Die Spur der Quader 7
Der Diamantkörper Werner Zurfluh |
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Teil 1
1. Das Geheimnis der goldenen Blüte
Im Buch «Das Geheimnis der goldenen Blüte»
von Richard Wilhelm und Carl Gustav Jung ((1929) 1965) wird die Entstehung des
Diamantkörpers meisterhaft dargestellt. Dieser Körper ist mit dem "Astralleib",
dem "subtle body" bzw. dem "Zweitkörper" - wie auch
immer dieser genannt werden mag - gleichzusetzen. Die Benennungen mögen
unterschiedlich sein, doch ist es stets ein ganz besonderer "veränderter
Bewußtseinszustand" (altered state of consciousness) bzw. eine
spezielle Erfahrung, die dem Erleben zugrunde liegt. Ob dieses Erlebnis nun als
"Astralprojektion", als "außerkörperliche Erfahrung"
(AKE, OOBE (out-of-body-experience)) oder als "luzides Träumen"
bezeichnet wird, ist eigentlich egal, denn diese Bezeichnungen sind gleichwertig
und vor allem deswegen austauschbar, weil sie stets ein Ich-Bewußtsein
voraussetzen, das kontinuierlich ist und um seinen jeweiligen Zustand weiß.
Es
wurde mir selber erst durch die Berücksichtigung der eigenen Erfahrungen möglich,
einige Stellen dieses Buches auf eine sehr praxisbezogene Art zu begreifen. Tatsächlich
kann die mit einer außerkörperlichen Erfahrung und mit einem luziden
Traum verbundene Ich-Bewußtseinskontinuität maßgeblich zum
Verständnis des chinesischen Textes beitragen. Doch ohne eigene Erfahrungen
müßte der alte Text ein dunkles, absonderliches Geheimnis und eine
abstruse Theorie ohne jegliche praktische Relevanz bleiben.
"Das
Geheimnis der goldenen Blüte" wird im folgenden immer wieder ausführlich
zitiert und kommentiert. Selbstverständlich beleuchten meine Kommentare nur
gewisse Teilaspekte des von Richard Wilhelm übersetzten alten chinesischen
Textes. Dabei wird auch zum Ausdruck kommen, daß meine Erfahrungen
verglichen zu denen der alten Meister anfängerhaft sind. Die Reihenfolge in
diesem Kapitel wird übrigens weniger durch das Datum der Erfahrungen als
vielmehr durch den chinesischen Text bestimmt.
Es ist beinahe
aussichtslos, über innere Erlebnisse zu sprechen, ohne zu stammeln, denn
vieles ist unsagbar. Bei mir sind es vor allem die Gefühlsmomente, die
schwer zu beschreiben sind. Deshalb ist für mich diese schwierige Aufgabe
nur durch das simple Erzählen der teilweise doch sehr merkwürdig
scheinenden Erfahrungen möglich.
Gerade weil das Verständnis der chinesischen Schrift und vieler
anderer Texte bei mir mit dem Erleben des nächtlichen Geschehens zusammenhängt,
wird dieses ausführlich beschrieben. Im Unterlassungsfall würden die
dem Verstehen zugrundeliegenden Erfahrungen nämlich bloß verschwiegen
- und das wäre vor allem unfair gegenüber der nächtlichen Welt.
Weg und Ziel sind eine Einheit! Dem Weg durch die Nacht verdanke ich
immerhin den größten Teil des Verständnisses, des Wissens und
die Informationsstrukturierung - ferner auch die Gewißheit eines
Lebenssinnes, der es mir erlaubt, gefühlsmässig und intuitiv seit
Jahrzehnten auf der Spur der "inneren Fährte" zu verbleiben.
Dabei kommt es beinahe automatisch zu einer Sensibilisierung der Sinne gegenüber
den Belangen des Alltags, denn jede Art von Steigerung der Aufmerksamkeit wirkt
sich auf sämtliche Lebensbereiche -also auch auf den Alltag - aus.
