt, rufe ich zwei oder dreimal in die Küche:
"Hört jetzt auf damit!"
Die Bedingungen sind also beinahe schon ideal für eine Körperablösung bei kontinuierlichen Bewußtsein (KA-BK).

Deshalb konzentriere ich mich ganz auf das Gefühl einer Verschiebung des "Zweikörpers" vom physischen Körper, wobei es darauf ankommt, den eigentlichen Austrittszeitpunkt korrekt zu erfassen. Vor allem ist es auch wichtig, Fehlinterpretationen zu meiden, weil sonst der Versuch unweigerlich fehlschlagen müßte. Denn bei einer "nachmittäglichen Körperablösung" ist das "Körpergefühl des Zweitkörpers" oft überraschend stark ausgeprägt. Deswegen habe ich es schon oft als ein Verspüren des physischen Körpers aufgefaßt, während es die Empfindungen eines wohl ziemlich dichten Zweitkörpers gewesen sind, die ich bewußt wahrgenommen habe.

Es scheint (!), daß der Verdichtungszustand bei einer Körperablösung am Nachmittag beim Mittagsschläfchen höher als des Nachts ist. Ob dies die Regel darstellt oder nicht, läßt sich natürlich nicht endgültig aussagen. Ich vermute aber, daß mit einem höheren Verdichtungszustand zu rechnen ist, was aber keineswegs einem prinzipiellen Gesetz entsprechen muß. Auf jeden Fall kommt mir nun die Erfahrung sehr zugute. Beispielsweise jene auf der Veranda, wo ich die eigentliche Ablösungsbewegung mit einer physischen Körperbewegung verwechselt hatte (und an die ich mich jetzt erinnere). In diesem Moment ist es nicht so kraß, denn ich bin darauf gefaßt und achte genau auf den Zustand des Kopfes, vor allem aber auf die Geräusche, die entstehen, wenn ich mich um etwa ein oder zwei Zentimeter mit dem Zweitkörper hochhebe. Würde dies mittels des physischen Kopfes geschehen, dann wäre ein reibendes Geräusch des Kopfkissens zu hören, auf dem mein Kopf aufliegt.

Vorsichtshalber lasse ich mich wieder zurückgleiten lasse, um anschließend einen neuen Versuch einzuleiten. Denn in der momentanen Situation ist die Tatsache erschwerend, daß bei diesem sehr geringen "Abstand" des Zweitkörpers vom physischen Körper beide Körper bewußt zu spüren sind. Das überrascht mich nicht besonders, denn ich habe gelesen, daß Leute beim Ablösungsvorgang durchaus beide Körper spüren können.

Selber bin ich nun nicht abgeneigt, eine solche Erfahrung zu machen, denn ich denke mir, daß ein derartiger Zustand für die Kontrolle und das bewußte Mitvollziehen der Körperablösung und damit des Austritts ziemlich günstig sein könnte. Vor allem gilt es dabei, die diversen Körpergefühle korrekt auseinanderzuhalten, denn es sind vorübergehend wirklich zwei Körper zu spüren, also zwei Köpfe, vier Arme und vier Beine. Das ist für mich nicht leicht, weil ich diese Art von Erfahrungen bislang nicht kenne und deren Auswirkungen nicht gewohnt bin. Zudem sind die Empfindungen der beiden Körper verblüffend ähnlich. Das wiederum ist ein Hinweis auf den hohen Verdichtungsgrad des Zweitkörpers im Vergleich zum physischen Körper. Es ist mir klar, weswegen gerade solche Erfahrungen, bei denen die beiden Körper nicht weiter als etwa 20 Zentimeter voneinander entfernt sind, meist nicht als Austritts-Erfahrungen identifiziert werden können. Wenn nämlich jemand von diesen Dingen nichts oder viel zu wenig weiß, dann kann die Differenz der beiden Körper nicht bewußt feststellt und die Tatsache realisiert werden, daß eine Ablösung erfolgt ist.

Ich sehe es jetzt bei mir selber, wie schwierig die korrekte Identifizierung der Körper ist. Bei einem verfeinerten Empfindungsvermögen könnte es mir gelingen, schneller und vor allem auch häufiger einen Austritt mit dem Zweitkörper durchzuführen. Bisher habe ich wohl manche Gelegenheit dazu nur deswegen verpaßt, weil ich sie nicht erkannt habe!