Und
in bezug auf das nächtliche Erleben ist eben schon so, wie Ravenwomen,
eine Cree-Indianerin, sagte: «Mein Großvater glaubte, daß
jemand, der auf seine Träume hört, Dinge lernen kann, von denen meine
Vorfahren noch wußten, wie sie anzupacken sind.» (Vgl. Gackenbach
Thoughts About
Dreamwork with Central Alberta Cree )
In der Nacht finden
manchmal derart seltsame Begegnungen jenseits der gewohnten Zeiten und Räume
statt, daß eine solche oder z.B. die folgende Aussage sofort verständlich
wird: Die Maya glaubten, «ihre Beziehung zu den Göttern stärken
zu können, indem sie sich an ihre Vorfahren erinnerten und eine Verbindung
zu ihnen herstellten. Die Vorfahren wurden als Quelle des Wissens betrachtet,
das notwendig war, um nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft zu
sehen. Daher glaubten die Maya, daß sie vorübergehend die
prophetischen Kräfte ihrer Vorfahren bekamen, wenn sie den Göttern und
ihren frühesten Ahnen etwas zurückgaben.» (Morton &
Thomas «Tränen der Götter - Die Prophezeiung der 13 Kristallschädel»,
München: Scherz 1998:17)
Leider vermeiden es die meisten
Forschenden und vor allem die Naturwissenschafter immer noch, auf ihre nächtlichen
Erfahrungen zu hören und sie explizit in ihre Studien miteinzubeziehen
oder sie wenigstens genauer zu untersuchen - sei es nun mittels Meditation oder
unter Zuhilfenahme anderer introspektiver Methoden. Die moderne Bewußtseinsforschung
verläßt sich allerdings in steigendem Masse auch auf experimentelle
Erfahrungsbeweise - und einige Wissenschafter sind nun doch gegenüber
solchen Untersuchungen aus erster Hand aufgeschlossener. (Vgl. Francisco J.
Varela in: Varela, ed. «Sleeping, Dreaming, and Dying - An Exploration of
Consciousness with the Dalai Lama. Boston», Wisdom Publications, 1997:216.)
2. Das Weiterleben nach dem Tode
Nicht
unerwähnt bleiben soll, daß es den Chinesen auch darum ging, «die
Möglichkeit des Weiterlebens nach dem Tode, nicht nur als ein der Auflösung
verfallenes Schattenwesen, sondern als bewußter Geist vorzubereiten»
(Wilhelm (1929) 1965:64). Aber nicht nur im Hinblick darauf, daß
der physische Tod als der Weg und als das Tor zu einer anderen Dimension aufgefaßt
wird, ist es sinnvoll, den Übertritt in diese andere Welt vorbereitend zu
vollziehen. Eine Einübung in das Sterben ist in jedem Falle beruhigend und
wirkt heilend, denn es erinnert uns zumindest andauernd daran, daß wir
leben.
Es ist nun - vor jeder Diskussion über die Frage
eines "Lebens nach dem Tode" - unbedingt daran zu denken, daß es
nicht bloß den Tod als solchen gibt, sondern auch den Schlaf. Und dieser
wird als der "kleine Bruder des Todes" bezeichnet. Nicht umsonst, denn
das bewußte Ich löst sich in ihm normalerweise wie ein flüchtiges
Schattenwesen auf. Aber exakt dieses ließe sich vermeiden, wenn sich der
Geist auf ein "Weiterleben nach dem Einschlafen" vorbereiten würde.
Aus
der Kontaktaufnahme mit den "Quellen der Nacht" ergeben sich auch
psychische Einwirkungen auf das vegetative Nervensystem und das endokrinen Drüsensystems.
Dies kann durchaus «eine Stärkung, Verjüngung und Normalisierung
des Lebensprozesses» (Wilhelm (1929) 1965:64) bewirken. Mit
derartigen Effekten hat sich Remo F. Roth im Zusammenhang mit seiner von ihm
entwickelten "archetypischen Psychosomatik" bzw. der Methodik der "Symptom-Symbol-Transformation"
und deren "Visualisierung" auseinandergesetzt. Dabei wird versucht,
mittels eines introvertiert-meditativen Prozesses das Symptom einer Krankheit in
eine Vision umzuwandeln (vgl. z.B.
Roth 1998a)
Von
mindestens ebenso großer Wichtigkeit wie die Auswirkungen auf den
physischen Körper ist jedoch die Tatsache, daß durch diese
Auseinandersetzung «der Tod in der Weise überwunden wird, daß er
sich als harmonischer Abschluß dem Lebensprozeß einfügt. Der
irdische Leib wird von dem (zu selbständigem Weiterleben in dem aus seinem
Kraftsystem erzeugten Geisterleib befähigten) geistigen Prinzip verlassen
und bleibt als austrocknende Schale zurück wie die Schale einer ausgeschlüpften
Zikade» (Wilhelm (1929) 1965:64).
Der Geisterleib, der
einem Schmetterling gleich seine Hülle verläßt, kann z.B. als "Zweitkörper"
oder auch als "Hauchkörper" bezeichnet werden. Es gibt außerdem
einen faszinierenden Zusammenhang zwischen den verschiedenen Körpern, denn
es ist daran zu denken, daß viele Alchemisten ein Lebenselixier (tinctura)
herzustellen suchten, das «beim Aufbau des Hauchkörpers (subtle body)
- des mikrokosmischen Aspektes der makrokosmischen Weltseele - behilflich sein
soll» ( Remo F. Roth «Weltseele und Hauchkörper»,
unpubliziertes Manuskript 1992
).
Weil jeder Mensch «durch die Art und Weise, wie zielstrebig
er seinen Hauchkörper aufbaut, sein nachtodliches Leben beeinflussen kann»
(ibid.), ist es wohl nicht ganz unerheblich, sich gegenseitig von diesem
Unterfangen zu erzählen.
«Es hängt von jedem Einzelnen
ab, was mit ihm im Jenseits geschehen wird. In diesem Erdenleben, im Hier und
Jetzt der momentanen Existenz, muss der Mensch durch eine Arbeit an sich selbst
die Grundlage für das Überleben im Jenseits schaffen» (ibid.).
3. Ein erster Schritt
«Das
Geheimnis des Lebenszaubers besteht darin, daß man das Handeln benützt,
um zum Nichthandeln zu kommen, man darf nicht alles überspringen und direkt
eindringen wollen. Der überlieferte Grundsatz ist, die Arbeit am Wesen in
die Hand zu nehmen. Dabei kommt es darauf an, nicht in Abwege zu geraten» (Willhelm
(1929) 1965:76).
Ein erster Schritt in diese Richtung geschah bei
mir am 15. November 1970.
... Die Gegend, in der ich mit anderen zusammen arbeite, ist mir unbekannt. Wir schaufeln einen Graben. Es sollen Röhren verlegt werden. Nach Feierabend erhalten wir den Lohn für unsere Arbeit.
Unterwegs nach Hause stoße ich auf eine hölzerne Wasserrinne und blicke hinein. Ein Wesen schwimmt still und ruhig mit dem Lauf des kristallklaren Wassers von links nach rechts. Es ist eine äußerst fremdartig Gestalt, halb ein Fisch und halb ein Mensch. Beim Anblick dieses Wesens durchzuckt mich sofort der Gedanke, es anzusprechen.
Trotz meiner Aufregung gelingt es mir, den menschlichen Fisch zu veranlassen, bei mir anzulanden. Ich bitte den Fischmenschen um einen Tausch und biete meinen gesamten Lohn für den Schmuck, den es trägt. Das Wesen willigt ein und wir wickeln das Geschäft ab. Es übergibt mir einen Silberschmuck, der in seiner Ursprünglichkeit faszinierend ist.