Es stellt sich mir die Frage, wie der Austritt des Zweitkörpers von einem Anheben des materiellen Körpers unterschieden werden kann? Bei der Beantwortung dieser Frage kommt mir der Zufall in Form der Kissen zu Hilfe, zwischen denen ich mit dem Kopf so tief wie wohl kaum jemals zuvor "stecke". Wenn ich mich nur leicht mit dem materiellen Kopf bewege, dann kann das schabende Geräusch gut gehört werden, das dabei entsteht. Indem ich den Versuch gleich mal mache und bewußt den physischen Kopf bewege, ist deutlich ein "Kratzen" zu vernehmen. In dem Moment aber, wo ich eine Ablösung des Zweitkörpers durchführe, indem ich zuerst mit dem Kopf aussteige und dann mit dem Oberkörper bis etwa zum Nabel mich vorbeuge (wie wenn ich eine Rumpfbeuge machen würde), ist trotz des aufmerksamen Hinhörens kein Reibgeräusch zu vernehmen. Also kann ich ziemlich sicher sein, daß da nicht ein "Schlafwandler" in seinem physischen Körper aufsteht.

Dennoch läßt sich eine absolute Sicherheit auch auf diese Weise nicht gewinnen. Es könnte ja sein, daß bloß das akustische Wahrnehmungsvermögen "ausgeschaltet" wurde. Deshalb führe ich einen zweiten Versuch durch, bei welchem der Kopf so weit nach unten gebeugt wird, daß er auf den gleichzeitig angezogenen Knies derart anschlagen müßte, daß es schmerzt. Das ist aber nicht der Fall! Hätte ich die Bewegung mit dem physischen Körper gemacht, wäre es es jetzt zu einem Zusammenprall gekommen - also habe ich den Zweitkörper bewegt!

Ich wage es jetzt nicht, die Augen des Zweitkörpers zu öffnen, weil es im Zimmer taghell ist. Wegen des für mich doch ziemlich ungewohnten Zustandes könnte es aufgrund der Neuartigkeit schnell wieder zu einem Zurückgleiten kommen. Außerdem soll bei diesem Austritt nicht so sehr das optische Zeugnis über meinen Zustand Auskunft geben, sondern ich will die Situation wirklich sachte erspüren und auf diese Weise definitiv Gewißheit erlangen. Es gibt auch etwas Unbestimmbares, das mich daran zu hindern scheint, die Augen des "Astralleibes" zu öffnen. Sicherheitshalber trachte ich also nicht sonderlich danach, die Öffnung zu erzwingen. Für mich ist dies das merkwürdigste Moment an der ganzen Sache!

Um aber endgültig - auch ohne optische Bestätigung - zu wissen, daß ich im Zweikörper und damit "ausleibig" bin, rutsche ich auf der linken Seite der zusammengelegten Matratze hinunter auf den Boden. Der Berberteppich ist sehr gut zu spüren - aber nicht in der gewohnten Weise! Er fühlt sich anders als im physischen Körper an. - Trotzdem verhalte ich mich immer noch so, daß mir, d.h. meinem irdischen Leib, in dem ich ja trotz allem noch sein könnte, nichts geschehen kann. Denn nach wie vor läßt sich der Zustand nicht mit letzter Sicherheit identifizieren.

Ich beschließe, in die Küche zu gehen, und stehe langsam auf. Sollte ich das mit dem physischen Körper tun, wird mich meine Frau Cathy bestimmt sehen. Jetzt versuche ich es aber doch wieder, die Augen zu öffnen. Das geht allerdings nicht. Vielleicht deswegen, weil ich mich spezifisch auf die Augen des physischen Körpers konzentriere und nicht "ganz allgemein" eines optischen Zentrum aktiviere. Um außerkörperlich zu sehen, braucht es wahrscheinlich die Empfindung nicht, die entsteht, wenn die Lider gehoben werden.

Da der Weg in die Küche auch mit geschlossenen Augen zu finden ist, mache ich mich "blind auf die Socken" in der Meinung, eben doch außerkörperlich zu sein. Den Gedanken, Cathy zu umarmen, finde ich amüsant. Mal schauen, ob sie etwas spürt. Das Problem der Lokalisierung meiner Frau läßt sich dadurch lösen, daß die "Arme" seitlich ausgestreckt werden beim Gehen durch den (schmalen) Raum. Cathy wird mich schon spüren, wenn ich sie erreiche. Aber wo genau ist sie?

Langsam schreite ich durch die Küche. Und da! Ein Körper! Es kann nur meine Frau sein, an die ich anstoße. Sogleich umarme ich Cathy mit meinen Armen. In diesem Moment stößt sie einen Schrei aus, der so tönt, als habe sie sich etwas erschreckt! Mich durchzuckt es heiß und kalt zugleich, denn auf eine solche "Reaktion" war ich nicht gefaßt. Verblüffend und erstaunlich! Niemals hätte ich gedacht, daß Cathy derart prompt reagieren wird. Allerdings bin ich mir bewußt, daß es sich auch um einen Zufall, um eine Koinzidenz handeln könnte. Klar, durch diesen einmaligen Versuch läßt sich die Sache nicht entscheiden.