... Später sehe ich am Wegrand eine leicht rostige Eisenkugel liegen und frage mich, ob ich sie mitnehmen soll - lasse sie aber liegen. ...
1970 ließ ich das 'Kugelproblem' noch
liegen. Es war mir damals einfach nicht möglich, die Ganzheitsproblematik,
die in der Kugelform angedeutet schien, von den mir damals bekannten
tiefenpsychologischen Auffassungen abzukoppeln und sie unter dem Blickwinkel der
Außerkörperlichkeit und der Bewußtseinskontinuität zu
betrachten. Der kostbare Schmuck des Fischmenschen hingegen gehörte nicht
zu der von den Psychologen gesetzten "Tabuzone des Diamantkörpers",
der sich - von mir unerkannt - bereits in Form einer eizellenartigen Eisenkugel
bemerkbar machte.
Daß ich alles daran setzte, den "primitiven"
Schmuck zu bekommen und sogar meinen ganzen Lohn dafür eintauschte, ist
deswegen sinnvoll, weil damit eine nach außen gerichtete monetäre
Energieform für etwas eingesetzt wird, das aus der Innenwelt kommt. Ich
hatte auch die "Spur des menschlichen Fisches" aufzuspüren und
nach links in Richtung der Verinnerlichung zu gehen und 'umzukehren', statt mich
weiterhin zu "entäußern" in Richtung gesellschaftlicher
Ansprüche und Erfüllung von Karrierewünschen.
«Darum
braucht ihr nur das Licht in Kreislauf zu bringen (in einer rückläufigen
Bewegung); das ist das höchste und wunderbarste Geheimnis. Das Licht ist
leicht zu bewegen, aber schwer zu fixieren. Wenn man es lang genug im Kreis
laufen läßt, dann kristallisiert es sich; das ist der natürliche
Geistleib. Dieser kristallisierte Geist bildet sich jenseits der neun Himmel.
Das ist der Zustand, von dem es im Buch vom Siegel des Herzens heißt:
'Schweigend fliegst du des Morgens empor'» (Willhelm (1929) 1965:77).
«Bei
der Durchführung dieses Grundsatzes braucht ihr nach keinen andern Methoden
zu suchen, sondern müßt einfach die Gedanken darauf sammeln. Das Buch
Long Yen (Long Yen ist das buddhistische Suramgama-Sutra) sagt: 'Durch Sammlung
der Gedanken kann man fliegen und wird im Himmel geboren.' Der Himmel ist nicht
der weite blaue Himmel, sondern der Ort, wo die Leiblichkeit im Haus des Schöpferischen
erzeugt wird. Wenn man lang damit fortfährt, so entsteht ganz natürlich
außer dem Leibe noch ein anderer Geistesleib» (Wilhelm (1929)
1965:77-78).
«Die innere, mikrokosmische Befreiung und Erlösung
der göttlichen Weltseele aus der Materie erlebt der empirische Mensch im
Prozess der introvertierten Transformation der triebhaften Energie, welche dem
Aufbau des deifizierten Hauchkörpers für das Leben nach dem Tod dient»
(Remo F. Roth Das
Radbild des Niklaus von Flüe als Symbol des Aufbaus des Hauchkörpers
- Skizzen einer zwanzigjährigen Forschungsarbeit, 1996 ).
Nun
ist es allerdings oft so, daß die innere, mikrokosmische BEFREIUNG
der göttlichen Weltseele aus der Materie SPONTAN irgendwann im
Verlaufe des Lebens erlebt wird. Die Probleme der Erlösung, Transformation
und Deifizierung können dann - wie das Nachtodleben - mehr oder weniger
ausgeklammert werden.
Es gibt nämlich zig-Tausende von Menschen,
welche die Außerkörperlichkeit - manchmal im Zusammenhang mit einer
Nahtoderfahrung - erlebt haben. Ich selber erlebte den Hauchkörper erstmals
bewußt im Alter von etwa 15 Jahren und hatte seither weit mehr als 1000
derartige Erlebnisse. Vor allem in den ersten Jahren kümmerte ich mich
nicht direkt um die Fragen rund um Erlösung, Transformation, Deifizierung
und Nachtodleben. Das geschah bloß indirekt, denn gewisse Themen
brachten in mir schon in der Jugendzeit etwas zum Erklingen. Manchmal sehr zum
Erstaunen der Erwachsenen, denn mein Interesse z.B. für Mystik und
Tiefenpsychologie schien ihnen etwas verfrüht.
Die Erfahrung des
Hauchkörpers kann durchaus als eine «innere, mikrokosmische Befreiung
der göttlichen Weltseele aus der Materie» beschrieben werden. - Die
Ablösung des Hauchkörpers vom physischen Körper wird nämlich
tatsächlich als eine BEFREIUNG erlebt, jedoch nicht als eine
innerliche und mikrokosmische, sondern simpel als eine Loslösung und
Entfernung von der materiellen Körperlichkeit, die "zurückbleibt"
- z.B. im Bett liegend, an einem Unfallort oder auf dem Operationstisch. Um
diesen Vorgang beschreiben zu können als «mikrokosmisches Geschehen
innerer Natur, bei dem die göttliche Weltseele aus der Materie befreit wird»,
wäre ein bestimmtes theoretisches Vorverständnis notwendig! Bei Remo
F. Roth ist es dasjenige der Komplexen Psychologie von C.G. Jung.
Für
jene jedoch, die den Hauchkörper SPONTAN erleben, ist dieser
einfach nur ein zweiter Körper und ein Vehikel für die außerkörperliche
Erfahrung. Dieser 'subtle body' erscheint keineswegs als deifiziert, sondern in
etwa dem physischen Körper gleichwertig - ohne allerdings dessen
Krankheiten und Gebresten aufzuweisen. Eventuelle Deformationen des Hauchkörpers
haben andere Ursachen.
Daß der Hauchkörper in seiner
deifizierten Form für das Leben nach dem Tod dienen könnte, ist sehr
wahrscheinlich, dürfte aber - nebenbei gesagt - einen 15 Jahre alten
Knaben nicht besonders interessieren und auch nicht seinem Wissensstand
enstprechen. Es kam bei mir zu einer anderen Art der Deifizierung. Zu einer, die
meine Einstellung betraf, denn ich wurde nach und nach zu einem tiefreligiösen
Menschen jenseits jeder Konfessionalität. Viele (Hauchkörper-)
Erlebnisse waren oft schockartig und sowohl ein Tremendum wie auch ein
Numinosum. Sie erschütterten und beeindruckten mich zutiefst, machten mich
sprachlos und liessen mich hellhörig und achtsam werden. Ich begann, die
spirituelle Verbundenheit mit dem ganzen Kosmos zu erleben und sozusagen "körperlich"
zu spüren - und wurde deswegen beinahe gezwungenermassen "rückbezüglich"
und somit "religiös".