Vorerst neige ich aber zur Ansicht, daß es sich hier nicht um eine Koinzidenz, sondern um ein echtes kausales Geschehen handelt. Es scheint jedoch wenig sinnvoll, aus diesem einmaligen Ereignis eine Regel ableiten zu wollen. Dennoch ist die Erfahrung sehr ermutigend.

Ein bißchen fühle ich mich beschämt, meine Frau so ganz ohne Vorbereitung erschreckt zu haben. Nun - es ist ja nichts Schlimmes passiert. Der Schreck dürfte auch nicht allzu groß gewesen sein - zumal Cathy von meiner Fähigkeit weiß.

Einigermaßen zufrieden gehe ich wieder zurück in die Wohnstube und überlege mir dabei, was sonst noch getan werden könnte. Ob ich meinen physischen Körper mal anschaue? Das wäre jetzt möglich, denn langsam stellt sich das optische Sehen ein. Ist also das Sehen in diesem Zustand eine Frage der Anpassung? Fast scheint es so. Auch bei anderen Austritten war es oft so - es brauchte einfach eine gewisse Gewöhnungszeit. Erst jetzt fällt mir diese "Gesetzmäßigkeit" auf. Bislang sind derartige Dinge von mir wohl zu wenig beachtet worden. Es scheint außerkörperliche Ereignisse zu geben, bei welchen sich das "Sehen" erst nach und nach einstellt. Es kommt mir so vor, als müßte sich das optische System auf die neue Situation einstellen. Dies ist sicher eine Angelegenheit, die es in Zukunft genauer zu beobachten gilt.

Der Gedanke, meinen physischen Körper anzusehen, scheint mir nicht ganz abwegig, zumal bezüglich der Lichtverhältnisse in der materiellen Wirklichkeit keine besseren Voraussetzungen vorhanden sein könnten - schließlich ist es ja heller Tag! Andererseits habe ich wegen des unerwartet prompten Reagierens von Cathy etwas die Fassung verloren. Die Kontinuität des Bewußtseins droht instabil zu werden. Es ist deshalb etwas riskant, in dieser Phase das bewußte Betrachten des physischen Leibes in Betracht zu ziehen. Schon beim bloßen Gedanken daran verliere ich beinahe die Bewußtheit. Nur mit Mühe läßt sie sich aufrechterhalten und stabilisieren. Deshalb verzichte ich auf dieses Unterfangen und beobachte nur, wie sich das Sehen immer mehr steigert und umfassender wird.

Dann zieht es mich jedoch sachte zum physischen Körper zurück und schließlich gleite ich mit dem Zweitkörper wieder in ihn hinein. Für einige Minuten bleibe ich "dösend" liegen, stehe also nicht sofort auf, um mit Cathy zu sprechen. Es ist nämlich zu befürchten, daß der Wechsel der Körperbefindlichkeit etwas zu schnell sein könnte. Bei diesen Dingen bin ich immer sehr vorsichtig. So bleibe ich noch für einige Zeit liegen, um mich an den physischen Körper langsam wieder zu gewöhnen.

Endlich stehe ich (jetzt natürlich mit dem physischen Leib) auf und gehe in die Küche, wo ich Cathy frage, weshalb denn dieser Schrei von vorhin. Sie sitzt jetzt am Tisch, arbeitet mit Ton und modelt an einem Teller. Vorhin sei sie am Herd gestanden, sagt sie - eben exakt an dem Ort, wo ich sie umfaßt habe! Beim Herausnehmen eines Apfelkuchens aus dem Blech sei das Backpapier zerknüllt worden, weshalb sie etwas ärgerlich geschrien habe. Sie wisse aber selber nicht, weshalb diese Reaktion, zumal der Grund hierfür, d.h. für einen Aufschrei, doch viel zu gering gewesen sei. Ich erzähle ihr, daß sie exakt in dem Moment diesen Laut von sich gegeben habe, als ich sie außerkörperlich umfaßte. Das verblüfft sie sehr, denn an so etwas habe sie nicht gedacht.

Anzumerken bleibt noch, daß ich mich beim Aufstehen völlig ausgeruht gefühlt habe. Hätte ich bloß gedöst, wäre das nicht der Fall gewesen. Aber beim einem Mittagsschläfchen mit Außerkörperlichkeit ist es für mich eher die Regel, daß ich anschließend sehr erfrischt bin.


zum Anfang des Dokumentes

Konvertierung zu HTML Juli 1996
Homepage: http://www.oobe.ch
e-mail: werner.zurfluh@oobe.ch
©Werner Zurfluh