Wer sich mit dem Hauchkörper
aufgrund von Erlebnissen oder einfach aufgrund theoretischer Überlegungen
auseinanderzusetzen beginnt, setzt als "moderner Alchemist" «den
Prozess der Psychifizierung der Körpermaterie in Gang ..., zu welchem
aufgrund des synchronistischen Modus dieses Geschehens ein Parallelprozess der
Rematerialisierung der Psyche gehört» (Remo F. Roth
Das Radbild des
Niklaus von Flüe als Symbol des Aufbaus des Hauchkörpers). Wer
dies tut, wird bald einmal merken, daß trotz der engen Verflechtung der Körperlichkeit
mit der Bewußtheit keine Wesensgleichheit zwischen den beiden besteht. Bei
einer "Ablösung" des Hauchkörpers vom physischen Körper
bleibt die Kontinuität des Ich-Bewußtseins ebenso erhalten wie bei
einem Wiedereintritt. Möglicherweise wird der Mensch bei diesem Prozess
lernen, dass die «in einem introvertierten Schöpfungsakt durch den
Menschen neu gezeugte Materie als subtil oder hauchförmig zu verstehen»
(ibid.) ist. Diese 'Materie' entspricht «dem in diesem Leben für das
Leben nach dem Tod aufzubauenden Hauchkörper, welcher seinerseits den
mikrokosmischen Aspekt der erlösten Weltseele darstellt» (ibid.).
Es handelt sich also bei der Deifizierung um einen Prozeß der LÄUTERUNG
und der ERLÖSUNG, in dessen Verlauf eine REINIGUNG der Körperlichkeit
des Ich stattfindet. Dies alles geschieht im Innersten des Menschen, in seinem
"Herzen", das in der muslimischen Mystik - im Sufismus - ein Spiegel
ist, «in dem Gott sich selber schauen kann» (ibid.). Eines
Tages wird es dann geschehen, daß der geläuterte Zustand des Herzens
einen diamantartiger Astralleib (einen subtle body oder eben einen Hauchkörper)
entstehen läßt, «der die Fähigkeit besitzt, in den Himmel
aufzusteigen» (ibid.).
Die Läuterung und "Zerstörung der außergöttlichen
Einflüsse" kann sehr schmerzhaft sein, denn vorerst einmal muß
das "alte, eindimensionale Herz" zerbrochen und damit das bislang
geltende (materiell-körperliche) Weltbild zerstückelt und "auseinanderdividiert"
werden. Falls das "Herz" nicht bereits unterwegs bei lebendigem Leibe
in der Introversion bzw. einem "Traumzustand" zur "Ruine"
geworden ist, wird es äußerlich spätestens in dem Moment dazu
gezwungen, "in kleine Stücke zu zerspringen", wenn der physische
Leib stirbt und zerfällt.
Selbstverständlich kann dies alles
als Humbug bezeichnet werden. Bedingung dafür ist nur die strikte Ablehnung
der seelischen Dimension des Menschen. Diese Verneinung muß allerdings mit
einem Verlust der Menschlichkeit bezahlt werden und ist gleichbedeutend mit
einer totalen Versteinerung und Erstarrung des Herzens. Ein solcher Mensch wird
zu einem "lebendigen Leichnam", zu einer "Larva" oder zu
einem "Zombie". Mit der Zeit löst er sich dann total in der
Lieblosigkeit auf und verweht in ein absolutes Nichts.
Dies ist nun
exakt der Punkt, an dem der Selbsterkenntnis- und Individuationsprozess mitsamt
dem Wissen der Komplexen Psychologie C. G. Jungs ansetzen kann, denn hier
beginnt die eigentliche Transformation und damit der sinnvolle Einbezug des
christlichen Mystikers Niklaus von Flüe und z. B. der muslimischen,
buddhistische und hinduistischen Mystik «mit ihrem Anliegen des Aufbaues
des Hauchkörpers» (ibid.).
Eine Deifikation des
Hauchkörpers kann ganz von alleine geschehen - wie eben auch die
Menschwerdung und Individuation -, erfordert jedoch oft eine ernsthafte und bewußte
Auseinandersetzung in Form eines "Opus magnum". Es geht dabei um eine «Vereinigung
von Eros und Logos mit der Hilfe der Meditation (imaginatio)» (ibid.).
Viele Psychologen scheinen nicht zu begreifem, daß eine Hauchkörpererfahrung
noch lange keine automatisch stattfindende Deifikation bzw. eine Erlösung
der göttlichen Weltseele aus der Materie bedeutet. Vielmehr ist die Hauchkörpererfahrung
wie der Traum "nur" ein Ausgangspunkt für die Bewußtwerdung
und die Sinnfindung. Hauchkörpererfahrungen haben allerdings einen Vorteil
gegenüber den normalen Träumen, weil das Ich sich der Tatsache, "außerkörperlich"
zu sein und unabhängig vom Zustand des physischen Körpers existieren
zu können, voll bewußt wird.
«Statt den Hauchkörper
als losgelöst vom physischen Körper zu erfahren, kann es auch sein,
daß er als 'Diamant' im Bauch ruht oder das Herz erfüllt. Im
Sterbeprozess wird sich dieser Diamant sehr wahrscheinlich vom physischen Körper
trennen, aber im Moment vermittelt er dem Menschen ein äußerst
intensives Lebensgefühl, ein inneres Glück, Zufriedenheit, Frieden mit
der Welt und manchmal sogar den Zustand der Glückseligkeit» (Hinweis
von Remo F. Roth). Dies ist eines der günstigen Zeichen, die im "Geheimnis
der goldenen Blüte" erwähnt werden!
Ob dieses Wissen,
das weit über die Grenzen des im Materiellen Verhafteten hinausgeht,
letztlich den Erkenntnisprozeß der Menschwerdung fördert, hängt
vom Verhalten und der ethischen Einstellung des Ich ab.
Dem Entschluß,
den Hauchkörper als "Diamant" im Bauche bzw. im Bereich des
Solarplexus ruhen zu lassen und sich prinzipiell NICHT um eine außerkörperliche
Erfahrung zu bemühen, steht ein anderes Extrem gegenüber, nämlich
der Versuch, JEDE Nacht willentlich auszutreten.
Bei mehrfach "erzwungenen"
- aber auch bei den spontan sich ereignenden - außerkörperlichen
Erfahrungen kann es beispielsweise zu einem Albdruck kommen. Dabei ist zu spüren,
daß etwas auf dem Oberkörper oder dem Kopf lastet, was den Austritt
sehr erschwert. Es müssen Gegenmaßnahmen getroffen werden wie
beispielsweise das seitliches Hinausrollen oder das gewaltsame
Herauszukatapultieren. Bei einem vollbewußten Wechsel bei kristallklarer
Bewußtseinskontinuität kann es geschehen, daß in der
Anfangsphase gleich nach dem Austritt manchmal überhaupt nichts gesehen
wird - alles bleibt schwarz und "zappenduster". Für eine Weile
tappt man dann vielleicht vorsichtig und mit ausgestreckten Händen Schritt
für Schritt "tastend" voran, bis endlich optisch etwas zu
erkennen ist. Bei erzwungenen Austrittserfahrungen - aber auch bei anderen -
kann es vorkommen, daß eine Rückkehr in den physischen Körper völlig
unmöglich scheint oder der physische Körper unbeweglich in einem
kataleptischen Zustand verharrt, was extrem unangenehm und sehr beängstigend
sein kann.
Es gibt neben der Beachtung der Träume vor allem im
Zusammenhang mit den willentlich "erzwungenen" Austritten eine
passende Möglichkeit, sich darüber Aufschluß zu verschaffen, ob
die mit den außerkörperlichen Erfahrungen verbundenen Absichten im
Hinblick auf das "spirituelle Wachstum" rechtmäßig sind.
Nach einem Austritt können beispielsweise jederzeit die Hände des
Zweitkörpers betrachtet werden. Sind diese im Gegensatz zu den Händen
des physischen Körpers irgendwie deformiert, ist dies ein Hinweis auf eine
irgendwie "defekte" Handlungsweise. Eine Verunstaltung sollte
unbedingt beachtet und genauer bedacht werden.
Fortsetzung 4. Eine Anekdote des
Scheiterns in:
Die Spur der Quader Teil 8
Konvertierung zu HTML März 1999
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Zurfluh